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100 Milliarden Euro für die Klimarettung – Diese Ziele sollen noch 2023 erreicht werden

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Annalena Baerbock beim Petersberger Klimadialog
Annalena Baerbock beim Petersberger Klimadialog © M. Popow/IMAGO

Nach zwei Tagen vertraulicher Gespräche beim „Petersberger Klimadialog“ wird deutlich, wo auf der COP28 Fortschritt und Streit warten werden: bei Finanzen, Erneuerbaren und dem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen.

Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 04. Mai 2023.

Zur Halbzeit zwischen der COP27 in Ägypten und der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) zeichnet sich ab, in welchen Bereichen bei der nächsten UN-Klimakonferenz Kooperation möglich und Konfrontation sicher ist. Beim 14. „Petersberger Klimadialog“, der am 2. und 3. Mai im Auswärtigen Amt in Berlin stattfand, loteten hochrangige Vertreter der wichtigsten 40 Staaten die Spielräume für Fortschritt bei der COP28 in Dubai aus. Gleichzeitig kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Treffen an, Deutschland werde bei der 3. Auffüllungsrunde für den Green Climate Fund (GCF) der UN im Oktober seinen Anteil auf zwei Milliarden Euro erhöhen.

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Drei heiße Eisen für den Weg nach Dubai

Nach den öffentlichen Reden und den internen Gesprächen zeigen sich vor allem drei Themen, um die sich die Diskussionen bei der COP28 drehen werden:

Die 100 Milliarden sollen 2023 endlich erreicht werden

Bewegung gibt es zumindest teilweise beim Thema Finanzen: Zu Beginn der Konferenz hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock eine „gute Nachricht“ verkündet: Die Industriestaaten seien „auf dem Weg, in diesem Jahr endlich das Ziel von 100 Milliarden Dollar für die Klimafinanzierung einzuhalten“. Am Tag zuvor hatten sich deutsche und kanadische Verhandler mit anderen Geberländern beraten – sie gehen davon aus, dass das Ziel 2023 erreicht wird.

Diese Summe an privatem und öffentlichem Kapital hatten die reichen Länder allerdings bereits ab 2020 versprochen und bisher nicht erreicht. Baerbock und Scholz erneuerten das Versprechen der Bundesregierung, die Klimafinanzierung bis spätestens 2025 auf mindestens sechs Milliarden Euro anzuheben – also auf einen Pfad, der sich im aktuell umstrittenen Bundeshaushalt nicht abzeichnet. Und Kanzler Scholz erhöhte mit seiner Zusage von zwei Milliarden für den GCF den Druck auf die anderen Geberländer, in der dritten Runde der Auffüllung ebenfalls ihre Taschen weiter zu öffnen. Die Gelder seien „heute wichtiger denn je“, so Scholz.

Konsens: Erneuerbaren-Ausbau verdreifachen

Der Kanzler unterstützte auch den Vorstoß seiner Außenministerin für ein globales Ziel für Erneuerbare und Energieeffizienz. Baerbock und auch Sultan Al Jaber betonten, für die Einhaltung der Klimaziele müsse sich das Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren verdreifachen. Bereits im März hatte die IRENA gemahnt, der globale Ausbau der Erneuerbaren pro Jahr von derzeit etwa 300 Gigawatt müsse sich auf etwa 1.000 Gigawatt verdreifachen. Und die Klima-Staatsekretärin im Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan, hatte schon damals ein solches Ziel unterstützt.

Dissens: Raus aus Fossilen oder nur aus Emissionen?

Petersberg zeigte aber auch deutlich eine Konfliktlinie unter den Staaten: Einerseits fordern viele Länder, Umweltgruppen und Forscher einen schnellen Ausstieg aus den fossilen Energien. Auf der COP27 gab es sogar eine Mehrheit von etwa 80 Staaten für einen indischen Vorschlag, die Fossilen zu reduzieren. Dagegen betonte Al Jaber, Industrieminister seines Landes und Chef des staatlichen Öl- und Gaskonzerns ADNOC, mehrfach und sehr deutlich, man müsse auch in großem Maßstab auf CCS setzen. CCS müsse „kommerziell machbar“ werden, so Al Jaber. Er hat sich schon früher dafür starkgemacht, dass es eine Zukunft für die fossilen Brennstoffe mit dem geringsten CO₂-Ausstoß geben solle. Nach eigenen Angaben ist die Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), der Öl- und Gasproduzent mit dem weltweit geringsten CO₂-Fußabdruck.

Al Jaber sei zwar als COP-Präsident darauf aus, die Sichtweise aller Länder vorkommen zu lassen. Aber: „Es muss immer darum gehen: Die Emissionen auslaufen zu lassen, mit existierenden und neuen Technologien. Die Welt muss sich mit den Realitäten abfinden. Fossile Brennstoffe werden auch weiterhin eine Rolle spielen, um die globale Energienachfrage zu befriedigen. Unser Ziel sollte es sein, Emissionen aus allen Sektoren auslaufen zu lassen, sei es Öl und Gas oder hoch emittierende Industrien. Alle Anstrengungen und Investitionen sollten in Erneuerbare und saubere Technologien fließen.“

Front zwischen Ölstaaten und Aussteiger-Ländern   

Dieser Vorschlag kann vor und auf der COP noch für viel Unruhe sorgen. Für die Ölländer wie die VAE, Saudi-Arabien, aber auch die USA sind Investitionen in CCS eine Möglichkeit, ihre Einnahmen aus Öl und Gas zu verlängern. Es müsse jetzt aber deswegen „Allianzen gegen diesen Vorstoß“ gebildet werden, so Christoph Bals von Germanwatch. „CCS wird für die Senkung der Emissionen um 43 Prozent bis 2030, wie es die Wissenschaft fordert, kaum eine Rolle spielen. Wir müssen aus den Fossilen aussteigen.“

Enttäuschung über VAE: Kein Fahrplan, kein Geld

Enttäuscht zeigten sich einige Delegierte davon, dass Sultan Al Jaber bei dem Treffen keinen konkreten Fahrplan zur und auf der COP vorlegte. Auch zu einer möglichen finanziellen Beteiligung an dem neuen „Loss and Damage“-Fond gab es nach Angaben von Teilnehmern keine Erklärung. Al Jaber versprach nur allgemein, die COP werde einen „Aktionsplan für transformative Ergebnisse“ liefern, die auf einer verhandelten Antwort auf die Bestandsaufnahme im „Global Stocktake“ beruhten. Man brauche starke Ergebnisse bei allen Mandaten:

All diese Aufgabe seien nicht einfach, denn „die Erwartungen sind sehr hoch, das Vertrauen ist sehr gering“, so Al Jaber. Ob es wieder wächst im Streit um fossilen Ausstieg oder CCS-getriebene Laufzeitverlängerung der Fossilen, wird womöglich über den Erfolg der COP28 entscheiden. (Bernhard Pötter)

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