Viele Ausländer - doch nur wenige Flüchtlinge

Rund 10,6 Millionen ausländische Staatsbürger leben in Deutschland. Nur wenige davon sind Flüchtlinge.
Deutschland ist ein Einwanderungsland, daran kann kein Zweifel bestehen. Noch nie haben so viele ausländische Staatsbürger in Deutschland gelebt wie im vergangenen Jahr, insgesamt waren es rund 10,6 Millionen Menschen. Die Zahlen stammen aus dem sogenannten Ausländerzentralregister, die das Statistische Bundesamt regelmäßig auswertet und veröffentlicht.
In diesem Register wird jeder erfasst, der ausschließlich eine ausländische Staatsbürgerschaft hat und sich länger als drei Monate im Land aufhält. Auffällig ist, dass damit zwar ein neuer Höchststand erreicht wurde, die Zahl der Ausländer gegenüber dem Jahr 2016 um 5,8 Prozent gestiegen ist. Allerdings ist der Zuwachs im Vergleich zu den Jahren zuvor deutlich geringer ausgefallen.
Zu erklären ist das damit, dass viel weniger Menschen aus sogenannten Drittstaaten außerhalb der EU nach Deutschland kommen, dazu gehören auch Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien, dem Irak oder Afghanistan. 2015 und 2016 waren etwa 1,2 Millionen Flüchtlinge und Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Seitdem aber die sogenannte Balkanroute praktisch abgeriegelt ist und die Europäische Union das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei geschlossen hat, sind die Zahlen stark gesunken, was auch erklärtes Ziel der deutschen Bundesregierung war.
Dieser Befund deckt sich auch mit den neuesten Zahlen über Asylbewerber, die das Bundesinnenministerium in Berlin am Donnerstag veröffentlicht hat. Demnach kamen in den ersten drei Monaten dieses Jahres 39.884 Asylsuchende neu nach Deutschland und damit 15,6 Prozent weniger als im ersten Quartal 2017. Hauptherkunftsland bleibt Syrien, auf Platz 2 liegt neuerdings Eritrea, es folgen der Irak, Nigeria, Afghanistan und der Iran.
Interessant ist, dass dagegen die Zuwanderung aus Staaten der Europäischen Union nach Deutschland auch im vergangenen Jahr stark zugenommen hat, ein Trend, der schon seit Jahren zu beobachten ist. Das gilt insbesondere für die neuen EU-Länder im Osten, die erst 2004 aufgenommen wurden und seit dem Jahr 2007 auch von der Personenfreizügigkeit profitieren. So kamen im vergangenen Jahr die meisten EU-Bürger aus Polen nach Deutschland, gefolgt von Rumänien und Bulgarien. Konkret heißt das, dass 2017 bereits 2,6 Millionen Osteuropäer in Deutschland lebten, die hier wiederum die neuen Bundesländer bevorzugen. Im Osten Deutschlands kommt jeder vierte Ausländer aus Osteuropa. Vor zehn Jahren waren es noch weniger als eine Million. Dass es so viele Osteuropäer nach Deutschland zieht, liegt vor allem am attraktiven deutschen Arbeitsmarkt. Auf dem Bau, im Gesundheitswesen, in Altenheimen und in der Gastronomie gibt es immer mehr Beschäftigte aus Osteuropa, viele arbeiten allerdings unterhalb ihrer Qualifikation und zu miserablen Bedingungen.
In der oft emotional und ideologisch aufgeladenen Diskussion um Zuwanderung und Asylpolitik in Deutschland spielen die Zuwanderer aus den Nachbarländern derzeit kaum eine Rolle. Migrationsexperten aus ganz Europa rieten in dieser Woche beim 7. Demografieforum der Diakonie in Berlin grundsätzlich zu mehr Gelassenheit beim Thema Migration. Sie empfahlen auch der deutschen Politik, mehr Klarheit in die Begrifflichkeit zu bringen und stärker zu differenzieren zwischen irregulärer und regulärer Migration. Aber auch andere europäische Länder forderten sie zu mehr Realismus auf.
„Migration hat es immer gegeben und wird es immer geben“, sagte die niederländische Migrationsexpertin Helga de Valk. „Das ist etwas, was sich nicht einfach verändern lässt.“ Sie empfahl vielmehr, sich darauf einzustellen und mehr zu tun, um sowohl Zuwanderer als auch Flüchtlinge so schnell wie möglich zu integrieren. „Das ist die größte Herausforderung, auch wenn man annehmen kann, dass einige wieder in ihre Heimatländer zurückkehren werden“, sagte auch Jasper Tjaden von der Internationalen Organisation für Migration der UN, die eng mit der deutschen Bundesregierung zusammenarbeitet. Deutschland tue bereits viel, lobte Tjaden, aber es brauche noch mehr Anstrengungen, um Migranten rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Wichtig sei es auch, dass die Regierungen in allen Ländern auf Zuwanderung vorbereitet seien, so Jakub Bijak von der Universität Southampton. „Migration ist nie vorhersehbar“, sagte er, aber es sei notwendig, proaktiv zu handeln. „Seid vorbereitet“, lautete seine Empfehlung an die Politik.