US-Millionen für besseres Klima

In der Debatte um Habecks Staatssekretär Patrick Graichen gerät der Einfluss eines Unternehmers aus Aspen in den Fokus. Doch Lobbycontrol winkt ab. Von Florian Holler und Jakob Milzner.
Nach den Filz-Vorwürfen kommen Robert Habeck (Grüne) und sein Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nicht zur Ruhe. Im Fokus stand zunächst Habecks Staatssekretär Patrick Graichen, der an der Auswahl des neuen Geschäftsführers der Deutschen Energie-Agentur (Dena), Michael Schäfer, beteiligt war, obwohl dieser als sein Trauzeuge fungierte.
In diesem Zusammenhang berichtete Ende der vergangenen Woche nun die „Bild“-Zeitung über den Einfluss des US-Umweltlobbyisten Hal Harvey. Dieser stehe hinter „Graichen & Co.“, hieß es in der „Bild“.
Fest steht: Agora Energiewende, dessen Chef Patrick Graichen war, ist ein bestens finanzierter und vernetzter Thinktank. Laut Eigenaussage besteht sein Ziel darin, „wissenschaftlich fundierte und politisch umsetzbare Wege“ zu erarbeiten, „damit der Weg in Richtung Klimaneutralität gelingt“. Nicht nur für Graichen ging es von Agora Energiewende auf den Posten als Staatssekretär. Ähnlich lief das schon bei Graichens Vorgänger als Direktor des Vereins, Rainer Baake. Zweimal war Baake Staatssekretär. Zwischendurch war er Direktor bei Agora Energiewende, heute ist er Direktor der Stiftung Klimaneutralität.
Beide Vereine – Agora Energiewende und die Stiftung Klimaneutralität – wurden von Hal Harvey mitgegründet und werden von einem Netz aus anderen Stiftungen und Lobbyvereinen finanziert, an denen Harvey ebenfalls in vielen Fällen beteiligt ist.
Ihre Einnahmen macht Agora Energiewende auf seiner Webseite transparent und schlüsselt auch die Geldgeber auf. Knapp 19 Millionen Euro nahm der Thinktank demnach im letzten Jahr ein.
Geld gab es dabei auch vom Staat: Gut drei Millionen Euro zahlten 2022 mehrere Ministerien an Agora Energiewende. Mehr als die Hälfte kam von Habecks Wirtschafts- und Klimaschutzministerium. Allerdings bekam der Thinktank auch in den Jahren 2019 bis 2021, als Peter Altmaier von der CDU noch Wirtschaftsminister war, schon jeweils knapp eine Millionen von dem Ministerium. Die Verbindungen in die Politik sind auch sonst zahlreich. Im „Rat der Agora“, dem zentralen Beratungsgremium des Vereins, kommen Abgeordnete und Staatssekretäre aus unterschiedlichen Ministerien und Parteien zusammen. So wie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Julia Verlinden, oder der Staatsekretär im Entwicklungsministerium, Jochen Flasbarth von der SPD. Auch Abgeordnete von FDP und CDU sitzen in dem Gremium.
Finanziert wird der Verein jedoch maßgeblich von der „Climate Imperative Foundation“, dem „Aspen Global Change Institute“ und der „European Climate Foundation“, die im letzten Jahr zusammen mehr als 12 Millionen Euro gespendet haben sollen. Allesamt Stiftungen, die von Hal Harvey mitinitiiert wurden oder denen er vorsteht.
Alles bereits bekannt
Vom Ingenieur für Energieplanung mit Stanford-Abschluss zu einem der einflussreichsten Lobbyisten für Klima- und Umweltschutz weltweit: So lässt sich der Werdegang des 1961 in Aspen, Colorado, geborenen Hal Harvey in Kürze zusammenfassen. Im Rahmen seines mittlerweile mehr als drei Jahrzehnte währenden Engagements hat der US-Amerikaner nicht nur diverse Stiftungen und Denkfabriken gegründet oder geleitet.
Die Darstellung Hal Harveys in der „Bild“-Zeitung sei zwar weitgehend korrekt, erklärte Timo Lange vom Verein Lobbycontrol, der sich für mehr Transparenz in der politischen Interessenvertretung einsetzt, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Zugleich ist es bemerkenswert, dass diese bereits bekannten Informationen genau jetzt prominent platziert werden“, so Lange. „Das muss auch im Zusammenhang mit der scharfen Kritik aus Opposition und verschiedenen Lobbyverbänden am aktuell diskutierten Gebäudeenergiegesetz gesehen werden.“ Auch müsse man das Engagement von Hal Harvey mit den Lobby-Aktivitäten anderer Akteure ins Verhältnis setzen. „Hier finanziert eine Einzelperson Anliegen, die dem Klimaschutz dienen sollen“, schreibt Timo Lange, „während Konzerne zugleich noch deutlich mehr Geld einsetzen, um ihre Geschäftsinteressen durchzusetzen.“ (mit FR)