In Florida entfernen Lehrkräfte Bücher aus Angst vor Haftstrafen

Ein neues Bücher-Zensurgesetz in Florida führt zu großer Sorge bei Lehrer:innen. Wenn sie „schädliche“ Bücher nicht aussortieren, droht ihnen sogar Gefängnis.
Florida – Im US-Bundesstaat Florida entfernen Lehrkräfte an Schulen neuerdings Bücher aus Regalen in Klassenzimmern. Grund dafür ist ein neues Gesetz in dem republikanisch regierten Bundesstaat, wonach es ein Verbrechen ist, Schüler:innen Büchern auszusetzen, die als „unzüchtig“ oder „anstößig“ gelten. Floridas rechtsradikaler Gouverneur, der Republikaner Ron DeSantis, verfolgt eine „Anti-Woke-Agenda“, die sich insbesondere gegen ethnische und sexuelle Minderheiten richtet.
Wie Vice berichtet, erhielten Lehrkräfte in Manatee County, einem Landkreis in Florida, vom Schulbezirk die Anweisung, „alle Klassenzimmerbibliotheken zu entfernen oder abzudecken, bis alle Materialien überprüft werden können“. Damit soll sichergestellt werden, dass die darin befindlichen Bücher einer neuen Richtlinie entsprechen, über die das Bildungsministerium Floridas abgestimmt hat.
Das neue, umstrittene Zensurgesetz, das Ron DeSantis im vergangenen Jahr unterzeichnet hatte, schreibt vor, dass jedes Buch, zu dem Schüler:innen in der Schule Zugang haben, von einem zertifizierten „Bildungsmedienspezialisten“ ausgewählt sein muss. Diese neue Vorschrift ist Teil einer Fortbildungsrichtlinie für Schulbibliothekspersonal, die der Bildungsausschuss in Florida aufgrund monatelanger Kampagnen rechter Aktivistengruppen wie Moms for Liberty (Mamas für die Freiheit) erlassen hat.
Bücher, die für „woke“ gehalten werden, gelten als „schädlich“
Laut dem Zensurgesetz können Lehrer:innen strafrechtlich belangt werden, wenn sie „wissentlich oder unwissentlich“ Zugang zu einem Buch gewähren, das als „schädlich für Minderjährige“ gilt. Darauf steht eine Geldstrafe oder auch eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Unter die Schädlichkeitsdefinition fällt jedes Buch, mit Darstellungen, die „überwiegend ein unzüchtiges, schändliches oder krankhaftes Interesse ansprechen“, das „offensichtlich anstößig“ ist und „ohne ernsthaften literarischen, künstlerischen, politischen oder wissenschaftlichen Wert für Minderjährige.“
Diese unbestimmten Begriffe können sehr unterschiedlich ausgelegt werden. Einige rechte Aktivistengruppen und rechte Politiker:innen in den ganzen USA versuchen, alle Bücher als „schädlich“ zu definieren, in denen LGBTQ-Charaktere oder -Themen vorkommen. In einigen Bundesstaaten haben Schulen Bücher verboten, die von schwarzen oder LGBTQ-Autor:innen geschrieben wurden. Diese wurden von rechten Aktivist:innen und Politiker:innen als „pornografisch“ bezeichnet.
Bildung von Schulkindern und Studierenden in den USA in Gefahr
Jen Cousins, Direktorin für Interessenvertretung und Öffentlichkeitsarbeit beim Florida Freedom to Read Project (Projekt Freiheit zu Lesen), sagt, die neuen Zensurregeln führten dazu, dass Lehrer:innen nach Stellen in anderen Bundesstaaten oder auch anderen Bereichen suchen. Sie hätten, so Cousins, eine „Scheißangst“ vor den Auswirkungen dieser Gesetze auf ihr Berufsleben.
Bereits im Januar wurden 17 Gesetzentwürfe in 13 US-Bundesstaaten eingebracht, die eine zivil- und strafrechtliche Verfolgung von Bibliothekar:innen, Pädagog:innen, Hochschullehrer:innen und Museumsfachleuten ermöglichen würden. Sollten diese Gesetze erlassen werden, befürchten Bibliothekar:innen und Menschen, die sich für Meinungsfreiheit einsetzen, dass die Fähigkeit von Millionen amerikanischen Schüler:innen und Studierenden selbstständig zu lesen und zu denken, eingeschränkt werde. (Johanna Soll)