Streitthema bei Demos: Wann darf ein Polizist im Einsatz fotografiert werden?

Wann ist ein Foto von der Polizei im Einsatz erlaubt? Damit befasste sich 2015 das Bundesverfassungsgericht - und fällte ein strittiges Urteil.
Göttingen - Bei einer Demonstration in Göttingen im Januar 2011 macht die Polizei Videoaufnahmen. Eine Frau filmt daraufhin die Polizeibeamten. Die Polizisten fragen den Begleiter der Frau nach seinem Personalausweis. Daraus ergeben sich zwei Fragen, mit denen sich in letzter Instanz sogar das Bundesverfassungsgericht beschäftigen musste. 1. Durfte die Frau die Polizisten filmen? 2. Durfte die Polizei den Begleiter daraufhin kontrollieren?
Wann ist ein Foto von der Polizei im Einsatz erlaubt?
Die Beantwortung der Fragen ist nicht ganz einfach. Denn die erste Gegenfrage, die Juristen stellen, lautet: Zu welchem Zweck sollten die Polizisten gefilmt werden? Wenn Aufnahmen dazu dienen sollen, sie im Internet zu veröffentlichen, dürfen Polizeibeamte intervenieren und sich auf das Kunsturhebergesetz berufen. Das Filmen und Fotografieren polizeilicher Einsätze ohne Veröffentlichungsabsicht ist grundsätzlich erlaubt, so lange dadurch der Einsatz nicht gefährdet wird. Die Einschränkung gibt der Polizei einen Handlungsspielraum, der im Einzelfall geprüft werden muss. Die Polizei geht ihrerseits in der heutigen Zeit häufig einfach davon aus, dass Aufnahmen, die mit dem Smartphone getätigt werden, fast zwangläufig irgendwo im Internet landen werden.
Wer jetzt glaubt, sich als Demonstrant selbst auch auf das Kunsturhebergesetz berufen zu können, wenn er von Polizisten gefilmt wird, der irrt. Eine „Waffengleichheit“ zwischen Teilnehmern einer Demonstration und der Polizei gebe es nicht, betonte das Bundesverfassungsgericht 2015 im Urteil zu dem Göttinger Fall und weiter: „Da die Polizei als staatliche Behörde eine ihr gesetzlich übertragene Aufgabe wahrnimmt, verfügt sie über spezifische Mittel und Befugnisse, die Privaten nicht zu Gebote stehen.“
Strittiges Urteil zur Frage, wann ein Foto von der Polizei im Einsatz erlaubt ist
Bei der zweiten der eingangs gestellten Fragen waren sich die Gerichte uneins. Das Verwaltungsgericht Hannover und das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen urteilten, der Begleiter durfte kontrolliert werden, das Bundesverfassungsgericht hingegen sagte letztinstanzlich, ganz so einfach sei es nicht: „Fertigen Versammlungsteilnehmer, die von der Polizei gefilmt oder videografiert werden, ihrerseits Ton- und Bildaufnahmen von den eingesetzten Beamten an, kann nicht ohne nähere Begründung von einem zu erwartenden Verstoß gegen Paragraf 33, Absatz 1 Kunsturhebergesetz und damit von einer konkreten Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut ausgegangen werden.“
Vielmehr müssten die Polizisten zunächst prüfen, für was die Aufnahmen gemacht wurden. Erfolge das Filmen nur zur Beweissicherung mit Blick auf etwaige Rechtsstreitigkeiten, seien Polizisten eben nicht zur Identitätsfeststellung berechtigt. Es liege dann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. (Az. 1 BvR 2501/13).
Foto von der Polizei im Einsatz: Kläger bekommt Recht
Der Kläger aus Göttingen bekam also letztinstanzlich Recht, es ist aber fraglich, ob jeder kontrollierte Demonstrationsteilnehmer einen so langen Atem hätte oder überhaupt klagen würde. Jenseits der Gerichte argumentieren die einen, Polizeibeamte seien kein Freiwild, das sich fotografieren lassen müsse.
Der FDP-Politiker Gerhart Baum hingegen zeigte sich Anfang des Jahres in einem Focus-Interview angesichts der zunehmenden Videoüberwachung im öffentlichen Raum überrascht: „Ich verstehe nicht, warum sich ausgerechnet Polizisten dagegen wehren, gefilmt zu werden.“
Unterdessen haben beim globalen Aktionstag der Fridays for Future Polizisten einen 15-Jährigen kontrolliert. Der Jugendliche fühlt sich jetzt massiv eingeschüchtert.*
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