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Viele Reservisten unter Verdächtigen in „Reichsbürger“-Ermittlungen

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Von: Pitt von Bebenburg

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In Karlsruhe wird eine Person aus der sogenannten „Reichsbürgerszene“ im Zuge einer Razzia gegen die Gruppe um Prinz Reuß festgenommen.
In Karlsruhe wird eine Person aus der sogenannten „Reichsbürgerszene“ im Zuge einer Razzia gegen die Gruppe um Prinz Reuß festgenommen. © Uli Deck/dpa

Unter den Beschuldigten im Fall der Gruppe um Prinz Reuß sind viele Bundeswehr-Reservisten, zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage einer Linken-Abgeordneten.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner sieht „ein Rechtsextremismusproblem“ in der Reserve der Bundeswehr und im Reservistenverband. „Die Vielzahl an Bezügen zu Rechtsterrorplanungen, wie der Gruppen ,Nordkreuz‘, ,Nordbund‘ und nun auch zur so genannten ,Patriotischen Union’, sind unhaltbar“, sagte Renner der Frankfurter Rundschau.

Hintergrund ihrer Äußerungen ist der Umstand, dass Reservist:innen der Bundeswehr im Verdacht stehen, an den terroristischen Umsturzplänen einer „Reichsbürger“-Gruppe um den Frankfurter Immobilienkaufmann Heinrich XIII. Prinz Reuß beteiligt gewesen zu sein. Zunächst hatte die Bundesregierung lediglich bestätigt, dass sich das Verfahren gegen „Beschuldigte mit unterschiedlich ausgeprägten Bezügen zur Bundeswehr, die zum Teil Jahrzehnte zurückliegen“, richte. Dies hatte den Eindruck erweckt, dass es sich möglicherweise überwiegend um ehemalige Grundwehrdienstleistende handeln könnte, deren Bundeswehrzeit lange her ist. Doch das trifft nur auf einen der Beschuldigten zu, wie nun klar wird.

Auf Nachfrage der Abgeordneten präzisierte die Bundesregierung ihre Angaben. Dabei zeigte sich, dass Reservisten (und möglicherweise Reservistinnen) das Gros der Beschuldigten mit Bundeswehr-Bezug bilden – also Personen, die für die Bundeswehr zur Verfügung stehen und auch eine militärische Ausbildung für ihre Tätigkeit in den Streitkräften erhalten haben.

Den Zahlen aus dem Bundesjustizministerium zufolge sind von den bisher 64 Beschuldigten in dem Verfahren allein 23 Reservist:innen. Hinzu kommen neben dem ehemaligen Grundwehrdienstleistenden noch ein aktiver Soldat, ein ehemaliger Berufssoldat sowie zwei ehemalige Soldaten auf Zeit; ob Frauen darunter sind, geht aus den Antworten nicht hervor.

Das Ministerium führte auch den Bundeswehr-Bezug von Zeuginnen und Zeugen in dem Verfahren auf, die ebenfalls zum Teil aus dem „Reichsbürger“-Milieu stammen. Unter ihnen befinden sich demnach neun Reservist:innen, zwei aktive Soldat:innen, von denen eine Person mittlerweile aus der Bundeswehr ausgeschieden ist, und zwei ehemalige Grundwehrdienstleistende.

„Es ist nicht erkennbar ist, ob es sich um Freizeitreservisten des Reservistenverbandes handelt oder um Reservisten der Bundeswehr, die möglicherweise auch zeitweise auf Reservistendienstposten Teil der Truppe sind und aktiv dienen“, stellte Renner fest. „Dass letztere über die Bundeswehr Zugang zu Übungen und Schießtrainings erhalten können, ist brandgefährlich und muss konsequent unterbunden werden.“

Der Verband der Reservisten der Bundeswehr wird nach eigenen Angaben mit jährlich 21 Millionen Euro staatlich unterstützt und hat mehr als 115 000 Mitglieder. Es gebe aber „keinen Automatismus bezüglich der Verbandsmitgliedschaft“, erläutert ein Verbandssprecher auf Anfrage. Wie viele von den Beschuldigten im „Reichsbürger“-Verfahren Mitglied sind, wisse man nicht. „Wir als Verein erhalten von den Ermittlungsbehörden keine exklusiven Informationen“, sagt der Sprecher. Voraussetzung für den Beitritt zu dem Verein sei allerdings „das klare Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung“.

In der Vergangenheit habe der Verband immer wieder deutlich gemacht, dass „Extremismus jeglicher Couleur, und insbesondere Rechtsextremismus“ keinen Platz in seinen Reihen hätten. „Gleichzeitig können wir als ziviler Verein aber keine Sicherheitsüberprüfung durchführen, wir sind hier auf die Sensibilität unserer Mitglieder und die Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden und letzten Endes auch Hinweise aus der Presse angewiesen.“

Der Reservistenverband kooperiere eng mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), dem für die Bundeswehr zuständigen Geheimdienst. „Gibt es Hinweise, dass Mitglieder Extremisten sind, dann erfolgt zunächst eine nach Maßgabe unseres Rechtssystems entsprechende Anhörung und bei nachgewiesenen extremistischen Bestrebungen der sofortige Ausschluss aus dem Verband“, versichert der Sprecher.

Mit Verwunderung stellt die Abgeordnete Renner fest, dass bisher nicht klar ist, in welchen Teilen der Bundeswehr die beschuldigten „Reichsbürger“ tätig waren. Auf eine entsprechende Frage antwortete die Bundesregierung: „Eine Zuordnung zu Truppengattungen ist im Verfahrenskomplex bislang nicht vorgenommen worden.“ Renner sagt: „Wenn Behörden angesichts rechter Netzwerke in der Bundeswehr nicht einmal in der Lage sind, von Terrorverdächtigen sechs Monate nach ihrer Festnahme deren aktuelle oder ehemalige Truppengattung und damit ihre Kontakte zu rekonstruieren, werden sie dem braunen Netzwerk nicht Herr werden können“, sagte sie.

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