Wahlkampf in den Niederlanden: Links was Neues und auch rechts

Die niederländischen Provinzen wählen ihre Regionalparlamente. Der ländliche Raum gilt als Hochburg der Christdemokraten. Die Partei Bauern Bürger Bewegung könnte jedoch die Karten neu mischen.
Die Warnung war eindringlich. „Wir dürfen in den Niederlanden nicht zurück ins Zeitalter von Joop den Uyl“, sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Und jeder wusste, was gemeint war. Den Uyl ist der legendäre Regierungschef des Landes aus den 70er-Jahren. Noch legendärer aber ist eine TV-Debatte, in der Ruttes liberaler Parteifreund Hans Wiegel damals vor laufender Kamera ausrief: „Den Nikolaus gibt’s. Und er sitzt da“. Im Klartext: Es ging um linke Sozialstaatspolitik und die liberale Kritik an den Wohlfahrts-Gaben.
Rutte wagte den Vergleich nicht ohne Grund. Am Mittwoch stehen Regionalwahlen an in den Niederlanden. Aus dem Ergebnis in den zwölf Provinzen setzt sich die Erste Kammer zusammen – eine Art niederländische Variante des Bundesrats. Wahlen zweiter Ordnung heißen solche nachrangigen Voten in der Sprache der Politikwissenschaft. Sprich: nicht so wichtig. Weshalb die Wählerschaft auch gerne mal fremdgeht mit dem Kreuzchen.
Rot-grüne Allianz
Gerade das aber macht die Abstimmung so spannend. Seit Wochen vergeht kaum ein Tag, an dem die sozialdemokratische Fraktionschefin Attje Kuiken und Grünen-Frontmann Jesse Klaver nicht gemeinsam vor die Fernsehkameras ziehen. Nach Jahren der Erfolglosigkeit gegen die liberale Übermacht von Ruttes rechtsliberaler Partei VVD treten Sozialdemokraten und Grüne erstmals mit einer Wahlallianz an. „Das bietet die Chance auf eine progressive Mehrheit“, sagt Felix Rottenberg.
Der 65-Jährige muss es wissen. Als Juso-Chef der Niederlande saß er noch gemeinsam mit Joop den Uyl (1919 bis 1989) in Parteirunden. Von 1992 bis 1997 war Rottenberg Co-Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA), später leitete er deren einflussreiche Wiardi Beckman Stiftung (WBS). „Ich bin nicht mehr aktiv“, sagt Publizist Rottenberg im Gespräch. Aber gerade das bietet die Chance zu einer kühlen Analyse der kniffligen niederländischen Verhältnisse.
„Es gibt eine enge Zusammenarbeit, aber es gibt allein in der Provinz Zeeland eine gemeinsame Liste. In anderen ist noch nicht einmal klar, ob es nach den Wahlen zur Bildung einer gemeinsamen Fraktion kommt“, sagt Rottenberg. Jenseits der telegenen Bilder von Klaver und Kuiken klemmt es an der Basis noch mit dem neuen Links-Bündnis. Nicht alle – vor allem bei den Sozialdemokraten – sind glücklich mit der neuen Allianz.
Jenseits der Abstimmung am Mittwoch geht es aber längst um mehr. „Der Blick geht in Richtung der kommenden Parlamentswahl – spätestens 2025“, sagt Rottenberg. Seit 2010 regiert Mark Rutte das Land. Weitgehend unangefochten. Auch wegen des zersplitterten Parteiensystems. Deshalb gilt es, versprengte Kräfte zu bündeln für die nächsten Sondierungen und Koalitionsgespräche. Von „progressiven Mehrheiten“ träumt Rottenberg und nennt Nachhaltigkeit und Wohnungspolitik als Kernagenda. Zumindest Letzteres klingt sehr nach Nikolaus und den Uyl.
Protest Tausender Bauern
Die Niederlande kennen starke Rechtskräfte, die mit dem Thema Migration versuchen zu punkten. Nun gibt es ein neues Phänomen: die Partei Bauern Bürger Bewegung. Parteichefin Caroline van der Plas, eine ehemalige Agrarjournalistin, hat nach den Protesten der Landwirte gegen die Klimapolitik den Ärger geschickt kanalisiert und eine Partei für den Gegensatz Stadt-Land formiert. Tausende Bauern demonstrierten am Wochenende in Den Haag. Zu Fuß. Die Traktoren waren untersagt worden.
Das flache Land macht mobil gegen die Region um Amsterdam. „Es geht aber um mehr als den Gegensatz zwischen Stadt und Land“, sagt Rottenberg und verweist auf van der Plas‘ Politikstil: Fehler eingestehen, einräumen etwas nicht zu wissen. Nicht nur Premier Rutte würde das nie einfallen.
Eine neues Links-Bündnis und Ärger auf dem flachen Land. Klingt nicht gut für Rutte. Das Ergebnis vom Mittwoch ist eine Momentaufnahme. Und sagt dennoch viel über die Zukunft des Premiers.
Den Uyl gewann übrigens 1977 die Wahl mit 33 Prozent. Dennoch musste er in die Opposition. Rutte sollte das eine Warnung sein.