Bidens Wiederwahlankündigung lässt auf sich warten: Es liegt an den Republikanern und am Alter

Biden lässt sich Zeit, der Grund: Die Republikaner attackieren sich gegenseitig und sein Team will den Wahlkampf für den alternden US-Präsidenten kurz halten.
Washington, D.C. – US-Präsident Joe Biden lässt sich Zeit mit seiner offiziellen Ankündigung, dass er eine zweite Amtszeit anstrebt. Der Vorwahlkampf der Republikaner hat längst begonnen, auch zwei Demokraten haben bereits ihre Kandidatur bekannt gegeben, Marianne Williamson und Robert F. Kennedy. Biden und sein Team sehen keinen Grund zur Eile, wie die New York Times berichtet, zum einen bekämpfen sich die Republikaner gegenseitig, zum anderen fürchtet sein Team „altersbedingte Pannen“ im Wahlkampf und setzt daher auf eine Verzögerungstaktik.
Erst hieß es, Biden wolle über die Feiertage Ende 2022 in sich gehen und mit seiner Familie beratschlagen, ob er erneut kandidieren solle. Ein eindeutiges Ergebnis blieb aus, es blieb bei Andeutungen. Dann sollte der Startschuss nach seiner Rede zur Lage der Nation fallen – ebenfalls Fehlanzeige. Als Nächstes wurde Anfang April als Termin ins Spiel gebracht, ein Vorteil, um zum Quartalsanfang mit dem Beschaffen von Wahlkampfspenden zu beginnen. Auch dieser Termin verstrich ergebnislos.
Dass er beabsichtigt, für die US-Wahl 2024 zu kandidieren, hat Biden bereits mehrfach mitgeteilt, allein offiziell gemacht hat er es nicht. Was also hält Biden und sein Team zurück? Laut der New York Times sind es vor allem zwei Umstände: zum einen sind da die Republikaner, die in den parteiinternen Vorwahlen einen Kandidaten für 2024 finden müssen. Zum anderen ist Bidens fortgeschrittenes Alter von 80 Jahren eine Herausforderung für den Kräfte zehrenden US-Wahlkampf.
Joe Biden: Solange er nicht kandidiert, gerät er nicht in den Fokus
Derzeit konzentrieren sich die Republikaner, allen voran der ehemalige US-PräsidentDonald Trump, darauf, sich gegenseitig zu attackieren und weniger auf Amtsinhaber Biden. Dabei wolle das Biden-Team die Opposition nicht unterbrechen. Denn sobald Biden seine Wiederwahlabsichten bekannt gibt, würden sich die Medien und die Republikaner ihm verstärkt zuwenden, was womöglich nicht von Vorteil für den ältesten Präsidenten der US-Geschichte ist.
Wenn sich Bidens Alter bemerkbar macht, etwa, wenn er die Stufen zur Air Force One hinaufstolpert, oder bei einer Rede nach einer kurz zuvor verstorbenen Abgeordneten fragt, stürzen sich die Republikaner darauf und stellen seine Amtsfähigkeit infrage. Im vergangenen Wahlkampf 2020 konnte Biden wegen der Corona-Beschränkungen überwiegend Wahlkampf aus dem Keller seines Privathauses im Bundesstaat Delaware machen. Das wird in diesem und im nächsten Jahr wohl nicht möglich sein.
Bidens Verzögerungstaktik hat Vor- und Nachteile
Obwohl Biden bisher weder eine Person benannt hat, die seinen Wahlkampf leiten soll, noch ein Wahlkampfteam zusammengestellt hat, scheint die Botschaft bereits festzustehen, basierend auf einem seiner politischen Lieblingssprüche: „Vergleicht mich nicht mit dem Allmächtigen, vergleicht mich mit der Alternative.“ Aktuellen Umfragen zufolge ist es gut möglich, dass es sich dabei um Trump handeln könnte. Derzeit führt er das Feld der Republikaner, deren Kandidatur bereits feststeht oder noch erwartet wird, mit Abstand an.
Bidens Verzögerungstaktik hat Vor- und Nachteile. „Je länger er wartet, desto weniger kommt er auf den Prüfstand“, sagte der demokratische Stratege Chuck Rocha der New York Times. Allerdings müsse er auch eine Wahlkampfinfrastruktur in den wahlentscheidenden Bundesstaaten aufbauen. In sieben Bundesstaaten lag Biden 2020 mit weniger als drei Prozentpunkten vor Trump. Um genügend Spendengeld einzusammeln, darf Biden nicht zu spät mit dem Wahlkampf beginnen.
Politisch wird wohl nicht viel Neues von dem alten US-Präsidenten zu erwarten sein. Er wird sich, so die New York Times, wohl erneut am Rechtsextremismus der Republikaner abarbeiten. Insbesondere das Anti-Abtreibungsurteil des Supreme Courts im Juni 2022 war dafür verantwortlich, dass die Demokraten bei den Midterm-Wahlen im November besser als erwartet abschnitten. Es wird, laut New York Times, „voraussichtlich ein Motivator für 2024 sein“. (Johanna Soll)