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Putin soll Taktik im Ukraine-Krieg wechseln – Droht ihm der Kontrollverlust?

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Von: Stefan Krieger

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Hinsichtlich der erwarteten Gegenoffensive der Ukraine sieht sich Russlands Präsident Wladimir Putin immer stärkerem Druck seiner eigenen Verbündeten ausgesetzt.

Kiew – Ukrainische Truppen sind nach Analysen westlicher Experten im teilweise befreiten Gebiet Cherson nun auch auf die bisher von russischen Besatzern kontrollierte Uferseite des Flusses Dnipro vorgestoßen. Aus veröffentlichten Geodaten und Texten russischer Militärblogger gehe hervor, dass die ukrainischen Streitkräfte Positionen am linken oder Ostufer im Gebiet Cherson eingenommen hätten, teilte das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) mit. Unklar seien aber das Ausmaß und die Ziele dieser erstmals so registrierten Erfolge Kiews im Ukraine-Krieg.

Bei einer ukrainischen Offensive im Herbst hatten sich die russischen Militärs aus der Gebietshauptstadt Cherson und Teilen der Region komplett vom Westufer des Dnipro zurückgezogen. Ziel war es gewesen, einen Vorstoß der ukrainischen Truppen auf die andere Uferseite zu verhindern.

Ukraine-Krieg: Kontrollverlust des Kreml in der Region

Die neue Entwicklung würde auf einen Kontrollverlust der russischen Einheiten in der Region hinweisen. Demnach könnten sich die russischen Besatzer nur noch auf Städte konzentrieren. Die ISW-Experten sehen unter Berufung auf russische Blogger, die das eigene Militär auch immer wieder kritisieren, bereits solide Versorgungslinien zu den Positionen der ukrainischen Streitkräfte.

Kremlchef Wladimir Putin
Kremlchef Wladimir Putin soll nach Empfehlung seiner Militärs im Krieg gegen die Ukraine die Taktik wechseln. © GAVRIIL GRIGOROV/afp

Das ukrainische Militär wollte die ISW-Angaben zunächst weder dementieren noch bestätigen. „Die sehr schwere Arbeit geht weiter“, sagte eine Sprecherin. Die Lage an dem riesigen Fluss sei kompliziert. Solche Operationen bräuchten keinen „Informationslärm“, sondern Ruhe. Sie riet den ISW-Experten zur „Geduld“.

Die Ukraine hatte stets erklärt, alle von russischen Truppen besetzten Gebiete befreien zu wollen. Vom Gebiet Cherson aus wäre bei einer Eroberung der Region der Weg für die ukrainische Armee frei zu der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

Die Experten des ISW gehen zudem davon aus, dass das russische Militär mit Empfehlungen, sich auf eine Verteidigung von Stellungen zu konzentrieren, nicht zu Kremlchef Wladimir Putin durchdringt. Statt sich vor dem Hintergrund der geplanten ukrainischen Großoffensive auf das Sammeln von Kräften zu konzentrieren, gebe es immer wieder verlustreiche Angriffe, die kaum Gebietsgewinne brächten, hieß es.

„Dass weiter auf russischen Offensiven im Osten der Ukraine bestanden wird, lässt darauf schließen, dass die Gruppe, die den Krieg entlang der aktuellen Frontlinien einfrieren will, Putin nicht vollends von ihrer Sichtweise überzeugt hat“, hieß es in der Analyse.

Die ISW-Experten vermuten, dass sich das Verteidigungsministerium in Moskau zuletzt auch deshalb immer wieder offen mit dem Chef der russischen Privatarmee Wagner arrangierte, um über ihn zu Putin vorzudringen. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin gilt als enger Vertrauter Putins – und als Mann offener Worte.

Kreml soll die Invasion in der Ukraine in eine defensive Operation umwandeln

Das ISW erklärte, die russische Militärführung versuche wahrscheinlich, „Putin von der Realität des Krieges zu überzeugen“ und ihn dazu zu bewegen, „sich defensiven Operationen zuzuwenden“. Das ISW verwies auch auf Äußerungen von Jewgeni Prigoschin, der am 21. April sagte, Russland müsse sich „so verankern, dass es nur mit den Krallen des Gegners möglich ist, [die russischen Streitkräfte aus ihren Stellungen] herauszureißen“.

In der Analyse heißt es weiter: „Prigoschins Aufrufe zur Verstärkung der russischen Verteidigung in den besetzten Gebieten und seine häufigen Diskussionen über die Aussichten auf ukrainische Gegenangriffe sind bemerkenswert, da sie darauf hindeuten, dass er versucht, eine Diskussion der russischen Verantwortlichen herbeizuführen.“

Ukraine-Krieg - Archanhelske
Ein zerstörter russischer Panzer steht am Rande von Iwaniwka, einem von der ukrainischen Armee nach der russischen Besetzung befreiten Dorf in der Provinz Cherson. © Celestino Arce Lavin/dpa

Das ISW stellte fest, dass die russischen Streitkräfte auf Wehrpflichtige zurückgreifen, um die Krim zu verteidigen, und „möglicherweise planen, andere Ressourcen vorzubereiten, um sicherzustellen, dass Russland einige Linien beibehalten kann, wenn die mögliche ukrainische Gegenoffensive ihren Höhepunkt erreicht hat“.

Das ukrainische Militär hatte in der Vergangenheit erklärt, die Halbinsel sei „bereits ein Schlachtfeld“, obwohl sie im Süden weit hinter den feindlichen Linien liegt. (skr/dpa)

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