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Vier Feindbilder in einem Satz

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Von: Steven Geyer

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Verwirrende Parolen sind ein Markenzeichen der Querfrontler.
Verwirrende Parolen sind ein Markenzeichen der Querfrontler. © imago/IPON

Demokratiefeinde, Islamophobe, Putinfreunde, Linksnationale und Rechtsextreme bauen sich eine neue Heimat. Die sogenannte „Querfront“ vereint politische Hetzer - und Fakten mit Verschwörungsideen.

Man muss dieser Tage nicht lange nach ihnen suchen. Im Internet, genauer den „sozialen Netzen“ gibt es nicht nur fremdenfeindliche Pöbeleien hier und die Verteufelung westlicher Russland-Feinde dort. Es gibt auch Sätze wie diesen: „Die USA scheinen unter Mithilfe der Merkel-EU ganz bewusst Flüchtlinge für Europa zu produzieren!“ Der Satz vereint vier Feindbilder, die man völlig verschiedenen Milieus zugeschrieben hätte. Nun aber kommt er, in vielen Varianten, mal von Pegida-Fans, mal von Sympathisanten der Linkspartei. Mal wird auf Artikel verwiesen, mal werden seriöse Quellen verlinkt.

Echte Informationen – kaum jemand bestreitet die Mitschuld der US-Irak-Politik an der Geburt der Terrormiliz „Islamischen Staat“ – werden dabei vermischt mit Vorurteilen und Falschmeldungen, die im linken Spektrum ebenso Interessenten finden wie im rechten. So entstehen gemeinsame politische Forderungen, für die bereits Tausende demonstrierten: als sogenannte „Querfront“ von Rechts und Links.

So beschreibt es eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung, die nächste Woche veröffentlicht wird. Der Medienexperte Wolfgang Storz hat die Hintergründe und Verbindungen der führenden Akteure des Bündnisses „Querfront“ recherchiert, hat sie interviewt, ihre Newsletter, Magazine und Videos analysiert. Das Ergebnis der 50-seitigen Studie: Einer überschaubaren Zahl zentraler Akteure – von denen einige eine linke, andere eine rechte Vergangenheit haben – ist es gelungen, eine eigene, stabile Öffentlichkeit aufzubauen. Als Publizisten, Verleger und Aktivisten versorgen sie ihr Publikum mit Magazinen, professionellen Online-Videos und Büchern.

Insgesamt sei das Netzwerk „in der Lage, die für die Akteure bedeutsamen Entwicklungen aktuell mit professionell hergestellten crossmedialen Angeboten zu begleiten und so einem ständig wachsenden Publikum verlässlich eigene Deutungen dazu anzubieten“, heißt es. Ersten größeren Zulauf verzeichnete die Szene Anfang 2014, als viele unzufrieden mit der Berichterstattung über den Krim-Konflikt waren.

Als zentrale Köpfe des Netzwerks hat Storz nur eine Handvoll Leute ausgemacht: Am prominentesten dürfte der Ex-Moderator Ken Jebsen sein, der als Internet-Star, TV-Gast des deutschsprachigen Kreml-Senders „RT“, als Demo-Redner und durch sein Video-Portal „KenFM“ vor allem bei Jüngeren bekannt wurde. In der Online-Umfrage eines Fachmagazins kürten sie ihn unter Deutschlands zehn wichtigste Journalisten. Seine Gratis-Videos werden hunderttausendfach geklickt.

Jebsen schreibt auch für „Compact“, das Kreml-freundliche, anti-amerikanische und national gesinnte Monatsmagazin von Jürgen Elsässer. Der ehemalige Linke erreicht mit dem Heft bereits 30 000 Käufer.

Inhaltlich haben die Akteure gemeinsame Feindbilder als Ziele: Sie stellen sich gegen die USA und die EU, den Euro – und die Medien, die mit „denen da oben“ paktierten. Typisch ist eine pro-russische Haltung und der Vorwurf an westliche Eliten, „Kriegstreiber“ zu sein. „Das Netzwerk eint eine Haltung, die einen homogenen Nationalstaat und tradierte Lebensweisen wertschätzt und demokratisch-liberale Gesellschaftsentwürfe ablehnt“, so die Studie. „Bevorzugt wird das Gesellschaftsbild einer autoritären, nichtliberalen ,Volks-Demokratie‘, die von einer starken Führung und von Elementen direkter Demokratie geprägt ist.“

Die Szene ist abgeschottet von der gesamtgesellschaftlichen Weltsicht und wird auch von den klassischen Medien ausgegrenzt. Aber es gebe sowohl Anknüpfungspunkte in die Mitte der Gesellschaft, als auch an ein weit größeres Netzwerk, das von der Friedensbewegung bis zu AfD und Pegida reicht. Persönlich sind sie in Verbindung.

Ausnahme ist dabei der Kopp-Verlag, dessen Chef Jochen Kopp als Verleger von Esoterik und Ufologie begann – und es mit Euro-Kritik und Rechtspopulismus zum expandierenden mittelständischen Unternehmer brachte. Sein Autor Udo Ulfkotte verkaufte von seiner Schmähschrift „Gekaufte Journalisten“ schon 140 000 Exemplare – und landete so auf den Bestsellerlisten des Mainstreams.

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