Motivationsprobleme im Ukraine-Krieg: Moskau und Kiew stehen vor ähnlichem Problem
Russland und die Ukraine verzeichnen im Krieg beide hohe Verluste. Die Suche nach neuen Soldaten entwickelt sich zum Kernproblem.
Moskau/Kiew – Die russische Invasion der Ukraine hat sich zum Abnutzungskrieg entwickelt. Über ein Jahr, nachdem Wladimir Putin den Befehl zum Einmarsch gegeben hat, sind die Verluste beider Kriegsparteien zahlreichen Berichten zufolge enorm hoch. Russland steckt in der Zwickmühle, was den Nachschub an Soldaten betrifft. Aber auch Kiew hat ein zunehmendes Mobilisierungsproblem.
Für Putin ist die Situation vertrackter. Im Zuge seiner „Militärischen Spezialoperation“ hat er im September 2022 nach langem Zögern angekündigt, 300.000 Wehrpflichtige in den Ukraine-Krieg einzuberufen. Die Folge waren die größten Proteste, die Russland seit langer Zeit gesehen hatte. Der Kremlchef steht nun also vor einer schwierigen Entscheidung, wie das britische Verteidigungsministerium bereits im Februar analysierte. Statt einer weiteren unliebsamen Mobilisierung bliebe nur, die Streitkräfte weiter aufzubrauchen oder die Kriegsziele weiter zurückzuschrauben.

Mobilisierung im Ukraine-Krieg: Hohe Verluste werden für Putin zum Problem
Angesichts der hohen Verluste Russlands insbesondere im langen Kampf um Bachmut spitzt sich dieses Problem nur zu. Zwar hat Putin dort vor allem die Wagner-Gruppe für sich kämpfen lassen. Auch dort dürfte die Vielzahl an toten und verletzten Kämpfern aber eine Herausforderung darstellen, seit der Chef der Söldnertruppe, Jewgeni Prigoschin, nicht mehr in den russischen Gefängnissen rekrutiert. Die Rekruten, die nun einen Großteil der Kampfkraft unter Putin ausmachen, sind Berichten zufolge unvorbereitet und schlecht ausgebildet.
Eigentlich sollte Kiew somit klar im Vorteil sein. Insbesondere zu Beginn des Ukraine-Kriegs haben sich viele Einheimische freiwillig für den Kampf gemeldet. Auch aus dem Ausland erhielt die Ukraine Unterstützung von tausenden Volontären. Das Kriegsrecht, das bereits am Tag der Invasion ausgerufen wurde, und unter anderem Männern im wehrfähigen Alter verbot, das Land zu verlassen, musste kaum angewandt werden. Nun sieht die Situation aber offenbar anders aus.
So bestätigte der oberste Militärkommissar der Ukraine, Jurij Maksymow, dass Bedarf an zusätzlichem Personal besteht. Eine weitere Mobilisierung sei deshalb notwendig, sagte er im Oktober in einem Interview mit dem ukrainischen Fernsehsender tsn. Alle Wehrpflichtigen unter 60 müssten laut Maksymow bald mit einer Vorladung rechnen. Verweigerern droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.
Ukraine-Krieg: Mobilisierung wird auch für Kiew zum Problem
Diese Vorgehensweise sorgt bei vielen Ukrainern für Unsicherheit. So gibt es mittlerweile Telegram-Kanäle, die dazu dienen, wehrpflichtigen Männern Tipps zu geben, um sich der Rekrutierung zu entziehen. Wie Welt berichtet, hat der ukrainische Geheimdienst Anfang März 26 solcher Kanäle bei einer Razzia geschlossen, und die Betreiber festgenommen.
Dieses harte Vorgehen der Ukraine angesichts schwindender Bereitwilligkeit zum Kampf steht neben einer weiteren Strategie. Für die acht Angriffsbrigaden, die für die lang angekündigte Gegenoffensive der Ukraine geplant sind, setzt man weiterhin auf Freiwilligkeit. Allerdings müssen die Volontäre mit einer Reihe sozialer Vorteile angelockt werden, wie das ukrainische Nachrichtenportal Pravda schreibt.
Somit stehen Putin und Selenskyj letztendlich vor einem ähnlichen Problem. Welches Land die bessere Methode findet, seine Einwohner zum Kämpfen anzuregen, dürfte für den Ausgang des Krieges dabei entscheidend sein. Je länger dieser jedoch andauert, umso geringer wird auch die Motivation, sich daran zu beteiligen. (vbu mit dpa)