Unregistrierte Waffen und ein Hungerstreik: Es bedarf weitere „Reichsbürger“-Ermittlungen

Auch Monate nach den „Reichsbürger“-Festnahmen tappen die Behörden im Dunkeln. Die Zahl der Beschuldigten steigt. Und einer will sich jetzt auch noch zu Tode hungern.
Frankfurt – Die Ermittlungen im Zusammenhang mit Umsturzplänen gegen selbst ernannte „Reichsbürger“ ziehen immer weitere Kreise. Inzwischen ermittelt der Generalbundesanwalt (GBA) in diesem Komplex in vier Verfahren gegen insgesamt 64 Beschuldigte. Diese Zahl wurde der Frankfurter Rundschau am Donnerstag (4. Mai) von einer Sprecherin des GBA bestätigt. Vor drei Monaten war die Zahl der Beschuldigten noch mit 55 angegeben worden.
Ermittelt wird unter anderem wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung mit dem Ziel, die demokratische Ordnung in Deutschland umzustürzen. Nach wie vor sitzen 23 Personen in Haft – darunter der ehemalige Bundeswehr-Offizier Maximilian Eder, der in Hungerstreik getreten ist, um seine Entlassung aus der Untersuchungshaft zu erreichen.
Nach der Großrazzia im vergangenen Dezember gegen die Gruppe um den Frankfurter Immobilien-Kaufmann Heinrich XIII Prinz Reuß hatte es im März weitere Durchsuchungen gegeben. Die Behörden sprachen seinerzeit von fünf weiteren Beschuldigten. Außerdem schoss ein Mann in Reutlingen, der als Zeuge geführt wurde, auf Beamte. Gegen ihn wird in einem gesonderten Verfahren ermittelt.
Anfrage der Linken: Es herrscht Unklarheit über Waffen der „Reichsbürger“
Die Bundesregierung hat jetzt in ihrer Antwort auf Fragen der Linken, die der Frankfurter Rundschau vorliegt, weitere Einzelheiten bekannt gegeben. Danach verfügten zwölf Beschuldigte und zehn weitere Personen, die für das Verfahren relevant sind, über waffenrechtliche Erlaubnisse. Unklar ist trotzdem, welche Waffen die „Reichsbürger“ legal besaßen. Eigentlich soll das aus dem Nationalen Waffenregister hervorgehen. Die Bundesregierung schreibt jedoch, der „genaue Umfang der Eintragungen im Nationalen Waffenregister“ sei „noch Gegenstand weiterer Ermittlungen“.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner zeigte sich darüber sehr verwundert. Es sei „nicht nachvollziehbar, dass es laut Bundesregierung nicht möglich ist, innerhalb von sechs Monaten die Anzahl der im Nationalen Waffenregister registrierten Waffen abzufragen und mit dem Kreis der Beschuldigten sowie Zeuginnen und Zeugen abzugleichen“, kommentierte sie und folgerte: „Die Bundesregierung macht sich hier unglaubwürdig.“
Nach Angaben der Regierung wurden bei den Durchsuchungen im Dezember 142 „mutmaßliche Schusswaffen“ sichergestellt, im März „mindestens 15“ sowie eine „noch nicht abschließend geklärte Anzahl“ bei dem Mann, der auf die Polizisten geschossen hatte. Ohnehin sei „eine abschließende Bewertung, ob es sich bei einzelnen Gegenständen um legale oder illegale Waffen oder bloße Attrappen handelt“, noch nicht möglich.
Die Zahl der Beschuldigten steigt: Mehrere „Reichsbürger“ mit Militärvergangenheit
Zu den Beschuldigten zählt der 64-jährige ehemalige Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder aus Bayern. Er war im Dezember in Italien festgenommen und von dort ausgeliefert worden. Seit Februar saß er im Gefängnis von Landshut in Untersuchungshaft. Dort begann er Mitte April einen Hungerstreik, um seine Entlassung durchzusetzen. Inzwischen soll er Medienberichten zufolge ins Gefängnis München-Stadelheim gebracht worden sein, wo es eine Krankenstation gibt.
Er ist nicht der einzige Beschuldigte mit Erfahrung im Militär. Bezüge zur Bundeswehr haben nach Angaben der Regierung insgesamt 44 Personen, die in den Verfahren eine Rolle spielen – wobei dazu auch Personen gezählt werden, die vor langer Zeit ihren Grundwehrdienst abgeleistet haben. Vier Beschuldigte und zwei weitere Personen in dem Ermittlungskomplex seien entweder bei der Polizei beschäftigt oder früher dort tätig gewesen.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass zwei Personen aus dem Verfahrenskomplex, darunter ein Beschuldigter, Mitglieder des Vereins „Polizisten für Aufklärung“ sind. Dieser Verein gilt als Sammelbecken der Szene, die sich gegen Corona-Schutzimpfungen und andere Maßnahmen gewandt hatte.
„Es wird deutlich, dass sich die extrem rechten Netzwerke mit Umsturzplänen weit in Parteien wie AfD und ,Die Basis’, das ,Querdenken’-Milieu und verschwörungsideologische Organisationen erstrecken“, stellt die Linken-Politikerin Renner fest. Aus lockeren Zusammenhängen und Demonstrationskontexten erwüchsen „straffe militärische Strukturen unter Beteiligung ausgebildeter Soldaten und Polizisten, die sich gegen die Demokratie stellen“. (Pitt von Bebenburg)