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Friedensgutachten mahnt: Vorsicht bei Waffenlieferungen und kein atomarer Ersteinsatz der Nato

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Von: Pitt von Bebenburg

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Die führenden Institute für Friedensforschung in Deutschland mahnen in ihrem Gutachten zu restriktivem Export von Waffen. Die Nato soll einen Verzicht auf den atomaren Ersteinsatz erklären.

Duisburg – Die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute haben sich dafür ausgesprochen, dass Deutschland eine „restriktive Rüstungsexportpolitik“ betreiben solle. Zwar halten die Forscherinnen und Forscher Waffenlieferungen an die Ukraine für gut begründet, da sich das Land gegen den russischen Angriff verteidige. Es dürfe aber keine deutschen Waffen für Staaten geben, die massiv gegen Menschenrechte verstießen oder ihre Nachbarn aggressiv bedrohten, sagte der Duisburger Friedensforscher Tobias Debiel am Dienstag in Berlin.

Dort stellte der Professor gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus Frankfurt, Hamburg und Bonn das Jahresgutachten der vier Friedensforschungsinstitute vor. „Der Ukraine-Krieg überschattet viele andere Gewaltkonflikte in der Welt, die ebenfalls dringend friedenspolitischen Engagements bedürfen“, heißt es in dem 150 Seiten starken Friedensgutachten und weiter: „Um diese Konflikte nicht weiter zu eskalieren, sollte die Bundesregierung auf eine restriktive Rüstungsexportpolitik achten.“ Ein wichtiger Schritt in diese Richtung könne das geplante Rüstungsexportkontrollgesetz sein.

In der Ukraine-Politik stellten sich die Institute hinter den Kurs der Ampel-Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Wir sehen die Bundesregierung auf einem relativ guten Weg“, urteilte Christopher Daase, Ko-Direktor der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) in Frankfurt. Der Weg von Scholz (SPD) – „das, was oft als Zögern beschrieben wird“ – sei richtig. Neben Druck auf Russland durch Sanktionen und Waffenlieferungen gehöre dazu, „gleichzeitig Gesprächsbereitschaft zu signalisieren“, betonte Daase. Nicht zuletzt sei es „im Zeichen der atomaren Bedrohung essenziell, die Gefahren einer weiteren Eskalation bei allen Entscheidungen im Auge zu behalten“.

Waffenlieferungen an die Ukraine sind laut dem Friedensgutachten gut begründet.
Waffenlieferungen an die Ukraine sind laut dem Friedensgutachten gut begründet. Foto: Anatolii STEPANOV / AFP. © Anatolii STEPANOV/AFP

Friredensgutachten: Atom-Verzicht für Nato vorgeschlagen

Die Forscherinnen und Forscher schlugen deshalb vor, dass die Nato ihren Verzicht auf einen atomaren Ersteinsatz erklären solle. Die deutsche Regierung solle dies in der Nato vorantreiben. „Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf nie geführt werden“, erklärten die Friedens- und Konfliktforscher:innen. Deutschland solle sich deshalb dafür einsetzen, die Verbreitung und den Ausbau der nuklearen Arsenale zu verhindern.

Mit Wohlwollen beobachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den gemeinsamen Besuch von Olaf Scholz mit den Staatenlenkern aus Frankreich, Italien und Rumänien in Kiew vor wenigen Tagen. Debiel bewertete ihn als „ermutigendes Zeichen“ für die innereuropäische Zusammenarbeit. „Die Ukraine braucht eine klare Beitrittsperspektive“, fügte er hinzu. Dabei dürften die Balkan-Staaten, die schon länger ihre Aufnahme in die Europäische Union (EU) betrieben, nicht zurückgesetzt werden. Hier beobachten die Friedensinstitute „Verzögerungen“. Ihre Forderungen: Die Beitrittsregeln müssten reformiert und generell Entscheidungen in der Außen- und Verteidigungspolitik jenseits der Einstimmigkeit ermöglicht werden.

Lob für feministische Perspektive auf Außenpolitik

Auch für das Bekenntnis der Ampel-Regierung zur feministischen Außenpolitik finden die Institute lobende Worte. Feministische Außenpolitik weise „nicht zuletzt in Zeiten des Krieges Wege auf, Konfliktdynamiken besser zu verstehen und Gegenstrategien zu entwickeln“, heißt es im Gutachten. „So kann sie etwa im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine imperiale Ansprüche entschlüsseln, die auch aus einem gefährlichen Verständnis von Männlichkeit resultieren.“

www.friedensgutachten.de/2022/ausgabe

Jenseits des Ukraine-Krieges beobachten die Wissenschaftler:innen eine Zunahme gewaltsamer Konflikte, die Mehrzahl davon auf dem afrikanischen Kontinent. Das sei auf das Erstarken dschihadistischer Gruppen zurückzuführen, mit denen oft keine Verhandlungslösungen zu finden seien. „Doch sollte der Verhandlungsweg mit jenen versucht werden, die sich vom transnationalen Dschihadismus und der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung distanziert haben“, heißt es in dem Gutachten. (Pitt von Bebenburg)

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