Wahlen in Syrien: Kompromisslos gegen Kritiker

Der syrische Machthaber Baschar al-Assad agiert vor den anstehenden Parlamentswahlen noch autoritärer als sonst.
- Syrien: Machthaber Assad lässt über Parlament abstimmen
- Neues Parlament soll über Verfassung entscheiden
- Hoffnungen von UN-Sicherheitsrat gehen nicht auf
Syriens Wirtschaft droht der Zusammenbruch, Corona breitet sich aus, immer mehr Menschen hungern. Trotzdem zieht das Regime in Damaskus am Sonntag seine Parlamentswahlen durch, die dritten seit März 2011, als der Volksaufstand begann. Diesmal allerdings überlässt Diktator Baschar al-Assad überhaupt nichts mehr dem Zufall. Nur noch superloyale Getreue durften antreten. Sämtliche Bewerber wurden von der Staatssicherheit eingehend durchleuchtet, damit sich in der künftigen Volksvertretung nicht die leiseste Kritik regt.
Selbst Mitglieder der von Assad tolerierten und von Russland geförderten regimefreundlichen Opposition wurden ausgesiebt. Stattdessen kommen zwei Dutzend superreiche Regime-Günstlinge und frühere Milizenchefs zum Zuge, unter ihnen der dubiose Kriegsfürst und Geschäftsmann Baraa Qaterji aus Aleppo, der auf den Sanktionslisten der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten steht. Er organisierte für das Regime jahrelang den Schmuggel von Waffen und Öl mit dem „Islamischen Staat“.
Wahlen in Syrien: Parlament entscheidet über neue Verfassung
Denn für die politische Zukunft des Regimes spielt das kommende Parlament wahrscheinlich eine Schlüsselrolle. Zum einen entscheiden die Abgeordneten über die neue Verfassung, die 2021 in Genf unter der Regie der Vereinten Nationen zwischen Regime und Opposition erarbeitet werden soll. Mit der neuen, absolut linientreuen Volkskammer will Assad sicherstellen, dass alle Artikel niedergestimmt werden, die seine Stellung schmälern könnten. Zum anderen nominieren die Abgeordneten die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Mai 2021, zu der der Diktator nach 21 Machtjahren erneut antreten will.
Name: | Syrien |
Hauptstadt: | Damaskus |
Bevölkerung: | 16,91 Millionen (2018) |
Präsident: | Baschar al-Assad |
Amtssprache: | Arabisch |
Mehr als die Hälfte der 250 Parlamentssitze sind für die Baath-Partei und ihre Satelliten reserviert, die als Nationale Progressive Front (NPF) antreten. 65 Sitze gehen an parteilose Bewerber – regimeergebene Geschäftsleute, Stammesführer, Künstler und Kleriker.
Wahlen in Syrien: UN fordert Stimmrecht für Flüchtlinge
Die Resolution 2254 des UN-Weltsicherheitsrates von 2015 dagegen hat ganz anderes im Sinn. Sie fordert Parlaments- und Präsidentschaftswahlen unter internationaler Aufsicht sowie das volle Stimmrecht für die fünf Millionen geflüchteten Syrer, was Damaskus strikt ablehnt. Die Verfassungsgrundlage für diese politische Öffnung soll unter der Regie der Vereinten Nationen ein Komitee schaffen, was aus jeweils 50 Vertretern des Regimes, der Opposition und der Zivilgesellschaft besteht. Die beiden ersten Genfer Treffen im Oktober und November 2019 torpedierte Damaskus, um mit den Parlamentswahlen am 19. Juli zunächst einmal Fakten im eigenen Sinne zu schaffen. Vier Wochen nach dem Urnengang, am 24. August, wollen die Kontrahenten nun erneut zusammenkommen.
Ein ähnlich kompromissloses Vorgehen wie bei den Parlamentswahlen herrscht auch bei den internationalen Hilfslieferungen, die das Regime systematisch als Druckmittel gegen die eigene Bevölkerung nutzt. Die Entscheidung, wo internationaler Beistand durch wen erfolge und wer davon profitiere, verbleibe bei Damaskus, heißt es in einer Studie der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ zum Wiederaufbau in Syrien. Humanitäre Hilfe werde eingesetzt, um als regimetreu wahrgenommene Bevölkerungsgruppen an sich zu binden und andere zu bestrafen – darunter vor allem die Bewohner ehemaliger Rebellenenklaven.