UN-Konferenz: So dramatisch ist die weltweite Wasserkrise

Drei Tage UN-Wasserkonferenz in New York, 10.000 Teilnehmer, aber so gut wie keine konkreten Beschlüsse. Experte Harald Kunstmann fordert eine enge Abstimmung zwischen Politik und Wissenschaft.
Dieser Text liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Africa.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Africa.Table am 28. März 2023.
Sauberes und sicheres Trinkwasser ist für Entwicklungsländer ein zentrales Thema. Nicht nur, weil es knapp ist, sondern weil Probleme in der Verteilung und im Wassermanagement immer öfter zu Konflikten führen. Dabei machen die rasanten Auswirkungen des Klimawandels Druck auf die Staaten, zusammenzuarbeiten, um die lebenswichtige Ressource fair zu verteilen.
Eine Reise an die Grenze zwischen Äthiopien und Sudan zeigt, wo große Konfliktpotenziale herrschen, aber auch wie die Wissenschaft bei der Lösung dieser Konflikte helfen kann. Seit Jahren streiten die Nil-Anrainerstaaten Äthiopien, Ägypten und Sudan um das Milliardenprojekt GERD. Wenn die Talsperre Grand Ethiopian Renaissance in ein bis zwei Jahren fertig ist, soll das Wasser des Blauen Nils durch 15 Turbinen rauschen und Äthiopien zu einem der großen Stromerzeuger in der Region aufsteigen lassen.
Den Menschen im Sudan und in Ägypten macht der Staudamm Sorgen. Sie sind auf Wasser aus dem Nil angewiesen. Ägypten bezieht 90 Prozent seines Wasserbedarfs aus dem 6650 km langen Fluss. Wie viel aus dem Blauen Nil künftig nach Ägypten fließt, liegt dann in der Hand Äthiopiens.
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Afrika: Sichere Wasserversorgung hat viele Aspekte
Der Nilstreit zeigt, wie eng Nutzung von Ressourcen, Nachhaltigkeit und Konfliktmanagement miteinander verknüpft sind. Und der Kampf um die Ressource Wasser wird zunehmen, besonders in Afrika, dessen Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten besonders schnell wachsen wird. Bis 2100 dürfte die Zahl der Menschen auf dem Kontinent von 1,4 auf mehr als vier Milliarden Menschen wachsen. Das zu verteilende Wasser muss deshalb klug genutzt werden. Die Wissenschaft kann inzwischen wertvolle Methoden für die Praxis liefern.
Ein Beispiel sind ausgeklügelte Beobachtungs- und Vorhersagesysteme, die Wasserexperte Harald Kunstmann vom Karlsruher Institut für Technologie mit seinem Team entwickelt. Sie sollen helfen, die immer kürzer werdenden Regenphasen in vielen afrikanischen Ländern besser für die Landwirtschaft zu nutzen. Für die Erfassung des landesweiten Regens nutzen er und sein Team unter anderem das Handynetz und ein physikalisches Phänomen, das die Betreiber von Mobilfunknetzen eher stört: Regentropfen dämpfen nämlich Mobilfunksignale, und das schon bei kleinen Schauern. Für Wasserforscher Kunstmann lässt sich daraus berechnen, wie viel Niederschlag zwischen zwei Sendemasten niedergeht. Tausende solcher Masten dienen so zur Quantifizierung des Regens landesweit, und das in Gegenden, in denen es meist keine oder nur sehr wenige klassische Niederschlagsmessungen gibt.
Neue Vorhersagemodelle helfen Bauern
Extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Dürren dominieren normalerweise die Nachrichten. Doch die eher unscheinbaren Klimaänderungen sind genauso ernst: In Ghana und Burkina Faso etwa hat sich der Beginn der Regenzeit in den vergangenen 40 Jahren um mehr als einen Monat nach hinten verschoben. Das traditionelle Wissen um den besten Zeitpunkt der Aussaat ist damit praktisch wertlos geworden. Entscheidend ist nämlich, dass nach den ersten Regentropfen auch am Ende der Trockenzeit ausreichend Niederschlag fällt, damit das Saatgut und die Jungpflanzen nicht verdorren. Für die Bauern liefern die neu entwickelten Vorhersagesysteme nun bis zu sieben Monate im Voraus wichtige Informationen darüber, wann es sehr heiße, trockene oder feuchte Perioden geben wird.
Auf seine riesigen Wasserreserven kann Afrika nur bedingt setzen, denn häufig findet sich die Ressource nicht dort, wo die Menschen leben. Berechnungen zufolge verfügt Afrika zwar über 600.000 Kubikkilometer Grundwasser, rund 30-mal so viel wie in einem Jahr auf dem gesamten Kontinent durch Regen zusammen kommt. Das große Problem aber ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser. In den gewaltigen Strömen wie Nil, Kongo, Niger und fast 700 afrikanischen Seen ist das Wasser oft verschmutzt, mit Keimen und Krankheitserregern kontaminiert und zudem sehr ungleich verteilt. In ländlichen Regionen sind es oft viele Kilometer bis zur nächsten Wasserstelle. Und wenn viel mehr Grundwasser abgepumpt wird, als sich neu bilden kann, führt das zu fallenden Grundwasserpegeln oder in Küstennähe zu Versalzung. Ohne klare Vorgaben der Wissenschaftler verschlimmert das Abpumpen von Grundwasser die Situation.
Eines der bedrohlichsten Probleme sieht der Karlsruher Wasserexperte Kunstmann aber an ganz anderer Stelle. Wasserzugang ist Macht, und mit Geld lässt sich diese Macht in Afrika gut erreichen. Der Zugang zur kostbaren Ressource Wasser muss nach Kunstmanns Meinung vor dem Profitstreben privater Akteure und Unternehmen geschützt werden, sonst droht der Wasserversorgung der afrikanischen Bevölkerung weitere Gefahr. (Harald Prokosch)