Umweltprotest macht Serbiens Staatschef Vucic nervös

Zehntausende gehen gegen geplantes Lithiumbergwerk auf die Straße - und gegen den autokratischen Präsidenten.
Die Trillerpfeifen und Sprechchöre überdröhnten das Hupen der im Demonstrationsstau gestrandeten Autos. Nicht nur in Serbiens Hauptstadt Belgrad zog eine große Menschenmenge über die Stadtautobahn: Landesweit blockierten Zehntausende Demonstrant:innen an über 50 Orten erneut Autobahnen, Haupt- und Fernstraßen.
Die Proteste richten sich gegen ein geplantes Lithiumbergwerk des australisch-britischen Konzerns Rio Tinto und gegen neue Enteignungs- und Referendumsgesetze, die diesem den Weg ebnen sollen. Als „großen Sieg aller Bürger“ würdigten Umweltschutzgruppen die Proteste: Serbien habe klar gezeigt, dass es „keine Gesetze will, die Schaden bringen, und keine Bergwerke und Fabriken, die das Land zerstören“.
Unterstützung erhält Serbiens wachsende Ökobewegung überraschend vom populärsten und erfolgreichsten Sportler des Landes. „Saubere Luft, Wasser und Nahrung sind die Schlüssel für die Gesundheit“, so die Instagram-Botschaft vom Tennis-Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic unter dem Foto der Belgrader Proteste: „Die Umwelt ist unsere Mutter.“
Wie am Wochenende zuvor, als in der Stadt Sabac offenbar von der regierenden SNS engagierte Schläger mit Stangen und Hämmern auf Demonstrant:innen einschlugen, wurden die weitgehend friedlichen Proteste erneut von Zwischenfällen überschattet. In Belgrad bewarfen maskierte Hooligans die Demonstrierenden von einer Brücke mit brennenden Fackeln. Die Journalistengewerkschaft UNS klagte über mehrere Hooliganattacken gegen Reporter, die über die Proteste berichteten. In Novi Sad verprügelten wütende Protestierende Hooligans, die sie mit Steinen beworfen hatten.
Signale des Einlenkens
Die Proteste hätten „nichts mit Ökologie zu tun“, ärgerte sich derweil Regierungschefin Ana Brnabic (SNS). Tatsächlich ziehen viele Serb:innen auch gegen Korruption, Mafiamachenschaften und Presseknebelung im faktischen Einparteienstaat des autoritär gestrickten Staatschefs Vucic auf die Straßen. Wenige Monate vor den Parlaments-, Präsidentschafts- und Belgrader Kommunalwahlen kommt dem immer selbstherrlicher wirkenden Präsidenten der Volksaufstand gegen das umstrittene Lithiumbergwerk reichlich ungelegen.
Die meist regierungsnahen Umfrageinstitute sehen ihn und die SNS zwar weiter klar vorn. Doch zumindest in Belgrad droht seiner SNS, das Rathaus und damit wichtige Finanzquellen verlieren. Er verspreche, mit Rio Tinto zu sprechen, gelobte Vucic am Wochenende: „Es darf nicht nur um Profit, sondern es muss auch um das Leben der Menschen gehen.“