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Umstrittene Wahlen

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Von: Stefan Scholl

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Schön transparent, aber das Ergebnis stand schon vorher fest: eine Wählerin in Donezk.
Schön transparent, aber das Ergebnis stand schon vorher fest: eine Wählerin in Donezk. © rtr

Bei der Abstimmung in den ostukrainischen Rebellenrepubliken geht es auf sowjetische Weise vor allem um die Beteiligung.

Der Beobachter aus Deutschland war gerührt: Er habe in den Wahllokalen ältere Leute getroffen, die außer den Schrecken der vergangenen Kriegsjahre auch den 2. Weltkrieg erlebt hätten: „Sie kamen zu uns, den Deutschen, und sagten mit Tränen in den Augen: ,Wir wollen in Frieden leben, das ist unsere Wahl.‘“ Die Wahlen in der Donezker Rebellenrepublik hätten den internationalen Normen entsprochen, zitiert die russische Agentur FAN Andreas Maurer, laut FAN Vorsitzender des Stadtrates von Quakenbrück. Deutschland trage viel Verantwortung für das, was im Donbass geschehe, Maurer sei gewillt, diese Frage in der deutschen Regierung zur Sprache zu bringen.

Tatsächlich befehligt der wortgewaltige Russlanddeutsche im Quakenbrücker Stadtrat nur die dreiköpfige Linken-Fraktion, seine Eignung als Wahlbeobachter aber ist fraglich: Maurer wurde im Juni vom Landgericht Osnabrück wegen Wahlbetrugs zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten und einer Woche verurteilt.

Am Sonntag wählten die ostukrainischen Rebellenrepubliken Donezk (DNR) und Luhansk (LNR) neue Regierungschefs und Parlamente. Umstrittene Wahlen, außer der Ukraine hatten auch viele westliche Staaten, die EU, die OSZE und die Nato der Abstimmung im Voraus die Legitimation abgesprochen: Sie verstoße gegen das Minsker Friedensabkommen. Dieses sieht auf dem Weg zur Reintegration von DNR und LNR in die Ukraine nur Lokalwahlen nach ukrainischem Recht vor, die mit den Rebellenvertretern abzustimmen seien. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte dagegen, Moskau habe Verständnis für „die Wahlen in den von der Ukraine abgelehnten Republiken“.

Nach Auszählung aller Stimmen gewannen die geschäftsführenden Republikchefs Denis Puschilin in der DNR mit 60,85 Prozent und Leonid Pasetschnik in der LNR mit 68,3 Prozent schon im ersten Wahlgang. Beide gelten als Kandidaten Moskaus. Auch die von ihnen geführten Parteien „Donezker Republik“ und „Frieden für Luhansk“ siegten bei den Parlamentswahlen mit 72,5 Prozent beziehungsweise 74,12 Prozent der Stimmen glatt. Die russischen Medien feierten aber vor allem die hohe Wahlbeteiligung, die in DNR über 80 Prozent und in der LNR 77 Prozent gehabt haben soll.

Die Separatisten-Obrigkeit lockte das Volk wie zu Sowjetzeiten mit Popkonzerten, Tombolas und billigen Lebensmitteln an die Urnen. Und das ukrainische Portal „Nowosti Donbassa“ hält die Beteiligung für getürkt: Die Rebellen hätten nur sehr wenig Wahllokale eröffnet, um Massenandrang zu simulieren. Für die 2,3 Millionen Einwohner der DNR seien 1200 Wahllokale notwendig, bei den letzten Parlamentswahlen im Gebiet Donezk hätten für eine Bevölkerung von 4,4 Millionen Menschen 2444 Wahllokale gearbeitet. „Jetzt hat die ‚DNR‘ nur 408 Lokale aufgemacht, drei Mal weniger als nötig.“

Schon zuvor waren in der DNR Stimmen laut geworden, das Wahlvolk werde aus Frust nicht abstimmen. Und aus Mangel an Konkurrenz. Um den Sieg des eher unpopulären Puschilins nicht zu gefährden, hatten russische Grenzbeamte seinem gefährlichsten Konkurrenten, dem Kriegshelden Alexander Chodakowski, die Rückkehr in die DNR verweigert, als er sich dort Mitte September für die Wahlen registrieren wollte. Ein weiterer aussichtsreicher Widersacher, Pawel Gubarow, 2014 „Volksgouverneur“ und Rebell der ersten Stunde, wurde wegen angeblich zu wenig korrekter Unterschriften von den Wahlen ausgeschlossen. „Die Ukrainer klatschen wohl vor Glück in der Hände, angesichts des Gezänks in Donezk“, schimpfte der Blogger Donezki.

Über die Stimmung in den Gebieten sagen diese Wahlen wenig aus. Das Netzwerk „Typisches Donezk“ befragte seit Juni anonym mehr als 71 000 Teilnehmer zu ihrer Meinung: Trotz jahrelanger Propaganda plädieren nicht mehr als 38,9 Prozent der Befragten für einen Anschluss an Russland, 26,3 Prozent für eine Rückkehr in die Ukraine, 7 Prozent für eine unabhängige DNR.

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