Etikettenschwindel bei Erneuerbaren? Mit Atom erzeugter Wasserstoff plötzlich „grün“
Die EU-Kommission legt die Vorschriften für „grünen“ Wasserstoff fest. In Berlin sieht man eine Hintertür für Atomstrom.
Berlin - Wasserstoff gilt für viele als nachhaltiger Energielieferant der Zukunft. Nicht jeder Wasserstoff ist allerdings per se umweltfreundlich. Entscheidend ist die Herstellung.
Den sogenannten blauen Wasserstoff verteidigte zuletzt unter anderem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), wie die französische Nachrichtenagentur AFP schreibt. Bei der Herstellung des blauen Wasserstoffes kommt Erdgas zum Einsatz, weshalb dieser als unökologisch in der Kritik steht. Bei grünem Wasserstoff werden zur Herstellung hingegen erneuerbare Energien verwendet. Wann ein Wasserstoff als grün gilt, hat jetzt die EU-Kommission in zwei Rechtsakten festgelegt.
Grüner Wasserstoff: Strom macht aus Wasser einen Energieträger
Das Molekül Wasserstoffe kann durch den Einsatz von Strom mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen werden, wie der Tüv-Nord erklärt. „Stammt der eingesetzte Strom aus erneuerbaren Energien, so gilt auch der durch Elektrolyse erzeugte Wasserstoff als frei von Kohlenstoffdioxid (CO2) und nachhaltig.“
- EU-Vorgaben für grünen Wasserstoff:
- Zwischen dem Stromerzeuger und dem Wasserstofferzeuger muss es einen festen Abnahmevertrag für Strom („Power Purchase Agreement“, kurz „PPA“) geben.
- Ab dem Jahr 2028 soll der Strom für grünen Wasserstoff nur aus erneuerbaren Quellen stammen, die jünger als 36 Monate sind und nicht öffentlich gefördert wurden.
- Bis 2029 muss der Strom im selben Monat produziert werden wie der Wasserstoff, ab 2030 in derselben Stunde. Zu Zeiten, in denen der Strompreis unter 20 Euro pro Megawattstunde liegt, kann auch anderer Strom aus dem Netz bezogen werden.
- Strom und Wasserstoff müssen in der Regel in derselben Stromgebotszone erzeugt werden.
- Quelle: dpa
Um festzulegen welcher Strom und damit am Ende auch, welcher Wasserstoff als grün gilt, hat die EU-Kommission Regeln vorgelegt (siehe Liste). Zwei Monate haben können der sowohl der Europäische Rat, als auch das EU-Parlament noch Einspruch gegen diese einlegen. Gerade eine Ausnahme im EU-Papier könnte zu einem solchen Einspruch führen.
Kritik an EU-Vorstoß: Hintertür für Atomstrom
Wird der Wasserstoff in Strommärkten produziert, in denen die Stromerzeugung im Schnitt weniger als 18 Gramm CO₂-Äquivalent pro Megajoule erzeugt, fallen die Vorschriften für die Anlagen, aus denen der Strom stammt weg. Zwar müssen noch PPAs mit Solar- oder Windparks abgeschlossen werden, allerdings müssen diese weder neu noch zusätzlich sein. Und wenn die erneuerbaren Kraftwerke zeitweise keinen Strom einspeisen, könnte grüner Wasserstoff mit Atomstrom erzeugt werden, so die Kritik.
Das ärgert uns. Da wird versucht, wiederum Atomenergie als erneuerbare Energie zu deklarieren
„Wir brauchen Wasserstoff aus Erneuerbaren – und keine weiteren Anreize, veraltete Atommeiler am Netz zu halten oder gar Milliarden zu investieren, um neue zu bauen“, kritisiert der Europaabgeordnete der Grünen Michael Bloss. Gerade in Ländern wie Frankreich, in denen ein hoher Anteil des Stroms aus CO₂-armer Atomproduktion stammt, könnten sich diese Ausnahme zu nutzen machen.
Strom für Wasserstoff: Branche zeigt sich zunächst positiv
Die EU will die Wasserstoffproduktion bis 2030 auf zehn Millionen Tonnen pro Jahr hochfahren. Dafür soll ein Viertel des gesamten in Europa produzierten Stroms verwendet werden.

Die Branche reagierte zunächst positiv über den Vorstoß auf EU-Ebene. „Endlich gibt es Klarheit für Industrie und Investoren, und Europa kann den Markt für erneuerbaren Wasserstoff in Schwung bringen“, sagte Jorgo Chatzimarkakis, Chef des Verbands Hydrogen Europe. (Lucas Maier)
„Wir bleiben von der Wasserstofftechnologie überzeugt“, heißt es auch in Hessen.