Valérie Pécresse will Frankreichs „moderate Rechte“ zum Leben erwecken

Valérie Pécresse will die „moderate Rechte“ in Frankreich wiedererwecken und kandidiert als Präsidentin. Welchen Weg sie vor der Wahl geht.
Paris – Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022 will sich Valérie Pécresse den lange erwarteten Zweikampf zwischen dem liberaleren Emmanuel Macron und der Nationalistin Marine Le Pen einmischen. Sie möchte dazu die „moderate Rechte“ in Frankreich wiederbeleben und ihre Republikaner zwischen den beiden derzeit stärksten Polen etablieren. Dazu schlägt die früher dem sozial-progressiven Flügel der konservativen Partei zugerechnete Pécresse im Wahlkampf 2022 immer wieder nationalistische Töne an.
Name | Valérie Pécresse |
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Geboren | 14. Juli 1967 in Neuilly-sur-Seine |
Ehemann | Jérôme Pécresse |
Studium | Wirtschaftswissenschaft |
Partei | Les Républicains |
Politisches Amt | Präsidentin des Regionalrates der Île-de-France |
Valérie Pécresse: Konservative Kandidatin mit typischer Biografie von Frankreichs Elite
Valérie Pécresse kann eine für die französische Spitzenpolitik typische Karriere aufweisen. Die 1967 am französischen Nationalfeiertag in Neuilly-sur-Seine geborene Politikerin wuchs in einem wohlhabenden Pariser Vorort auf. Ihr Vater Dominique Roux war Professor für Ökonomie. Schon im Alter von 16 Jahren machte Pécresse am katholischen Privatgymnasium Saint-Genevieve in Versailles ihr Abitur. Nach der Schule ging sie nach Tokio, um dort zu arbeiten und Japanisch zu lernen. Allgemein zeigte sich die jugendliche Pécresse interessiert an Fremdsprachen: Noch in ihrer Schulzeit nahm sie an einem Sommercamp der Jungen Kommunisten in Jalta teil, um dort Russisch zu lernen.
Nach der Schulzeit und der Auslandserfahrung in Japan kann Valérie Pécresses die Biografie einer Karrieristin vorweisen: Sie studierte Wirtschaftswissenschaft in Paris und ging anschließend auf die Verwaltungshochschule École nationale d‘Administration (ENA), die sie als Zweitbeste ihres Jahrgangs abschloss. Danach arbeitete sie für den Staatsrat in Frankreich.
Der Aufstieg von Valérie Pécresse zur Ministerin unter Nicolas Sarkozy
Ihre politische Karriere begann sie 1997 unter Jaques Chirac. Der damalige Präsident ernannte sie zur Beauftragten für neue Technologien. Fünf Jahre später zog Valérie Pécresse für das Departements Yvelines in die Nationalversammlung ein. 2004 wurde sie Mitglied im Nationalrat der Region Île-de-France, welche die Stadt Paris und die nähere Umgebung einschließt. 2010 war sie dort Spitzenkandidatin der Konservativen.
Auf nationalstaatlicher Ebene übernahm Valérie Pécresse 2007 das Amt der Forschungs- und Hochschulministerin im Kabinett von Nicolas Sarkozy. Dabei brachte sie gegen heftige Widerstände von Forschenden und Studierenden eine Hochschulreform an den Start. Ein Jahr lang war Pécresse außerdem Frankreichs Haushaltsministerin und Regierungssprecherin.
Nach der Zeit in Frankreichs Regierung fokussierte sich die Politikerin auf die regionale Ebene. 2015 trat sie erneut als Spitzenkandidatin einer Reihe von bürgerlich-konservativen Parteien an. Im zweiten Wahlgang setzte sie sich dabei knapp gegen den sozialistischen Kandidaten Claude Bartolone durch. Seitdem ist Valérie Pécresse Präsidentin des Regionalrats der Île-de-France. In dieser Rolle fungiert sie vor allem als große Kritikerin der sozialistischen Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die ebenfalls bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022 antritt.
Republikaner oder Soyens libres: In welcher Partei ist Valérie Pécresse?
Valérie Pécresse galt in Frankreich lange Zeit als Vertreterin eines weit gefassten und sozial sensiblen Konservativismus. Innerhalb der in katholisch-konservative, nationalistische und sozial-liberale Teile gespaltenen Republikaner fand sich Pécresse immer weniger zurecht und gründete 2017 die zunächst innerparteiliche Strömung Soyons libres, was sich als „lasst uns frei sein“ übersetzen lässt.
In der Folge trat sie immer wieder als Kritikerin des Parteivorsitzenden Laurent Wauquiez hervor. Nachdem die Partei aus ihrer Perspektive zu weit nach rechts rückte und Klimaleugner:innen hofierte, trat Pécresse 2019 schließlich aus der konservativen Partei aus. In der Folge machte sie Soyens libres schließlich zu einer eigenständigen Partei. Pécresse sei bei den Republikanern ausgetreten, um eine „andere Rechte, eine ‚moderne‘ Rechte zum Leben zu erwecken“, begründete die konservative Politikerin damals ihren Austritt.
Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022: Valérie Pécresse kandidiert für Republikaner
Nachdem Pécresse im Juni 2021, weniger als ein Jahr vor der Wahl in Frankreich, ihre Präsidentschaftskandidatur verkündet hatte, kehrte sie zu den Republikanern zurück. In einer Mitgliederbefragung im Dezember 2021 setzte sich Pécresse in einer Stichwahl deutlich gegen den weiter rechts positionierten Éric Ciotti durch. Mit 61 Prozent wurde Valérie Pécresse zur ersten Präsidentschaftskandidatin der Républicains gewählt.
Name | Les Républicains |
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Gründung | 30. Mai 2015 |
Vorläufer | Union pour Mouvement Populaire (UMP) |
Präsident | Christian Jacob |
Generalsekretärin | Annie Genevard |
Ausrichtung | rechtskonservativ |
Wahl in Frankreich 2022: Valérie Pécresse will Vorstädte „säubern“
Valérie Pécresse hat einmal erklärt, sie sei zwei Drittel Angela Merkel und ein Drittel Margaret Thatcher. Sie möchte laut der Wochenzeitung Zeit jedoch nicht inhaltlich mit den beiden ehemaligen Regierungschefinnen identifiziert werden, schon gar nicht mit Merkels Flüchtlingspolitik.
Dass ihre Politik bei den Themen Migration und Bekämpfung der Kriminalität anders aussieht, unterstreicht sie immer wieder in ihren Reden und biedert sich dabei eher an die Rechtsaußen Marine Le Pen und Éric Zemmour an. Sie wolle die „Vorstädte mit dem Kärcher reinigen“, erklärte Pécresse beispielsweise in einem Interview mit der südfranzösischen Zeitung La Provence und recycelte dabei eine Aussage Nicolas Sarkozys aus dem Jahr 2005.
Valérie Pécresse sieht sich als Bollwerk gegen Einwanderung nach Frankreich
Pécresse verwendet laut Neue Züricher Zeitung rechte Schlagwörter und spricht unter anderem vom „großen Austausch“, also von einer Verdrängung der ursprünglichen Bevölkerung durch Immigrierende. Sich selbst inszeniert sie durch ihre eigenen Pläne, die in ihrem Programm mit „Beendigung der unkontrollierten Einwanderung“ überschrieben sind, als Bollwerk gegen die vermeintliche Entwicklung.
Die Kandidatin der Republikaner fordert unter anderem Quoten für Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchtete, welche die Einwanderer:innen danach sortieren, woher sie kommen und welchen Beruf sie haben. Flüchtende will die Politikerin in zentralen Sammelstellen unterbringen, um sie im Falle einer Ablehnung schneller abschieben zu können. In Schulklassen soll es ebenfalls nur eine bestimmte Anzahl an „ausländischen Kindern“ geben dürfen.
Valérie Pécresse: Wie sieht das Programm der Konservativen bei der Wahl in Frankreich aus?
Valérie Pécresse setzt vor der Wahl in Frankreich 2022 auf die Sehnsucht vieler Menschen nach vergangenen Werten – nicht nur bei den genannten Themen Migration und Kriminalität. Emmanuel Macron wirft sie vor, die französische Kultur zu negieren und die Geschichte des Landes zu dekonstruieren. Sie selbst will dagegen Familien stärken und verspricht jährlich 900 Euro für das erste Kind, die unabhängig vom Einkommen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ausgezahlt werden soll.
Dabei setzt Pécresse jedoch auch auf Autorität und Benehmen. Wenn sich ein Kind in der Schule nicht benimmt, soll das Geld nicht ausgezahlt werden. Im Bereich der Bildungspolitik will sie die Autorität der Lehrkräfte stärken. Sie wünsche sich, dass die Schüler:innen aufstehen, wenn eine Lehrerin oder ein Lehrer ins Klassenzimmer kommt.
Wahl in Frankreich 2022: Pécresse will eigenes Profil zwischen Macron, Le Pen und Zemmour schärfen
Im Kampf gegen die Klimakrise setzt die Republikanerin auf Atomkraft, die sie als „heimische Industrie“ betrachtet. Pécresse fordert unter anderem den Bau von sechs Hochtemperaturreaktoren. Erneuerbare Energien spielen bei ihr keine Rolle. Erwähnt werden sie nur am Rande – und zwar bei der Forderung nach einer stärkeren Bürgerbeteiligung beim Bau von Windkraftanlagen.
Bei den Themen Rente, Europa und Wirtschaft ähneln Valérie Pécresses Positionen denen Emmanuel Macrons. Frankreichs Staatsschulden sind jedoch ein Thema, bei dem die republikanische Kandidatin den amtierenden Präsidenten attackieren will. Dazu sieht sie unter anderem einen Bürokratieabbau und Stellenstreichungen bei Beamtinnen und Beamten vor. Durch die deutlichen Worte bei den Reizthemen Migration und Kriminalität und die eher liberalere Linie bei den übrigen Themen will Pécresse die Republikaner zwischen Macron und Marine Le Pen sowie Zemmour etablieren. (Max Schäfer)