Nach der Debatte um das Abtreibungsrecht: Soll nun Verhütung in den USA verboten werden?

Womöglich ist in den USA die Beschränkung des Abtreibungsrechts erst der Anfang: Einige Konservative haben es auch auf Verhütungsmittel abgesehen.
Washington D.C. – Seit einer Woche wird in den USA heftig über das Recht auf Abtreibung gestritten. Die Urteilsbegründung des Supreme Courts, des Obersten Gerichtshofs der USA, wurde von Politico geleakt. Daraus geht hervor, dass eine Mehrheit der überwiegend rechten Richter:innen, das Grundsatzurteil zum Abtreibungsrecht, Roe v. Wade, aufzuheben gedenkt. Doch nicht nur das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche ist in Gefahr, als Nächstes könnte der Zugang zu Verhütungsmitteln eingeschränkt werden.
Der Präzedenzfall zum Recht auf Verhütung heißt Griswold v. Connecticut und stammt auf dem Jahr 1965. Damals hob der Supreme Court in einem 7:2-Urteil ein Gesetz aus dem US-Bundesstaat Connecticut auf, das den Zugang verheirateter Paare zu Verhütungsmitteln einschränkte. Die Mehrheit des Gerichts vertrat die Auffassung, derartige Gesetze seien unzulässig, weil sie das Recht der Amerikaner:innen auf Privatsphäre verletzten.
Griswold v. Connecticut: Grundstein für US-Abtreibungsrecht Roe v. Wade
Dies war das erste Mal, dass die Verfassungsrichter die Existenz eines solchen Rechtes anerkannten. Das Urteil hatte weitreichende Auswirkungen auf die Rechtsprechung in den USA – und legte den Grundstein für das Abtreibungsurteil Roe v. Wade, das acht Jahre später erging.
In den letzten sechs Jahrzehnten waren selbst die Republikaner aus gutem Grund zurückhaltend mit Kritik an Griswold v. Connecticut, denn die allermeisten Amerikaner:innen unterstützen den öffentlichen Zugang zu Verhütungsmitteln. Zu behaupten, der Supreme Court habe diesen Präzedenzfall falsch entschieden, bedeutet zu argumentieren, dass es kein verfassungsmäßiges Recht auf Privatsphäre gebe. Demzufolge könnte der Staat einem Ehepaar gesetzlich untersagen, Verhütungsmittel zu kaufen.
Einige Republikaner wollen neben Abtreibungen auch Verhütungsmittel verbieten
Diese Ansicht wird von einigen Politiker:innen der republikanischen Partei allen Ernstes vertreten. Eine von ihnen ist Marsha Blackburn, Senatorin aus dem Bundesstaat Tennessee. Bei der Anhörung für die angehende Verfassungsrichterin Ketanji Brown Jackson bezeichnete die rechte Senatorin, die zugleich Mitglied des Justizausschusses des Senats ist, das Grundsatzurteil Griswold v. Connecticut als „verfassungswidrig“.
Mit dieser Auffassung ist Marsha Blackburn nicht allein – in den letzten Tagen outeten sich zwei weitere republikanische Politiker als Verhütungsgegner: Blake Masters, der in Arizona für den US-Senat kandidiert und Brent Crane, stellvertretender Fraktionsvorsitzender des Repräsentantenhauses im Landesparlament von Idaho.
Blake Masters kandidiert für den US-Senat: „Arizonas wahrer MAGA-Kandidat“
„Ich bin zu 100% pro-life“, ist auf Blake Masters Kandidaten-Website zu lesen. „Roe v. Wade war eine schreckliche Entscheidung. Sie war falsch an dem Tag, als sie 1973 entschieden wurde, sie ist heute falsch und muss rückgängig gemacht werden. Aber der Kampf hört hier nicht auf.“ Der Republikaner werde „nur für Bundesrichter stimmen, die verstehen, dass die Urteile Roe und Griswold falsch entschieden wurden und dass es kein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung gibt“.
Auf seiner Website bezeichnet sich Masters auch als „Arizonas wahrer MAGA-Kandidat“. MAGA steht für „Make America Great Again“, dem berühmt-berüchtigten Wahlkampfslogan des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Bisher hat Trump Blake Masters zwar mit einem Anruf bei einer von dessen Wahlkampfveranstaltungen unterstützt, doch ein offizielles Endorsement des früheren Präsidenten steht noch aus. Dafür weiß Masters den rechts-libertären Milliardär Peter Thiel mit dessen großzügigen Wahlkampfspenden an seiner Seite.
Für Aufsehen sorgte kürzlich auch die Aussage des Lokalpolitikers Brent Crane aus Idaho in einem Interview. Er gab offen zu, seine Republikaner-Fraktion im Landesparlament erwäge, bestimmte Formen der Empfängnisverhütung zu verbieten, einschließlich der „Pille danach“ und Verhütungsspiralen, sobald der Supreme Court Roe v. Wade aufhebt.
Brent Crane prahlte damit, bereits 17 Anti-Abtreibungs-Gesetze in Idaho verabschiedet oder daran mitgewirkt zu haben. Vor der Presse sagte er kürzlich, es werde „wahrscheinlich“ Anhörungen zu Gesetzentwürfen geben, mit denen Verhütungsmittel verboten werden sollen. „Ich bin mir nicht sicher, wo ich in dieser Frage stehen werde“, sagte Crane dazu. Somit könnten einige Mitglieder der Republikaner nach dem Abtreibungsverbot auch ein Verbot von Verhütungsmitteln ins Visier nehmen. (Johanna Soll)