Was kann internationale Zusammenarbeit im Lichte des Krieges leisten?

Tanja Gönner ist Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und sagt: Nah dran zu sein an den Menschen vor Ort ist entscheidend um Dinge zu verbessern.
Russlands Angriff auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende – nicht nur für die deutsche, sondern auch für europäische und weltweite Außen- und Sicherheitspolitik. Er fordert uns in unserem elementaren Werteverständnis heraus und zeigt auf grausame Art: Die geopolitische Lage ist so volatil wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch in vielen anderen Regionen weltweit sind Menschen zunehmend von tiefgreifenden Krisen, von Konflikten und Gewalt getroffen. Konflikte, in denen Menschenrechte missachtet, die Entwicklung ganzer Gesellschaften möglicherweise um Jahrzehnte zurückgeworfen wird.
Für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH waren und sind diese fragilen, von Krieg und Konflikt akut oder mittelbar betroffenen Einsatzländer eine ganz besondere Herausforderung. Denn wir setzen uns gemeinsam mit unseren Partnern weltweit für die Stärkung von Demokratie und Menschenrechten, für Rechtsstaatlichkeit und Teilhabe – und für friedliche Konfliktlösungen ein.
Ein entscheidender Faktor ist: nah dran zu sein an den Menschen vor Ort, um konkret und spürbar, manchmal auch im Kleinen, Dinge zu verbessern. So auch in der Ukraine. Die GIZ steuert mit ihren Auftraggebern bestehende Projekte um, organisiert dringend benötigtes Material. Von Erste-Hilfe-Sets über mobile Lichtmasten, von Kleinbaggern bis hin zu Stromgeneratoren. Was in einem Krieg wie „Kleinigkeiten“ wirkt, hilft den Menschen vor Ort enorm. Kommunen betreiben mit den Generatoren Suppenküchen oder Krankenhäuser; räumen mit schwerem Gerät Straßen frei und sichern die Versorgung.
Zur Autorin und zur Serie
Tanja Gönner ist Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH.
In der Serie #Friedensfragen suchen Expertinnen und Experten nach Antworten auf viele drängende Fragen. Dabei legen wir Wert auf eine große Bandbreite der Positionen – die keineswegs immer der Meinung der FR entsprechen. Alle Artikel finden sich auch auf unserer Homepage unter www.fr.de/friedensfragen
Dass die Hilfe ankommt, dafür sorgt das über Jahre gewachsene Netzwerk der GIZ. Die ukrainischen Gemeinden melden, was sie brauchen, um die Bevölkerung zu versorgen. Zusammen auch mit ukrainischen Organisationen sorgt die GIZ dafür, dass die dringend benötigten Waren schnell ankommen. Aber auch psychologische Hilfe organisiert die GIZ. Auch das ist ein Faktor, um Länder resilienter zu machen.
All das sind Beiträge zur menschlichen Sicherheit und zur Existenzsicherung – und daraus können Bausteine für eine größere Lösung in der Zukunft werden. Internationale Zusammenarbeit kann keine Kriege verhindern. Sie schafft keine demokratische Gesinnung, sondern sie kann nur verstärkend auf das wirken, was in Gesellschaften vorhanden ist. Und sie verhilft Ländern zu mehr Resilienz, um Konflikte zu vermeiden oder abzuschwächen.
Dass Deutschland sich auf allen Ebenen der internationalen Politik und Zusammenarbeit stärker einbringt und mehr Verantwortung auch in Krisen und Konflikten übernimmt, entspricht übrigens auch dem Wunsch des Auslands. Das ergeben GIZ-Studien seit Jahren, zuletzt eine gemeinsam mit dem Goethe Institut und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst durchgeführte „Außenblick-Studie“ in Zeiten von Corona. Solche Anliegen und Töne sollten wir ernst nehmen, denn es sind Hinweise, die bestätigen, was uns die Erfahrung aus der GIZ-Praxis lehrt.
Das nutzt den Ländern selbst, liegt aber – neben einer humanitären Verantwortung – auch im Interesse Deutschlands. Die deutsche Wirtschaft hängt in hohem Maße vom Export ab und profitiert damit ganz besonders von der Globalisierung. Mitten in Europa erleben wir gerade, was es bedeutet, wenn Märkte abgeschnitten werden. Der Krieg in der Ukraine und die Einschränkungen der Geschäftsbeziehungen mit Russland haben Folgen für den Welthandel und die hiesige Ökonomie.
Nicht Zurückhaltung lautet deshalb die Lösung, sondern anpassen, weiterdenken und vorausschauend handeln – und dabei Entwicklung und Sicherheit zusammendenken. Denn wir sollten uns darauf einstellen, dass die Welt weiter unruhig und gefährlich bleibt. Und die richtige Antwort darauf ist: Wir müssen unsere Handlungsfähigkeit anpassen und ausbauen.
Das gilt insbesondere auch für unsere Arbeit und unser entwicklungspolitisches Engagement in fragilen Ländern. Das ist zweifellos keine leichte Aufgabe und auch nicht immer und überall sofort von Erfolgen gekrönt. Aber sie ist aus meiner Sicht die beste Antwort und Strategie für die derzeitige Weltlage. Denn wäre Deutschland, wären wir als Bundesunternehmen GIZ nur dort aktiv, wo wir in Ruhe erneuerbare Energien fördern oder in aller Freundschaft Regierungen beraten könnten, wären wir schnell fertig.