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Oppositionskandidat über Wahl in Ungarn: „Sehr schmutziger Wahlkampf“ von Orbán

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Von: Thomas Roser

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Oppositionskandidat Peter Marki-Zay über den schmutzigen Wahlkampf der Konkurrenz in Ungarn und die gelenkte Berichterstattung darüber.

Als Spitzenkandidat von Ungarns Opposition zieht Peter Marki-Zay am kommenden Sonntag (03.04.2022) in die Parlamentswahl. Das Interview mit ihm wurde vor Beginn des Krieges in der Ukraine geführt.

Herr Marki-Zay, die Opposition scheint gegen die übermächtige Regierungspartei Fidesz in einer schwierigen Ausgangslage. Worauf fußt Ihre Hoffnung auf einen Erfolg?

Ich bin erst seit vier Jahren in der Politik aktiv und erst bei drei Wahlen angetreten. Ich war immer der Underdog in diesen Wahlkämpfen, meine Chancen lagen stets bei null Prozent (lacht). Und dennoch habe ich immer gewonnen. Ich hoffe, dass sich erneut ein Mirakel ereignet – und wir siegen werden.

Wie ist der Wahlkampf gelaufen?

Es ist ein sehr schmutziger Wahlkampf, den Fidesz führt. Interessant ist, dass Fidesz nicht auf die bisher üblichen Vorwürfe zurückgreift, dass ich Migranten ins Land bringe, von Soros finanziert werde oder Homosexualität propagiere. Anscheinend hatte das nicht gewirkt. Stattdessen attackieren sie nun mich verstärkt persönlich.

Ungarn: Wie der schmutzige Wahlkampf von Orbán funktioniert

Wie funktioniert das?

Sie nutzen wenige, aus dem Zusammenhang gerissene Sekunden meiner Reden für falsche Vorwürfe, beispielsweise dass ich auf die Menschen herabschaue, die Landbewohner hasse, die Älteren hasse und die Frauen hasse – eigentlich alle hasse. Fidesz macht das sehr raffiniert. Ich hatte beispielsweise an einem Wahlstand einen Disput mit betrunkenen Leuten. Nun wird das so dargestellt, dass ich behaupten würde, dass auf dem Land alle Alkoholiker seien. Ich bin überrascht, dass diese Masche zieht.

Peter Marki-Zay
Peter Marki-Zay © AFP

Wie ist ihr Zugang zu den Medien?

Schon die Vorwahlen der Opposition, bei denen 1,3 Millionen Stimmen abgegeben wurden, ignorierten die Staatsmedien im letzten Jahr vollkommen. So gut wie alle UKW-Radio-Sender sind unter Kontrolle von Fidesz. Alle Regionalzeitungen sind Fidesz-Zeitungen: Sie erhalten zentrale Anweisungen, was sie zu berichten haben– und verbreiten Tag für Tag dieselben Schlagzeilen – und Lügen.

Aber warum sind so wenig Wahlplakate der Opposition zu sehen?

Die Billboard-Reklame und Plakate von Fidesz sind überall. Wir hätten auch gerne mehr Werbefläche gemietet. Aber die Werbe-Agenturen verweigern Aufträge von uns, weil sie von Fidesz eingeschüchtert und bedroht werden.

„Hasskampagnen“ von Orbán-Partei in Ungarn

Wie versuchen Sie, die Medienblockade zu durchbrechen?

Wir setzen auf eine sehr direkte und zielgerichtete Kommunikation mit dem Wähler, auch wenn wir deren Effizienz noch verbessern müssen. Wir nutzen natürlich die sozialen Medien. Aber Fidesz investiert auch dort ein Vielfaches an Mitteln, um Schmier- und Hasskampagnen gegen uns zu lancieren.

Zur Person

Peter Marki-Zay (49) tritt bei der Wahl in Ungarn als Spitzenkandidat für das Bündnis „Ungarn in Einheit“ an, zu dem sich die sechs wichtigsten Oppositionsparteien, darunter linke, grüne, liberale und rechte Formationen, zusammengeschlossen haben. Marki-Zay, von Beruf Marketing-Fachmann, ist als parteiloser Konservativer Bürgermeister von Hodmezövasarhely. In die Politik stieg er erst 2018 ein, zur Bürgermeisterwahl in der Kleinstadt, die er überraschend gewann.

Sie werden von einer sehr breiten Koalition unterstützt, die von den Sozialisten bis hin zu der rechtsnationalen Jobbik reicht. Wie funktioniert das?

Nach den Vorwahlen (der Opposition, Anm. d. Red.) hatten wir viele Probleme. Manche fühlten sich als Verlierer, andere als Gewinner. Es gab Rivalitäten und Reibereien. Doch es ist uns geglückt, die meisten Meinungsunterschiede beizulegen.

Wahl in Ungarn: Oppositioneller will Rechtsstaat „wiederherstellen“

In einer Normalsituation wären die Parteien Ihrer Koalition eher Konkurrentinnen als Partnerinnen. Glauben Sie, dass Ihr Bündnis in vier Jahren noch nötig sein wird?

Orbán hat das frühere Mehrparteiensystem zu Gunsten von Fidesz in ein faktisches Zweiparteiensystem geändert. Meine Hoffnung ist, dass wir in vier Jahren nicht nur die Pressefreiheit und den Rechtsstaat, sondern auch das frühere pluralistische Wahlsystem wiederherstellen können. Dann könnten die Parteien bei Wahlen erneut miteinander konkurrieren. Koalitionen würden sie natürlich auch bilden, aber erst nach und nicht vor den Wahlen. (Interview: Thomas Roser)

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