Independence Day: Rechte Milizen marschieren schwer bewaffnet in Gettysburg auf, um Anarchisten zu stoppen
In Gettysburg versammeln sich zahlreiche Rechtsextreme, um mit Waffengewalt ihr Land zu verteidigen. Dass Antifaschisten dort amerikanische Flaggen verbrennen wollten, entpuppt sich aber als Falschmeldung.
- Wenige Monate vor der Präsidentenwahl* wird die Stimmung in den USA zusehends aggressiver
- US-Präsident Donald Trump* attackiert Demonstranten
- Rechte Milizen versammeln sich in Gettysburg, um ihr Land gegen Antifaschisten zu verteidigen
Gettysburg – Die US-amerikanische Kleinstadt Gettysburg im US-Bundesstaat Pennsylvania ist bisher vor allem für seine Rolle im Amerikanischen Bürgerkrieg bekannt. Anfang Juli 1863 war Gettysburg Schauplatz einer der entscheidenden Schlachten, in der rund 6000 Menschen getötet und 27.000 verwundet wurden. Einige Monate später besuchte der damalige US-Präsident Abraham Lincoln die Stadt, um den neuen Friedhof einzuweihen. Dabei hielt er eine Ansprache, die heute zu den bedeutendsten Reden der gesamten amerikanischen Geschichte gehört.
USA: Rechte Milizen überfluten Gettysburg, um Anarchisten beim Flaggen verbrennen zu stoppen
In knapp zweieinhalb Minuten brachte Lincoln am 19. November 1863 das amerikanische Verständnis von Demokratie auf den Punkt: Es müsse sich nun erweisen, ob eine „Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk“ dauerhaft bestehen könne. Die Bedeutung der sogenannten Gettysburg Address für die USA erkennt man daran, dass der Wortlaut in die Südwand des Lincoln Memorials in Washington eingemeißelt ist.
Doch am Unabhängigkeitstag 2020 geriet Gettysburg aus anderen Gründe in die Schlagzeilen. Denn mitten am Tag wurde die Kleinstadt mit seinen knapp 8000 Einwohnern von mehreren hundert schwer bewaffneten rechten Milizen geradezu überflutet. Sie hatten auch einen Grund, um sich dort zu versammeln. Denn in Zeiten der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt scheint plötzlich alles möglich.
Gettysburg: Rechte wollen die USA gegen Antifaschisten verteidigen
Dass Denkmäler und Statuen gestürzt werden sollen, ist ja wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl, bei der außer Trump und Joe Biden* nun offenbar auch Kanye West antreten will, schon lange nichts Besonderes mehr. Doch in Gettysburg drohte offenbar noch größeres Ungemach: Eine antifaschistische Gruppe hatte angeblich in den sozialen Medien dazu aufgerufen, auf einem Gelände mit Bürgerkiegsdenkmälern amerikanische Flaggen zu verbrennen. Das galt es natürlich zu verhindern – egal wie, notfalls auch mit Waffengewalt.
Wie die „Washington Post“ berichtete, hatte ein Unbekannter auf der Facebook-Seite „Left Behind USA“ seit Mitte Juni immer wieder über die Pläne der Antifaschisten gesprochen, die Flaggen zu verbrennen. Natürlich mit allem Pipapo, so beispielsweise auch mit „Antifa-Gesichtsbemalungen“ und „kostenlosen kleinen Flaggen“ für Kinder. Denn die sollen ja auch etwas haben, um es gefahrlos ins feuer werfen zu können. Das alles war aber völliger Unsinn, so eine Aktion war niemals geplant. Wer hinter dieser Falschmeldung steckt, ist laut „Washington Post“ völlig unklar.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass amerikanische Patrioten am Unabhängigkeitstag nach Gettysburg strömen, um dort die amerikanische Flagge zu verteidigen. Bereits im Jahr 2017 machte eine ganz ähnliche Falschmeldung die Runde in sozialen Medien. Auch damals war von Anarchisten und brennenden Flaggen weit und breit nichts zu sehen. Ein Milizionär verletzte sich trotzdem, weil er sich aus Versehen mit dem eigenen Revolver in den Fuß geschossen hatte.
Rechte Milizen fahren schwer bewaffnet nach Gettysburg
Und wie 2017 riefen auch dieses Jahr wieder selbsternannte Milizen, Biker, Skinheads und rechtsextreme Gruppen sofort zum Handeln auf und erklärten via Online-Videos und entsprechenden Beiträgen, dass sie selbstverständlich nach Gettysburg fahren würden, um dort die Denkmäler des Bürgerkriegs und die Flagge des Landes vor den bösen antifaschistischen Horden zu schützen. Manche kündigten dabei von vornherein an, Schusswaffen mitzubringen und bei Bedarf auch Gewalt anzuwenden.
Und sie beließen es auch nicht bei der Ankündigung. Zu Hunderten marschierten die Rechten nach Gettysburg – teils schwer bewaffnet und offenbar völlig ahnungslos, dass es keinen Grund gab, Denkmäler zu verteidigen oder die Flagge zu beschützen. Von Antifaschisten war jedenfalls weit und breit nichts zu sehen.
Independence Day in Gettysburg: Rechte Demonstranten stellen methodistischen Pfarrer
Nur einen methodistischen Pfarrer stellten die aufgebrachten Demonstranten, der seine bei der Schlacht von Gettysburg gefallenen Ahnen besuchen wollte. Weil Trent Somes, so der Name des Pfarrers, ein „Black Lives Matter“ T-Shirt trug, erklärten die rechstextremen Demonstranten ihn zum Feind und bedrohten ihn. Somes filmte alles und wurde von der eintreffenden Polizei schließlich aufgefordert, zu „Deeskalation“ den Ort zu verlassen.
Donald Trump erklärt Demonstranten zu „Marxisten, Anarchisten und Plünderern“
Tatsächlich wirkte der Rat der Polizisten angebracht. Die Ereignisse zeigen, wie angespannt die Stimmung in den USA derzeit ist, woran auch der US-Präsident seinen Anteil trägt. Donald Trump hatte bei den Feiern zum Unabhängigkeitstag seine Attacken auf die Demonstranten gegen Rassismus und Polizeigewalt erneut wiederholt. Trump erklärte sie zu „Marxisten, Anarchisten und Plünderern“, die man „sehr bald besiegen“ werde. Mit welchen Mitteln, hat Trump nicht gesagt. Die rechten Milizen scheinen auf jeden Fall gerüstet. (Christian Stör) *fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.