Aufruhr unter Putins Häftlings-Rekruten? Geflohener berichtet von Angst vor Wagner-Hinrichtung

Die Söldner-Gruppe Wagner lässt bei der Rekrutierung wohl inzwischen auch psychisch Kranke zu. Derweil sollen einige Häftlinge gegen ihren Fronteinsatz rebellieren.
Update vom 8. März, 9.45 Uhr: Unter den für Russland kämpfenden Häftlingen in Donezk hat es angeblich Aufruhr gegeben. 70 von ihnen würden in einem Keller festgehalten, weil sie sich geweigert hätten, zu kämpfen. Elf weitere seien geflüchtet. Das berichtet das US-Portal Daily Beast unter Berufung auf die unabhängige russische Nachrichtenagentur Ostorozhno Novosti.
Die Informationen sollen auf den Aussagen eines Geflüchteten beruhen. Ihm zufolge herrscht unter den Kämpfern Angst, hingerichtet zu werden. „Wenn ihr euch weigert zu kämpfen, werden Leute von Wagner kommen und euch erschießen“, seien sie gewarnt worden. Er und seine Mitstreiter befürchten demnach auch, dass ihr Tod vertuscht werden könnte, sodass ihre Familien nie eine Entschädigung erhalten würden.
Ein zehnminütiger Clip der Agentur zeigt angeblich einen Mitarbeiter des russischen Verteidigungsministeriums der aufgebrachte Häftlinge dazu animieren will, die Befehle zu befolgen. Diese sollen sich zuvor geweigert haben, die ukrainischen Stellungen im Donbass zu stürmen, weil sie fürchteten als Kanonenfutter eingesetzt zu werden. Einer von ihnen verweist darauf, dass von der zuvor losgeschickten Einheit nur ein verschwindend geringer Teil zurückkehrte.
Daraufhin erinnert der Militär an eine Aussage von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin: „Das einzige, was ihr tun müsst, wenn ihr die Stellung erreicht habt, ist, sie zu töten. Und ihr dürft euch alles nehmen, was dem Feind gehört. Man kann nur die Beute von denen nehmen, die man tötet.“ Ihr sechsmonatiger Einsatz werde nur vorzeitig enden, wenn sie getötet oder ernsthaft verletzt werden.
Ukraine-Krieg: Wagner-Gruppe setzt wohl auf Menschen aus Nervenheilanstalt
Erstmeldung vom 7. März: Moskau – Der Ukraine-Krieg hat sich in den vergangenen Monaten immer mehr zu einem Abnutzungskrieg entwickelt. Die Verluste sind für Russland und die Ukraine gleichermaßen hoch – doch immer wieder sorgt das russische Vorgehen bei der Rekrutierung des Nachschubs für Aufsehen. Nach der Offensive im Februar 2022 folgten verlustreiche Kämpfe, die sich insbesondere auf die Ostukraine konzentrierten. Nun, im 13. Monat der jüngsten Eskalation des Ukraine-Kriegs durch Wladimir Putin, sorgt mutmaßlich der Personalmangel in Russland für einen Ausnahmezustand: Laut Medienberichten setzt die Wagner-Gruppe jetzt auch auf Männer, die sich in Nervenheilanstalten behandelt lassen haben.
Hohe Verluste bei Gruppe Wagner: Chef Prigoschin gehen im Ukraine-Krieg die Kämpfer aus
Die Wagner-Gruppe ist für das aktuelle Geschehen im Ukraine-Krieg zu einer zentralen Figur geworden. Unlängst sorgte Wagner-Chef Prigoschin mit der Drohung, dass er seinen Soldaten befehlen könnte, die Krim zu verlassen, für Aufsehen. Doch nicht nur im Südosten der Ukraine wird Putins „Schattenarmee“ eingesetzt. Auch bei den Kämpfen um Bachmut setzen die Wagner-Söldner den ukrainischen Verteidigern gehörig zu – allerdings unter Inkaufnahme hoher Verluste. Diese Strategie im Ukraine-Krieg führt nun dazu, dass die russische Söldnertruppe wegen des Personalmangels die Aufnahmebedingungen für den Dienst lockert.
Wie die unabhängige Internetzeitung „Moscow Times“ berichtet, lässt Prigoschin nun auch Männer mit psychischen Vorerkrankungen für den Kampf im Ukraine-Krieg zu. Die Söldnertruppe werbe damit, dass jetzt keine psychiatrischen und ärztlichen Atteste mehr für die Einstellung nötig seien, heißt es weiter. Die Gruppe Wagner aus Russland, die auch in den vergangenen Jahren immer wieder Russlands Interessen an globalen Brennpunkten vertrat, sei sogar wegen der hohen Verluste im Krieg in der Ukraine bereit, Männer anzuheuern, die in einer Nervenheilanstalt behandelt wurden.
Wagner-Gruppe setzte im Ukraine-Krieg auf russische Häftlinge: Chef Prigoschin warb 50.000 Kämpfer an
Es ist nicht das erste Mal, dass die Söldnergruppe Wagner mit zweifelhaften Methoden bei der Rekrutierung auffällt. Bereits im Herbst 2022 warb Jewgeni Prigoschin Strafgefangene aus russischen Gefängnissen für den Kampf in der Ukraine ab. Schlecht ausgerüstet und ausgebildet, wurde dem Söldner-Nachwuchs nach erfolgreichem Fronteinsatz im Ukraine-Krieg die Freiheit versprochen. Die Taktik ging wohl auf: Mehrere Berichte schätzen die Zahl der Häftlinge, die für Wladimir Putin in den Krieg zogen, auf etwa 50.000.
Sollten die Kämpfer ihren monatelangen Fronteinsatz im Ukraine-Krieg überstehen, winkt ihnen die Freiheit. In den vergangenen Monaten entpuppte sich dies allerdings nur als kleiner Hoffnungsschimmer. Insbesondere bei den Kämpfen um Bachmut sollen jeden Tag Hunderte Wagner-Söldner sterben. Dass die hohen Verluste inzwischen den Nachwuchs allerdings abschreckt, zeigt sich inzwischen mit Blick auf die Neurekrutierung.
Gruppe Wagner: Rekrutierung erlaubt nun wegen des Ukraine-Kriegs auch psychisch Kranke
Es finden sich aktuell immer weniger Freiwillige für die Gruppe Wagner. Einerseits liegt dies daran, dass sich die Nachricht, der Frontdienst im Ukraine-Krieg würde einem Himmelfahrtskommando entsprechen, immer mehr verbreitet. Hinzu kommt: Prigoschin soll keinen Zugang mehr zu den russischen Gefängnissen haben. Doch wie war die Veränderung bei der Rekrutierung für die Gruppe Wagner aufgefallen? Wie die Deutsche Presse-Agentur die Moskauer Zeitung zitiert, habe sich ein Korrespondent als Freiwilliger ausgegeben und mit einem Anwerber gesprochen. Auf die Frage, ob es kein Problem sei, dass er wegen eines Nervenzusammenbruchs behandelt worden sei, habe dieser ihm nur geraten, seinen Zustand selbst einzuschätzen.
Laut den eigenen Vorschriften nimmt die Wagner-Truppe keine Schwer- und Hepathitiskranken und keine Drogenabhängigen auf. Doch die Überprüfung beschränkt sich dem Bericht nach auf einen Expresstest mit Blut- und Urinabgabe für einen eventuellen Drogennachweis. (fbu mit dpa)