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US-Agenten nehmen Spitzen-Militär fest

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Von: Johannes Dieterich

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Kokain-Pakete werden in Liberia zersägt und verbrannt.
Kokain-Pakete werden in Liberia zersägt und verbrannt. © rtr

Ein Admiral aus Guinea-Bissau soll in den Kokaintransport nach Europa verwickelt sein. In einer spektakulären Aktion auf hoher See nimmt die US-Antidrogenbehörde DEA eine Schlüsselfigur des internationalen Kokainhandels fest.

Admiral José Américo Na Tchuto, ehemaliger Stabschef der Marine von Guinea-Bissau, wurde inzwischen nach New York geflogen, wo ihm und sechs seiner Helfershelfer jetzt der Prozess gemacht wird. Die US-Agenten hatten es auch auf Antonio Indjai, den amtierenden Chef der bissauischen Streitkräfte, abgesehen: Der General entging dem Netz der Drogenjäger jedoch in letzter Minute. Gegen ihn wurde inzwischen ein internationaler Haftbefehl erlassen.

Er werde nur mal kurz einkaufen gehen, waren die letzten Worte, die Na Tchutos Ehefrau zu hören bekam. Zwei Tage später wurde der in seiner Heimat als Bubo bekannte Admiral rund tausend Kilometer weiter westlich auf einer Jacht, die vor den Kapverden in internationalen Gewässern kreuzte, von DEA-Agenten aufgegriffen. Von den Kapverden aus wurde Na Tchuto dann nach New York geflogen. Die Einzelheiten der Aktion auf See werden bisher unter Verschluss gehalten.

Die Drogenfahnder hatten die Operation bereits seit August vorbereitet. Sie gaben sich als Mitglieder eines lateinamerikanischen Kartells aus, das vier Tonnen Kokain mit einem Marktwert von mehr als 400 Millionen Dollar nach Europa bringen wolle. Indjai und Na Tchuto bissen an.

Was weiß Guinea-Bissaus Staatschef?

Die Offiziere hätten den Deal gutgeheißen und die üblichen 13 Prozent Provision gefordert, sagten die DEA-Agenten bei einem Gerichtstermin in New York aus. Das Kokain sollte in einer Lieferung von Uniformen versteckt werden: In der Gegenrichtung wollte man Waffen für die Farc-Rebellen – darunter Boden-Luft-Raketen – nach Kolumbien verfrachten, so die Fahnder.

Zusätzliche Brisanz bekommt der Fall, weil möglicherweise selbst Guinea-Bissaus Staatschef, Manuel Serifo Nhamadjo, in den Deal verstrickt sein könnte. Indjai habe gegenüber den DEA-Agenten angekündigt, er werde den Plan auch mit dem Präsidenten besprechen, teilte die Drogenfahnder vor Gericht mit.

Nhamadjo hielt sich Anfang April zu ärztlichen Untersuchungen in Deutschland auf: Er soll an Diabetes leiden. Der vor einem Jahr durch einen Putsch an die Macht gekommene Staatschef wurde von der deutschen Justiz allerdings nicht behelligt: Es liege kein internationaler Haftbefehl gegen Nhamadjo vor, hieß es in Berlin. Die Botschaft des westafrikanischen Kleinstaates wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern.

Experten betrachten Guinea Bissau seit geraumer Zeit als Drogen-Staat. Das Militär, das das Land und seine anderthalb Millionen Einwohner beherrscht, sei bis in die höchsten Ränge in die illegalen Geschäfte verwickelt, sagen Drogenexperten: Die Wirtschaft des Landes ranke sich um den Drogenhandel. In den knapp 40 Jahren ihrer Unabhängigkeit wurde die frühere portugiesische Kolonie von zahlreichen Coups erschüttert – kein Präsident hat bislang eine volle Amtsperiode durchgehalten. In den bislang letzten Umsturz im April 2012 sollen sowohl Streitkräftechef Indjai wie Admiral Na Tchuto verwickelt gewesen sein.

Militär und Islamisten als Mittelsmänner

Hauptmotiv für die Machtkämpfe innerhalb der herrschenden Elite war in jüngster Zeit stets der Kampf um die Beherrschung des Drogenhandels. Mit seinen zahlreichen vorgelagerten Inseln und riesigen Mangrovensümpfen gilt Guinea-Bissau als ideales Terrain für den Umschlag des Rauschgifts. Von hier aus wird das Kokain entweder auf dem Landweg durch die Sahara ans Mittelmeer oder per Schiff auf dem Atlantik nach Europa gebracht.

„Highway 10“ nennen Experten die Handelsroute, die entlang dem 10. Breitengrad von Kolumbien über Venezuela nach Westafrika führt. Auf ihr wird mehr als ein Drittel der rund 170 Tonnen Kokain befördert, die Europäer im Jahr konsumieren. Nach Schätzungen des UN-Büros für Drogen und Verbrechensbekämpfung (UNODC) werden über den „Highway 10“ jährlich Drogen im Wert von 1,25 Milliarden Dollar umgeschlagen.

Neben dem Militär von Guinea-Bissau zählten bis vor kurzem auch militante Islamisten wie die in Algerien entstandene Terrorgruppe Al-Kaida im Maghreb (Aqim) zu den Mittelsmännern. Für den ungestörten Transport des Kokains durch die Sahara an die Mittelmeerküste hätten die Dschihadisten zehn Prozent des Kokainwerts gefordert, erklärt der französische Islamforscher Mathieu Guidère. Gegen zusätzliche Bezahlung hätten sie auch für bewaffneten Schutz der Karawanen gesorgt. Frankreichs militärische Intervention in Mali hat diese Route nun jedoch unterbrochen: „Der französische Eingriff brachte den Handel mit Drogen, Flüchtlingen und Waffen dort praktisch zum Erliegen“, sagt Guidère.

Umschlagplatz Westafrika

Trotzdem bleibt Westafrika ein wichtiger Umschlagplatz. Kaum ein Berufsstand auf der Welt sei so anpassungsfähig wie die Schmuggler, sagt der französische Kriminologe Xavier Raufer. „Die Drogenkartelle haben immer schon Alternativen vorbereitet, bevor irgendwo ein Problem auftaucht.“ In der 40-jährigen Geschichte des Kokainhandels zwischen Lateinamerika und Europa sei die Verbindung noch kein einziges Mal komplett abgerissen. Die Kartelle wichen derzeit in Richtung Osten aus, sagen Experten: Als Umschlagplätze seien Angola und die Republik Kongo im Kommen.

Die Erschließung neuer Routen mag wegen längerer Wege teurer sein. Für die Drogenkartelle sei das allerdings kein Problem, sagt Raufer: „Die Gewinnspannen sind dermaßen hoch, dass solche Mehrkosten nicht ins Gewicht fallen.“ Auch gelegentliche Fahndungserfolge wie im Fall Na Tchuto bringen die Kartelle nicht wirklich in Bedrängnis. Einer vom US-Kongress in Auftrag gegebenen Studie zufolge wird pro hundert Dollar geschmuggelten Kokains höchstens der Gegenwert von 25 Cent beschlagnahmt.

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