„So geht man nicht mit verdienten Soldaten um“: Forsches Auftreten von Pistorius verärgert Bundeswehr
Boris Pistorius (SPD) streicht Stellen bei der Bundeswehr, weitere sollen folgen. Unter den Offizieren herrscht jetzt Unruhe. Einigen ist der neue Minister zu forsch.
Berlin – Der Neue greift knallhart durch: In seiner kurzen Amtszeit hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bereits einige Ausrufezeichen gesetzt. Besonders seine Personalpolitik sorgte in der vergangenen Woche für Aufsehen. Denn der Minister stellte einige ranghohe Soldaten ins Abseits. In der Bevölkerung kommt das forsche Auftreten gut an – im eigenen Ministerium jedoch offenbar weniger.
Laut einem Bericht der Bild-Zeitung wird das Gemurre über Pistorius nämlich spürbar lauter. Besonders bitter stoße einigen Mitarbeitern auf, dass die Abberufungen vorab an Medien durchgestochen worden seien. „So geht man nicht mit verdienten Soldaten um“, zitierte das Blatt einen Insider.
Boris Pistorius (SPD): Verteidigungsminister verärgert mit Personalumbau die Bundeswehr
Hintergrund für den Ärger ist die jüngste Personalentscheidung von Verteidigungsminister Boris Pistorius. Der Neu-Minister hatte nämlich den jahrelangen Generalinspekteur Eberhard Zorn (63) und damit den ranghöchsten Soldaten gefeuert. Auch die Chefin des Beschaffungsamtes, Gabriele Korb (61), zuständig für alle Waffen- und Ausrüstungskäufe, musste ihren Posten in der vergangenen Woche überraschend räumen. Damit reagierte Pistorius auf die schleppenden Reformbemühungen innerhalb der Bundeswehr.
Reform der Bundeswehr: „Vorgang Traueranzeige“ war für Pistorius der Auslöser für Umstrukturierung
Den Entschluss dafür fasste der SPD-Politiker anscheinend nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt, nachdem ihm eine Traueranzeige für einen verstorbenen Mitarbeiter zur Freigabe auf den Schreibtisch gelegt worden war. „Die Anzeige war zwar schon von etlichen hochrangigen Stellen abgezeichnet worden, aber niemand wollte die Verantwortung für das letzte Okay übernehmen“, schreibt die Bild. Dabei entschloss sich Pistorius offensichtlich, der sogenannten „Verantwortungsdiffusion“ ein Ende zu setzen. Damit sollen vor allem Entscheidungen schneller getroffen werden, bevor diese so lange im Ministerium herumgereicht werden, bis entweder gar nichts passiert oder alles bei ihm landet. Den „Vorgang Traueranzeige“ soll der Verteidigungsminister später sogar vor Ampel-Politikern erklärt haben.
Doch gerade die Entlassung von Generalinspekteur Zorn scheint bei den Offizieren nicht gut angekommen zu sein, da er bei der Truppe sehr beliebt war. Auch der Rausschmiss der Beschaffungschefin sorgt für Unmut in der Truppe. Ihre bisherige Stellvertreterin Annette Lehnigk-Emden soll erst aus der Presse erfahren haben, dass sie die neue Chefin wird. Niemand in einer Leitungsposition können sich inzwischen sicher sein, nicht gefeuert zu werden, hieß es.

Pistorius und das Militär: Bundeswehr-Offiziere wie „Wie Kaninchen vor der Schlange“
Gerüchte gibt es auch über Rüstungsstaatssekretär Benedikt Zimmer (61). Alle paar Tage in den Medien kann er lesen, dass auch er von seinen Aufgaben entbunden werden soll. Weil der Staatssekretär etwa Ende März nicht in seinem Büro war, verbreitete sich das Gerücht, dass er entlassen werden sollte. Dabei war Zimmer bei der Beerdigung seines Vaters. „Pistorius muss den Deckel auf all die Spekulationen bekommen. Alle sitzen hier wie die Kaninchen vor der Schlange“, zitiert die Bild einen General.
Medienberichten zufolge ist nun für den 18. April eine Abteilungsleitersitzung geplant und zwei Tage später will Pistorius seine Umbaupläne bei einer außerordentlichen Personalbesprechung verkünden. Dann soll der Leitungsbereich im Verteidigungsministerium zusammengestrichen werden. 160 der 370 Stellen sollen wegfallen. Am Donnerstag meldete sich Pistorius aus seinem Osterurlaub und schrieb an alle Soldaten und zivilen Mitarbeiter an, mit der Bitte um Vertrauen. „Personelle Veränderungen in Spitzenpositionen werde ich transparent kommunizieren. Das betone ich insbesondere angesichts zahlreicher Spekulationen“.
Kritik und Lob an Planungs- und Führungsstab
Für die Umstrukturierung richtete Pistorius einen Planungs- und Führungsstab ein, den Brigadegeneral Christian Freuding (51) leiten soll. Das Problem: Die Abteilungsleiter sind Drei-Sterne-Generale. Freuding hat dagegen nur einen Stern. Machtkämpfe unter den Offizieren sind damit vorprogrammiert. Zudem passt den Beamten im Bundesministerium nicht, dass der Führungs- und Planungsstab mit einem Soldaten besetzt wird.
Bislang war Freuding Leiter des Sonderstabs Ukraine im Verteidigungsministerium und hatte Pistorius auch auf dessen Reise nach Kiew begleitet. Der Offizier koordiniert die deutsche Militärhilfe praktisch. Er war zuvor Kommandeur der Panzerlehrbrigade 9 in Munster. Immer wieder hat Freuding auch öffentlich die Entwicklung in der Ukraine militärisch analysiert und erklärt.
Gefeuerte Generäle: Im Bundestag stärkt man Pistorius den Rücken
Aus dem Bundestag wurde die Entscheidung von Pistorius am vergangenen Donnerstag begrüßt. „Bereits als Leiter des Lagezentrums Ukraine hat Christian Freuding die herausfordernde Aufgabe zielstrebig bewältigt und mit einer angenehmen Mischung aus notwendiger Klarheit und Empathie über die Situation informiert“, erklärte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). „Er ist daher mit seiner unaufgeregten und stringenten Art eine hervorragende Wahl für diesen wichtigen Posten.“
Dennoch hat das Vorgehen von Pistorius jetzt viel Wirbel ausgelöst. So haben verschiedene Verbände und Personalräte bereits angekündigt, dass sie einsame Personalentscheidungen an der Spitze des Hauses nicht unkommentiert hinnehmen werden. Pistorius stehen also unruhige Wochen ins Haus. Unklar ist, ob er mit seiner Linie durchkommt.
Reform der Bundeswehr: Tappt Pistorius in die gleiche Falle wie von Guttenberg?
Zuletzt hatte der Minister durch sein forsches Auftreten in der Bevölkerung an Ansehen gewonnen. Nach nur drei Monaten im Amt ist er zu einem der beliebtesten Politiker aufgestiegen. Doch beim Umkrempeln der Bundeswehr hilft das nicht. Diese Erfahrung musste schon einer seiner Vorgänger im Amt machen.
Wie der Business Insider berichtet, werden im Verteidigungsministerium bereits Vergleiche mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) laut. Anfänglich hatte es in der Truppe eine ähnlich große Euphorie über den Bayer gegeben wie jetzt bei Pistorius. Doch die vielen Vorschusslorbeeren halfen Guttenberg nicht. 2011 scheiterte Guttenberg neben der Plagiats-Affäre auch an einer Bundeswehrreform, die bis heute nicht besonders gut ankommt bei der Bundeswehr. (ep/jkf/dpa)