Wagner-Chef Prigoschin kämpft ums politische Überleben
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin lässt den Streit mit dem Kreml eskalieren. Der interne Kriegspfad könnte große Risiken bergen.
Bachmut/Moskau – Einst war er „Putins Koch“, nun ist er bekannt als „Putins Nestbeschmutzer“: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin und Kremlchef Wladimir Putin haben allem Anschein nach Streit. Prigoschins paramilitärische Söldner-Truppe konnte in der Vergangenheit immer wieder militärische Erfolge für Russland erzielen. Doch das scheint nicht mehr zu zählen, sein einstiger Kompagnon Putin legt ihm offenbar sogar zusätzliche Steine in den Weg.
Laut US-Experten soll Putin die Wagner-Soldaten zum Sterben nach Bachmut geschickt haben. Prigoschin, der sich seit Wochen über mangelnde Munition beklagt, verliert zugleich scheinbar seine wichtigen Verbindungen zum inneren Machtzirkel des Kreml: Putin gehe nicht mehr ans Telefon wenn er anruft, schimpfte der Wagner-Chef zuletzt.
Prigoschins Schimpftiraden scheinen Russlands Regierung, allen voran Verteidigungsminister Sergei Schoigu, zunehmend zu irritieren. Laut AP News hat das Ressort Wagners Klagen über Munitionsmangel zurückgewiesen. Und der Wagner-Chef verliert weitere Vertraute. So feuerte Schoigu seinen Stellvertreter Dmitri Bulgakow, der als wichtiger Unterstützer galt.
Wagner-Chef Prigoschin: Erfolg bei Bachmut bleibt aus - trotz großen Verlusten
Womöglich hat sich Prigoschin beim Einnahmeversuch in Bachmut grob verkalkuliert - die Erfolge der Wagner-Gruppe hielten sich zuletzt in Grenzen. Seit August 2022 kämpft Russland um die ukrainische Stadt und hat dabei hohe Verluste zu verzeichnen. Obwohl der Osten der Stadt eingenommen zu sein scheint, ist es noch nicht absehbar, wann Russland den Ort tatsächlich übernehmen wird. Trotz der fehlenden Erfolge verkündete Prigoschin vollmundig, dass er seine Wagner-Gruppe in eine „kompromisslose ideologische Elite-Parallel-Militärorganisation“ umwandeln wolle.
Ob es dazu kommen wird scheint allerdings offen. Wagner und Russland verfolgen in Bachmut eine Strategie, die auf Experten-Kritik stößt. „Die russischen Truppen werden in einen Fleischwolf geschickt – ohne jede Rücksicht. Dieses Vorgehen ist aus militärischer Sicht außerordentlich dumm. Aber es geht im Kampf um Bachmut nicht in erster Linie um die Erreichung militärischer Ziele, sondern um einen Machtkampf in der russischen Führung“, sagte Militärexperte Marcus Keupp dem Nachrichtenportal t-online über den Verlauf des Ukraine-Krieges.

Prigoschin könnte selbst im Kreml-Fleischwolf landen
Da militärische Erfolge fehlen, könnte Prigoschins Konfrontationskurs große Risiken bergen. Erzfeind Schoigu hat Kontakt mit Russlands Präsidenten, er ist nicht von der Kommunikation abgeschnitten. Der Wagner-Chef muss daher laut Spectator Australia um sein politisches, wenn nicht sogar um sein tatsächliches Überleben kämpfen - Prigoschin habe Schoigu offenbar unterschätzt, urteilte das Portal.
Menschenmaterial sei angesichts von Rekrutierungsproblemen nicht mehr der große Trumpf Wagners, urteilte der Spectator zugleich. Das Verdikt aus Australien: „Prigoschin dürfte einen neuen Weg finden müssen, dem Kreml nützlich zu sein - und zwar schnell.“ Es könnte also eine Frage der Zeit sein, bis Wladimir Putin genug gesehen und gehört hat. Bis Russlands Präsident die Reißleine zieht, Prigoschin fallen lässt und ihn selbst in den Kreml-Fleischwolf wirft. (mse)