Mysteriöse Beschwerden: Havanna-Syndrom macht den USA immer mehr zu schaffen

Zahlreiche CIA-Agent:innen klagen über Beschwerden des Havanna-Syndroms. In Wien ist die US-Botschaft betroffen. Die Spurensuche läuft bislang ins Leere.
Washington D.C. – Plötzliche Übelkeit, merkwürdige Kopfschmerzen und unerklärliche Symptome: Zahlreiche Mitarbeiter:innen der US-Regierung und seiner Behörden leiden offenbar weltweit an einem mysteriösen Krankheitsbild. Über die Ursache wird seit Jahren gerätselt, eine Erklärung gibt es allerdings noch nicht. Auch Mitarbeiter:innen der Central Intelligence Agency (CIA) sollen betroffen sein.
Wie CIA-Direktor William Burns am Donnerstag (22.07.2021) in einem Interview mit dem Radiosender NPR sagte, litten von den knapp 200 betroffenen US-Beamten 100 Mitarbeiter:innen des Auslandsgeheimdienstes sowie deren Familienangehörige unter dem sogenannten Havanna-Syndrom.
Das Phänomen wird als Havanna-Syndrom bezeichnet, da es erstmals in der kubanischen Hauptstadt festgestellt wurde. Dutzende in Havanna lebende Diplomaten und ihre Angehörige hatten ab 2016 über rätselhafte Kopfschmerzen, Hörverlust, Schwindel und Übelkeit geklagt. Die US-Regierung reagierte und dezimierte das Botschaftspersonal daraufhin deutlich.
CIA-Personal leidet unter Havanna-Syndrom: USA will Vorfälle schnell aufklären
William Burns, der von US-Präsident Joe Biden zum CIA-Chef ernannt wurde, sagte im Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Sender, er habe die Bemühungen seiner Behörde verstärkt, die Ursache des Syndroms zu finden und die Verantwortlichen zu ermitteln. Er bestätigte, dass er unter anderem einen hochrangigen Beamten, der einst den Terroristen Osama Bin Laden gejagt haben soll, zum Verantwortlichen einer Havanna-Syndrom-Taskforce gemacht habe. Außerdem habe er das medizinische Team deutlich aufgestockt.

Personen, die der CIA nahe stehen, könnten nun schneller im bestens ausgestatteten US-Militärkrankenhaus Walter Reed behandelt werden, erläuterte Burns und fügte hinzu: „Ich bin der Überzeugung, dass es eine tiefe Verpflichtung für jeden Vorgesetzten ist, sich um seine Leute zu kümmern.“ Die Beschwerden seiner Kolleg:innen wolle er daher nicht auf die leichte Schulter nehmen. „Ich bin sicher, dass das, was unsere Beamten (...) sowie andere Mitarbeiter der US-Regierung erlebt haben, real und ernst ist.“
Nicht nur CIA-Mitarbeiter:innen klagen über Havanna-Syndrom: Erneut US-Botschaft betroffen
In jüngster Zeit mehren sich zudem Berichte über Symptome des Havanna-Syndroms von Diplomaten der US-Botschaft in der österreichischen Hauptstadt. „Was Wien betrifft, so gehen wir in Abstimmung mit unseren behördenübergreifenden Partnern Berichten über mögliche unerklärliche Gesundheitsvorfälle in der dortigen Gemeinschaft der US-Botschaft energisch nach“, sagte Ned Price, Sprecher des US-Außenministeriums, am Montag (19.07.2021).
Für Aufsehen hatte vor einiger Zeit ein Vorfall auf US-amerikanischem Boden gesorgt. Konkret soll es um den Fall eines Mitarbeiters des Nationalen Sicherheitsrates gehen. Dieser habe auf dem Rasen auf der Südseite des Weißen Hauses plötzlich über auftretende Havanna-Symptome geklagt. Dass ein solcher Angriff möglicherweise so nah am Weißen Haus stattgefunden hat, wurde als deutliches Alarmsignal empfunden, hieß es aus Kreisen des Pentagons.
Alle Diplomaten weltweit seien aufgefordert, Symptome dieser Art der zuständigen Einheit in Washington zu melden, sagte Price. Das Ministerium würde sicherstellen, dass den Angestellten alles zur Verfügung stehe, um „sofortige und angemessene Versorgung und Hilfe“ zu erhalten. Er betonte, die US-Regierung habe „sehr aggressiv“ daran gearbeitet, die Ursachen der mysteriösen Zwischenfälle aufzuklären und die Gesundheit der Mitarbeiter:innen zu schützen.
Havanna-Syndrom: Bewusste feindliche Angriffe gegen die USA?
Im Jahr 2019 mutmaßten Forschende, dass die Symptome möglicherweise auf Pestizide zurückgehen. Andere Theorien sprachen von Mikrowellen-Strahlung feindlicher Geheimdienste – auch über Akustik-Attacken wurde diskutiert. Man wisse nicht, ob es sich bei diesen Vorfällen um eine Art feindliche Attacke handele oder was dahinterstecke, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, am Montag.
CIA-Direktor William Burns wurde dagegen konkreter. Es bestehe eine „sehr hohe Wahrscheinlichkeit“, dass das Havanna-Syndrom absichtlich verursacht werde. Als Verdächtigen nannte er Russland. Moskau hat die Vorwürfe bisher bestritten. (Tim Vincent Dicke mit dpa)