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„Nächsten zwei bis drei Jahre entscheidend“: Verbände wollen Regierung zum Klimaschutz tragen

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Klimaschutzgesetz bringt die Bundesregierung auf die Anklagebank. Die FDP will trotzdem weiter Klima-Gesetze schwächen. 

Berlin – Es braucht jetzt die politische Entscheidung, wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz zu schaffen“, kritisierte Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND, in der vergangenen Woche. „Wenn die Regierung von Olaf Scholz dazu politisch nicht fähig oder willens ist, muss sie gerichtlich dazu verpflichtet werden“, so Bandt. Um zu erreichen, dass die Regierung endlich wirksame Sofortprogramme vorlegt, hat der Umweltverband nun Klage gegen die Bundesregierung eingereicht.

Tatsächlich ist die Bundesregierung mit dem Klimaschutz im Verzug. Laut dem Klimaschutzgesetz sollten die Emissionen des Verkehrssektors 2021 bei maximal 145 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten liegen. Tatsächlich lagen sie allerdings bei 148 Millionen Tonnen, drei Millionen Tonnen zu hoch. CO2-Äquivalente beziehen neben Kohlendioxid auch andere Treibhausgase wie Methan mit ein. Auch der Gebäudesektor verfehlte 2021 sein Ziel.

Expert:innen zum Klima: Programme reichen nicht aus

Der unabhängige Expertenrat für Klimafragen befand im vergangenen Jahr, dass die von beiden Ressorts daraufhin vorgelegten Sofortprogramme nicht sicherstellten, dass die Ziele in Zukunft erreicht werden. Im Verkehrssektor überprüfte der Rat die vorgeschlagenen Schritte noch nicht einmal genauer, weil es schon auf den ersten Blick nicht ausreichte.

Machen noch zu viel Dreck: Autos auf einer Stadtautobahn in Berlin.
Machen noch zu viel Dreck: Autos auf einer Stadtautobahn in Berlin. (Archivbild) © Dirk Sattler/IMAGO-Images

Das FDP-geführte Verkehrsministerium verwies auf ein sektorübergreifendes Klimaschutz-Sofortprogramm, das die Koalition eigentlich 2022 beschließen wollte. Doch bei dem, was Anfang November in die Ressort-Abstimmung ging, fehlten noch immer Schritte, um die Emissionen im Verkehrssektor wirksam zu begrenzen. Bis zu diesem Frühjahr soll nun nachgelegt werden.

BUND klagt: FDP sträubt sich gegen konkrete Kilma-Ziele

Die Klage des BUND ist allerdings nicht die einzige, mit der sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg demnächst beschäftigen muss. Auch die Deutsche Umwelthilfe hat schon mehrere Klagen eingereicht, sowohl auf die von den Ressorts ursprünglich vorgeschlagenen Schritte, als auch auf die Sofortprogramme. Laut Berichten der „taz“ könnte das Gericht im ersten Halbjahr beginnen, über die Klimaklagen zu verhandeln.

Während viele nun darauf warten, dass Verkehrsminister Wissing wirksame Klimaschutz-Schritte verkündet, setzt sich die FDP dafür ein, dass das Klimaschutzgesetz geändert wird. Wenn es nach dem Willen der FDP geht, soll es überhaupt keine festen Sektorziele mehr geben.

Was sagt das Klimaschutzgesetz?

Laut dem Pariser Klimaabkommen soll der Klimawandel möglichst auf 1,5 Grad begrenzt werden. Das Bundesklimaschutzgesetz von 2019 soll gewährleisten, dass sich Deutschland an das Abkommen hält. Damit das klappt, sind in der Anlage des Gesetzes Minderungsziele vorgesehen, aufgeschlüsselt nach Jahr und Sektor. Wird ein Ziel verfehlt, muss das betroffene Ressort laut Gesetz ein Sofortprogramm vorlegen, das sicherstellt, dass die Ziele in den kommenden Jahren wieder eingehalten werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 geurteilt, dass die Regierung mit ihrem Gesetz den Klimaschutz in die Zukunft verschiebe. Dadurch würden die jungen Menschen, die die Beschwerde geführt hatten, in ihren Freiheitsrechten verletzt.

Die Große Koalition besserte daraufhin das Klimaschutzgesetz nach und verschärfte die Ziele. Laut dem Gesetz sollen die Emissionen nun bis 2030 um 65 Prozent sinken, bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. fme

Klima-Ziele der Bundesregierung: Habeck will mehr Flexibilität

Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP festgehalten, dass die Einhaltung der Klimaziele anhand einer „sektorübergreifenden, mehrjährigen Gesamtrechnung“ überprüft werden soll. Einem Bericht des „Tagesspiegel Background“ zufolge hat Klimaminister Robert Habeck (Grüne) im November vorgeschlagen, die Sektorziele weiterzuentwickeln und flexibler zu machen, aber nicht abzuschaffen.

Laut „Tagesspiegel“ hat das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) auch dagegen Einspruch erhoben. Auf Nachfrage der FR bestätigte ein Sprecher, dass das Klimaministerium im letzten Quartal die Eckpunkte für eine Novelle des Gesetzes vorgelegt hat. Diese würden derzeit in der Bundesregierung beraten. „Daher kann ich Ihnen darüber hinaus keine neuen Details mitteilen.“

Klimaschutz: Der rechtliche Zwang fehlt

„Wenn die FDP ihren Willen bekommt, würde das Gesetz praktisch wirkungslos. Die Verantwortung würde zwischen den Ministerien hin- und hergeschoben“, ist sich Anwalt Remo Klinger sicher, der die Deutsche Umwelthilfe bei den Klimaklagen vertritt. Auch Philipp Schönberger, Jurist und Referent beim Thinktank Green Legal Impact, sieht die Forderung kritisch: „Die Sektorziele sind nicht rechtlich zwingend, sie sind nur naheliegend.“ Ohne sie müsse die Regierung eine Alternative anbieten, wie Planungs- und Entwicklungsdruck für den Klimaschutz erzeugt wird. Dass sie das tun muss, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Klimaschutzgesetz festgestellt.

Ist so ein Gesetz überhaupt die sinnvollste Art, dafür zu sorgen, dass das Klima geschützt wird? Kritiker:innen verweisen gerne darauf, dass der Emissionshandel der Europäischen Union Gesetze überflüssig mache, da es ohnehin immer teurer wird, CO2 auszustoßen. „Reine Marktmechanismen wie der EU-Emissionshandel funktionieren nur in perfekten Märkten“, sagt hingegen Philipp Schönberger. Außerdem müsse man viel mehr auf den sozialen Ausgleich achten, wenn alles über den Preis geregelt wird.

Verkehr und Gebäude: „Die nächsten zwei bis drei Jahre sind entscheidend“

Auch Brigitte Knopf, Mitglied des Expertenrats für Klimafragen, weist auf Twitter darauf hin, dass die Sektoren Verkehr und Gebäude auf EU-Ebene erst ab 2027 in den Emissionshandel einbezogen werden sollen. „Zur Erreichung der nationalen 2030-Ziele wird das nicht reichen.“ Schönberger fügt außerdem hinzu, dass es irgendwann verfassungsrechtlich geboten sein könnte, klimaschädliches Verhalten zu verbieten. „Die nächsten zwei bis drei Jahre sind entscheidend, während der Emissionshandel im Verkehr erst ab 2027 greift.“

Philipp Schulte, Vorstandsmitglied von „Lawyers for Future“ und Rechtsanwalt für Umweltrecht in Berlin, kritisiert jedoch die Höhe der Sektorziele an sich: Sie seien nicht ausreichend, um die 1,5-Grad-Marke einzuhalten. „Das Klimaschutzgesetz ist wirkungslos, weil es an Verstöße keine Folgen knüpft und es führt nicht dazu, dass Anlagen abgeschaltet werden. Es hat keinen realen Effekt auf die CO2-Konzentration in der Atmosphäre.“

Wie könnte man das Klimaschutzgesetz denn nun verbessern? Der Expertenrat für Klimafragen macht in einem Gutachten selbst einige Vorschläge: Zum Beispiel könnte mithilfe von Modellen ausgerechnet werden, wie hoch die Emissionen in einem Sektor mit den bereits beschlossenen Klimaschutz-Schritten in einem bestimmten Jahr sein werden. Aus dem Vergleich mit dem jeweiligen Klimaziel würde dann schon im Vorhinein klar, ob nachgesteuert werden muss.

Zuletzt hatten neun junge Menschen in Straßburg gegen das deutsche Klimaschutzgesetz geklagt.

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