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Von wegen gemäßigt

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Von: Hanning Voigts

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Als man sich noch im rechten Aufwärtswind wähnte: Spitzen der Hessen-AfD verfolgen Bundestags- und Landeswahl 2013. Rolf Oeser
Als man sich noch im rechten Aufwärtswind wähnte: Spitzen der Hessen-AfD verfolgen Bundestags- und Landeswahl 2013. Rolf Oeser © Rolf Oeser

Die AfD in Hessen macht gerne auf bürgerlich. Doch immer wieder gibt es Skandale wegen rassistischer Äußerungen oder Verbindungen in die rechtsextreme Szene.

Robert Lambrou hat den Bogen raus. Wann immer die hessische AfD, deren Vorsitzender, Fraktionschef und Gesicht er ist, in einen Skandal wegen rassistischer Äußerungen oder Verbindungen in die rechtsextreme Szene verwickelt ist, ist der 55-Jährige zur Stelle. Dann betont Lambrou so routiniert wie höflich, dass die hessische AfD eine bürgerlich-konservative Kraft sei, in der Rassismus keinen Platz habe. Gelegentlich betont Lambrou dann auch, dass er früher mal in der SPD gewesen sei.

So ähnlich äußern sich Lambrou und die übrigen Mitglieder der AfD-Fraktion, seit die rechtspopulistische bis rechtsextreme Partei vor fünf Jahren in den hessischen Landtag einzog. „Seriöse Sachpolitik“ wolle man machen, behaupteten sie, bürgerliche Opposition sein. Zwischen der Hessen-AfD und dem rechtsradikalen Parteifreund Björn Höcke aus Thüringen lägen Welten. Genau 378 692 Hessinnen und Hessen gaben der AfD im Oktober 2018 ihre Stimme, das reichte für 13,1 Prozent der Stimmen und 19 Parlamentsmandate.

Hessen: In der AfD-Fraktion gab es von Anfang an internen Streit

Dass die politische Realität auch in der hessischen AfD anders aussieht, zeigte sich schon, als die Fraktion sich 2019 konstituierte. Sofort gab es Streit, weil Spitzenkandidat Rainer Rahn weder Fraktionschef noch parlamentarischer Geschäftsführer wurde. Es habe Unzufriedenheit mit Rahns „Performance“ im Wahlkampf gegeben, war zu hören. Die über die AfD-Liste gewählte Alexandra Walter geriet mit rechtsextremen Facebook-Postings in die Schlagzeilen und wurde gar nicht erst in die Fraktion aufgenommen.

Skandale um rechtsextreme Äußerungen und Kontakte begleiten die AfD-Fraktion im hessischen Landtag seitdem kontinuierlich. Bei der Aufklärung zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke stellte sich heraus, dass sein Mörder, der Neonazi Stephan Ernst, im Wahlkampf 2018 in Kassel für die AfD Plakate gehängt hatte. Vor der Kommunalwahl 2021 kam heraus, dass bekannte Rechtsextreme auf AfD-Wahllisten standen, unter ihnen ein Ex-„Republikaner“ sowie Christian Wenzel, ein langjähriger Kader aus der militanten nordhessischen Naziszene. Im Landtag sorgte die AfD für Aufruhr, weil sie es bei jedem Thema schaffte, gegen die „verfehlte Migrationspolitik“ zu wettern. Und der AfD-Abgeordnete Dimitri Schulz fiel als Mitbegründer der „Juden in der AfD“ auf, obwohl er nach fester Überzeugung der jüdischen Gemeinschaft in Hessen gar kein Jude ist.

Hessen: Kaum verhohlene antisemitische Hetze im Plenarsaal

Und dann gab es auch in der Hessen-AfD Radikalisierungstendenzen. Andreas Lichert, gut vernetzt in der „Identitären Bewegung“ und mit dem neurechten „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda, war 2019 das rechtsradikale Enfant terrible der Hessen-AfD im Landtag. Hier und da wurde gemutmaßt, auch Höckes völkischer „Flügel“ müsse eben vertreten sein. Aber Ende 2021 wurde Lichert zum Co-Landessprecher gewählt, er ist seitdem gleichberechtigt mit dem sich gemäßigt gebenden Lambrou.

Lichert sorgte im Mai vergangenen Jahres für einen der größeren AfD-Eklats der letzten Zeit. Bei einer Debatte zur Energiewende behauptete der 47-Jährige, beim „sogenannten Klimaschutz“ gehe es in Wahrheit um die Profitinteressen einer „internationalen Hochfinanz“. Eine nur wenig chiffrierte antisemitische Aussage, die in der Folge unter anderem von Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) klar als solche benannt wurde. Robert Lambrou zeterte, man wolle seiner Fraktion den Mund verbieten.

Hessen: Die AfD verliert immer mehr Abgeordnete

Zuletzt ist die hessische AfD-Fraktion vor allem mit Zerfallserscheinungen aufgefallen. Nachdem Rolf Kahnt bereits 2021 aus der Fraktion ausgeschlossen worden war, reichte es Ende vergangenen Jahres Walter Wissenbach und Rainer Rahn. Rahn teilte mit, die Arbeit in der Fraktion sei von Inkompetenz sowie „Lügen, Intrigen und antidemokratischem Geist“ geprägt. Wissenbach erklärte, die AfD sei zur „Versorgungsanstalt“ für Menschen ohne Jobperspektive verkommen.

Vor kurzem ging dann auch noch die Abgeordnete Claudia Papst-Dippel. Die Sympathisant:innen der AfD und ihrer verbleibenden 14 Landtagsabgeordneten scheint das alles wenig zu beeindrucken: In den Umfragen lag sie in Hessen zuletzt bei zwölf Prozent. (Hanning Voigts)

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