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Wahlrechtsreform: Union sieht Attacke auf die Demokratie

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Von: Pitt von Bebenburg

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Bundestag
Im Bundestag sitzen derzeit 736 Abgeordnete. Damit ist er so groß wie nie zuvor. © Michael Kappeler/dpa

Die Ampel will den Bundestag verkleinern. CDU, CSU und Linke halten den Vorschlag für verfassungswidrig. Die Koalition will ihren Vorschlag noch in dieser Woche beschließen.

Berlin – Das geplante Bundestagswahlrecht verstößt nach Einschätzung der Oppositionsparteien CDU, CSU und Linke gegen das Grundgesetz. Sie behielten sich am Montag vor, dagegen vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Dagegen zeigte sich die AfD als einzige Oppositionspartei zufrieden mit den am Sonntagabend bekanntgewordenen Plänen der Ampel.

Bundestag soll schrumpfen

Die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP wollen ihren Gesetzentwurf am Dienstag in Berlin vorstellen. Wie es hieß, soll das Wahlgesetz noch in dieser Woche vom Bundestag beschlossen werden. Ziel der Ampelparteien ist es, die Zahl der Abgeordneten deutlich zu reduzieren. Ursprünglich hatten sie eine Verkleinerung von derzeit 736 auf 598 Abgeordnete angestrebt. Nun planen sie nur noch eine Verkleinerung auf 630 Mandate.

Wegfallen soll zudem die Grundmandatsregelung. Sie ermöglicht es regional starken Parteien, in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, aber mindestens drei Direktmandate erringen. Davon profitierte bei der Bundestagswahl 2021 die Linke, die als Fraktion in den Bundestag kam, obwohl sie bundesweit nur 4,9 Prozent der Stimmen erzielt hatte.

Linken-Chef Schirdewan: „Ausgerechnet die Demokratie leidet unter der Ampel“

Der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan sagte der Frankfurter Rundschau, das „auf einmal auf den Tisch gelegte“ Ende der Grundmandatsklausel ziele auf die regionale Verankerung der Parteien, die in einer Demokratie zentral sei. „Dass ausgerechnet die Demokratie unter der Ampel leidet, ist ein bedauerliches Zeichen dafür, dass diese Bundesregierung keine ,Fortschrittskoalition‘ ist, sondern ein Bündnis, das sich von Rechten, Konservativen und Liberalen treiben lässt“, urteilte Schirdewan. Das Vorgehen der Ampel sei „mehr als nur schlechter Stil – es ist ein Angriff auf eine jahrelange demokratische Praxis“. Die Ampel betreibe Demokratieabbau, „statt mehr Demokratie zu wagen und für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 und eine Ausweitung des Ausländerwahlrechts zu sorgen“.

Die Ko-Parteivorsitzende Janine Wissler erwartet eine Klage gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Linksfraktion habe die Pläne allerdings noch nicht beraten und folglich auch noch nicht über eine eigene Verfassungsklage entschieden.

Martin Schirdewan
Martin Schirdewan, Co-Bundesvorsitzender der Partei Die Linke. © Soeren Stache/dpa/Archivbild

Unions-Widerstand gegen Ampel-Pläne: „Bis zur letzten Sekunde“

Auch die Union stellte die Verfassungsmäßigkeit der Pläne infrage. Das Kappungsmodell, demzufolge nicht alle direkt gewählten Kandidatinnen und Kandidaten einen Platz im Bundestag sicher haben, sei „verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch problematisch“, kommentierte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei. „Wir bedauern es sehr, dass die Ampel keine Wahlrechtsreform im Konsens mit allen demokratischen Fraktionen des Bundestages zustande gebracht hat“, fügte er hinzu.

CSU-Chef Markus Söder kündigte erbitterten Widerstand gegen die Vorschläge der Ampel an. „Bis zur letzten Sekunde“ werde die CSU dagegen vorgehen, sagte er in München. Notfalls werde es eine Verfassungsbeschwerde geben. Die CSU sehe in dem Vorhaben „eine Attacke auf die Demokratie“. Söder richtete sich insbesondere gegen die Kappungsregelung. Nach den ersten Berechnungen der CSU könne dies etwa in München und Nürnberg dazu führen, dass Wahlkreissieger nicht in den Bundestag kommen.

CDU-Politiker Frei geht davon aus, dass es „insbesondere in hart umkämpften Wahlkreisen in den Städten und in vielen Regionen im Osten“ keine direkt gewählten Bundestagsabgeordneten mehr geben werde, wenn die Ampel ihren Vorschlag durchsetze.

„Wahlrechtsmodell auf Biegen und Brechen durchsetzen“

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, verteidigte die Pläne. Sie sagte, es sei „an der Zeit und lange überfällig, nach vielen Jahren der Auseinandersetzung endlich die Kraft zu finden, diese dringend nötige Reform an uns selbst vorzunehmen“. Haßelmann kündigte an, bis zur dritten Lesung im Bundestag „bei allen demokratischen Fraktionen um Zustimmung zu werben“.

Doch die Aussichten dafür stehen schlecht. Der Justiziar der CDU/CSU-Fraktion Ansgar Heveling, sagte: „Die jetzt von der Ampel vorgelegten Änderungen zu ihrem Kappungsmodell zeigen, dass es ihr nicht um einen partei- und fraktionsübergreifenden Kompromiss im Wahlrecht geht, sondern nur darum, ihr Wahlrechtsmodell auf Biegen und Brechen durchzusetzen.“ Er schlug vor, die Grundmandatsklausel nicht abzuschaffen, sondern zu verschärfen: Statt bisher drei Direktmandaten sollten deren fünf notwendig sein, um eine Fraktion im Bundestag stellen zu können.

Die AfD zeigte sich erfreut über die Pläne der Ampel, die „von uns abgekupfert“ seien. „Positiv hervorzuheben ist, dass Überhangs- und Ausgleichsmandate entfallen“, sagte ihr Abgeordneter Albrecht Glaser. „Genau so hatten wir es bereits vor drei Jahren vorgeschlagen.“ Auch mit der Streichung der Grundmandatsklausel greife die Koalition eine Idee der AfD auf. mit dpa/afp

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