Was kann die Friedensbewegung erreichen?

Auf den Ostermärschen wird die Friedensbewegung wieder eine starke Präsenz zeigen. Zuvor, am 24. Februar, dem Jahrestag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, hat sie der Forderung von 60 Prozent unserer Bevölkerung (gemäß Umfragen) nach sofortigen Friedensverhandlungen Nachdruck verliehen: durch die beachtlichen fast 800 000 Unterschriften unter das „Manifest für den Frieden“, die dazugehörige Kundgebung in Berlin sowie die dezentralen Aktionen des Bündnisses „Stoppt das Töten in der Ukraine!“
an über 40 Orten, woran teilweise zehnmal so viele Menschen teilnahmen wie bei den Auftaktaktionen im November.
Trotz großen Gegenwinds und vieler interner Diskussionen schafft es die Friedensbewegung, Einfluss auf die Debatten in der Gesellschaft und in den Parlamenten zu nehmen. Die Friedensbewegung sollte sich dabei auf das konzentrieren, was sie eint: Erstens die Verurteilung Russlands wegen dieses Angriffskrieges, zumindest seine klare Benennung als Aggressor.
Zweitens die Forderung nach sofortigen Friedensverhandlungen und einem Waffenstillstand mit entsprechenden Initiativen der Bundesregierung und anderer, um Leben zu retten. Denn Hunderttausende sind schon in diesem Krieg gestorben. Es dürfen ihm nicht weitere Abertausende zum Opfer fallen! Zudem erhöht sich laut Jürgen Habermas mit jedem Tag ohne Verhandlungen die Gefahr eines Kapitulationsfriedens der Ukraine, oder – um diesen abzuwenden – einer noch stärkeren, direkten Kriegsbeteiligung der Nato. Es ist zu befürchten, dass diese sich zu einem dritten Weltkrieg ausweiten könnte, der wahrscheinlich ein atomarer wäre.
Die dritte Kernforderung der Friedensbewegung lautet, dass Deutschland nicht den weltweit drittgrößten Rüstungsetat erhalten darf. Auf einen solchen Rüstungshaushalt läuft das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung hinaus. Diese Mittel sollten stattdessen für andere wichtige Aufgaben eingesetzt werden, etwa für Klimaschutz.
Die Menschen, die sich an den Ostermärschen beteiligen, erheben weitere Forderungen: humanitäre Visa und Asyl für alle Kriegsdienstverweigerer:innen, Militärdienstentzieher:innen und Deserteur:innen aus den beteiligten Ländern; den Beitritt der Bundesregierung zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag; und ein Rüstungsexportkontrollgesetz, das diesen Namen verdient, inklusive Verbandsklagerecht.
Zu den – in der Gesellschaft, auch in der Friedensbewegung kontrovers diskutierten – Waffenlieferungen an die Ukraine besteht der Konsens, dass deren immer weitere Eskalation, nun mit Kampfjets, brandgefährlich ist.
Umstritten in der Friedensbewegung, gerade unter Jüngeren, sind die beiden Initiatorinnen des „Manifests für den Frieden“. Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht hätten zudem besser nicht in ihrem „Spiegel“-Interview gesagt, auf ihrer Kundgebung am 25. Februar sei „jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden und Verhandlungen demonstrieren möchte“. Denn damit haben sie rechte Kräfte geradezu zur Teilnahme eingeladen. Immerhin haben sie im Interview angekündigt, rechtsextreme Flaggen oder Symbole nicht zu dulden.
Was den Weg zu Friedensverhandlungen anbetrifft, ist es leichtfertig, wie Chinas mögliche Rolle abgetan wird. Neben Indien, Indonesien und Brasilien könnte es auf Russland einwirken und später Polizist:innen oder Blauhelmsoldat:innen stellen zur Absicherung eines Friedensplans einschließlich Referenden unter UN-Aufsicht im Donbass und auf der Krim. Russische Soldaten würden nicht auf chinesische schießen.
Im Übrigen haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Supermächten USA und China stark verschlechtert, was die gefährlichste geopolitische Spannung weltweit erzeugt. Die Friedensbewegung sollte diesen Konflikt thematisieren, bei dem das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen ist und den sie deshalb beeinflussen könnte.
Deutschland und Europa dürfen sich nicht an einer Strategie der Eindämmung beteiligen, sondern müssen eine Strategie der Einbindung Chinas und des gegenseitigen Respekts befördern, was offene Kritik und Druck einschließt. Dazu gehört eine Vereinbarung über den Umgang mit den jeweiligen strategischen roten Linien. Demnach würde beispielsweise der Westen zurückkehren zur strikten Einhaltung der Ein-China-Politik und insbesondere auf provokante und unnötige hochrangige Besuche in Taiwan verzichten, mit dem Ziel, den strategischen Status quo über Taiwan zu bewahren, der seit 50 Jahren Bestand hat.
Das drohende Verbot des Einsatzes chinesischer Technologie von Huawei beim Ausbau des deutschen 5G-Netzes wäre hingegen ein weiterer Schritt der Konfrontationspolitik gegen China, nach dem Bann der USA gegen die Lieferung von Hochtechnologiechips an chinesische Firmen. Es gibt keine Belege für die Anschuldigung, Huawei würde der chinesischen Regierung Zugang zu Computersystemen verschaffen, um Daten abzusaugen oder Geheimcodes einzupflanzen für Cyberattacken. Das größere Sicherheitsrisiko für Deutschland ist die Blockbildung und Konfrontationspolitik gegen China.
Thomas Carl Schwoerer
ist Verleger, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, im Koordinierungskreis von „Sicherheit neu denken“ und im Bündnis „Stoppt das Töten in der Ukraine!“.
