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Wiederaufbau nach Erdbeben in der Türkei und Syrien: Fachleute mahnen Geberländer zur Vorsicht

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Von: Erkan Pehlivan

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Mit 7 Mrd. Euro will sich in die internationale Gemeinschaft nach dem Erdbeben am Wiederaufbau in der Türkei und Syrien beteiligen.
Viele Häuser wurden während des Erdbeben in Hatay zerstört. © Diego Cupolo/IMAGO

Mit sieben Milliarden Euro will sich die internationale Gemeinschaft am Wiederaufbau nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien beteiligen.

Brüssel - Sechs Wochen nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien sind bei einer internationalen Geberkonferenz in Brüssel mehr als sieben Milliarden Euro an Hilfen zusammengekommen. Die EU-Kommission sagte der Türkei rund eine Milliarde Euro für den Wiederaufbau zu. Für die humanitäre Hilfe in Syrien stellt die EU 108 Millionen Euro bereit. Die Hilfszusagen vermittelten vor allem eine Botschaft: „Die betroffenen Menschen sind nicht allein“, sagte der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson. Schweden hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne.

Humanitäre Hilfe in Syrien und der Türkei wird politisch instrumentalisiert

Die syrische Selbstverwaltung in Nordostsyrien gehört nicht zu den Empfängern und fürchtet, dass das Geld in den Taschen der syrischen Zentralregierung versickern könnte. „Mit den Geldern sollten vor allem lokale Organisationen und Strukturen unterstützt werden“, sagt Khaled Davrisch, Vertreter der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien in Berlin im Gespräch mit FR.de von IPPEN.MEDIA. Den Menschen in der Region gehe es momentan sehr schlecht. „Strömender Regen und Überschwemmungen haben den Menschen in den vergangenen Tagen zugesetzt. Es fehlt praktisch an allem“, so Davrish. Die Menschen in der Katastrophenregion brauchten sofort Hilfe.

Ähnlich sieht es auch Anita Starosta, Referentin für Syrien, Türkei und Irak bei der Hilfsorganisation medico. „Sowohl in der Türkei als auch in Syrien wird humanitäre Hilfe politisch instrumentalisiert. Die Regime in Ankara und Damaskus versuchen zu lenken, wo welche Hilfe ankommt und wer sie leistet“, kritisiert Starosta im Gespräch mit der FR. Das Assad-Regime habe etwa Hilfslieferungen des Kurdischen Roten Halbmondes nach Aleppo tagelang verhindert. Daher sollten sich die Geldgeber in beiden Ländern vor allem an die lokalen Kräfte wenden, damit die Hilfe tatsächlich bei den Menschen ankomme.

Hilfsgelder dürfen nicht Erdogan und Assad in die Hände fallen

Auch Kamal Sido, Nahost-Referent bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), mahnt die Geldgeber zu Vorsicht. „Die Erdbebenhilfe muss tatsächlich dem Wiederaufbau der betroffenen Gebiete dienen. Deshalb muss die Hilfe streng kontrolliert und an konkrete Wiederaufbauprojekte gebunden werden. Es muss auch Kontrollmechanismen geben, die sicherstellen, dass die Hilfe nicht für die politischen Ziele Erdogans und des türkischen Staates in den kurdischen oder alevitischen Gebieten missbraucht wird“, sagt Sido im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Auch in Syiren dürften die Hilfsgelder nicht dem Assad-Regime zugutekommen. „Die syrische Zivilgesellschaft und die autonome Selbstverwaltung in Nordsyrien müssen einbezogen werden. In der kurdischen Region Afrin etwa darf die Türkei die Hilfsgelder nicht für ethnische Säuberungen ausgeben“, fordert der Menschenrechtsexperte.

Auch die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte IGFM fordert Vorsicht. „Zuwendungen ausschließlich an staatliche Stellen müssen kritisch bewertet werden. Vielmehr sollten auch lokale Strukturen sowie internationale Organisationen, wie NGOs, für die Mittelvergabe stärker berücksichtigt werden“, so die IGFM auf Anfrage. Auch kritisiert der Menschenrechtsverein, dass Syrien im Zusammenhang mit dem Erdbeben im Vergleich zur Türkei weitgehend vernachlässigt wurde.

AFAD und Türkischer Roter Halbmond in der Kritik

Nach dem verheerenden Erdbeben in beiden Ländern hatte etwa der Türkische Rote Halbmond Zelte und Lebensmittelkonserven an Bedürftige verkauft und damit eine Welle der Empörung ausgelöst. Zudem verdienen Dutzende Direktoren bei der Organisationen über 300.000 Türkische Lira (TL) - das ist das 35-Fache des Mindestlohns von 8.500 TL. Auch die staatliche Katastrophenschutzbehörde AFAD war nach dem Erdbeben durch Missmanagement aufgefallen. In vielen Orten hatten die Menschen auch Wochen nach dem Erdbeben keine Zelte bekommen. (ep mit afp)

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