„Wäre die nächste Kampfansage“: Röttgen warnt bei „Lanz“ vor neuer Putin-Option

Die Spannungen zwischen der Nato und Russland bestimmen die Debatte bei „Markus Lanz“. Mit dabei: CDU-Politiker Röttgen und der ehemalige deutsche Botschafter in Russland.
Hamburg – Die ZDF-Runde von Markus Lanz blickt am Donnerstagabend erneut Richtung Russland. Was plant Präsident Wladimir Putin*? Kommt die internationale Diplomatie voran? Wie schlägt sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf internationalem Parkett? Die Journalistin Kerstin Münstermann hatte Scholz bei dessen Moskau-Reise begleitet und berichtet unter anderem vom strengen Corona-Testregime, das während der Reise geherrscht habe. Deutschlands ehemaliger Russland-Botschafter, Rüdiger von Fritsch, stellt jedoch klar, dass dies für alle in Russland herrsche – Putin habe tatsächlich Angst vor einer Corona-Infektion*.
„Der Kreml ist sehr beeindruckend“, schildert Münstermann ihre Eindrücke, auch Moderator Lanz weiß: „Es ist ein bisschen wie im Vatikan. Egal was man umwirft, es ist teuer.“ Dieser Pomp diene der Einschüchterung und solle Macht kommunizieren, ist sich die Runde einig. Für die Journalistin Anna Lehmann ist dies ein weiterer Baustein in Russlands Diplomatie, die sich bei Elementen der Spieltheorie bediene: Einerseits lote Putin derzeit aus, wie weit er in Sachen Ukraine gehen könne, andererseits agiere Russland mit seinen militärischen Manövern wie bei einem Schachspiel: „Man überlegt gerade: Welchen Bauern opfert man, um den Läufer zu retten?“
CDU-Mann Röttgen bei „Markus Lanz“ über Russlands Truppenabzug: „Stand jetzt lässt sich das nicht feststellen“
Auch auf Kanzler Scholz scheint all dies Eindruck gemacht zu haben, Münstermann berichtet von dessen Anspannung vor dem Treffen mit dem russischen Präsidenten. Dass er vorab gewusst habe, was ihn bei Putin erwarte, will die Journalistin nicht ausschließen – ebenso wenig die Möglichkeit, dass es sich beim angekündigten russischen Truppenabzug nach dem Kanzlerbesuch um ein diplomatisches Antrittsgeschenk für Scholz als neuen Kanzler gehandelt habe.
Talkmaster Lanz erhofft sich vom CDU-Außenexperten Norbert Röttgen eine Klärung dieser Frage, doch der muss passen: „Ich kann es nicht lösen. Ich finde es nur interessant, denn es gibt ja gar kein Geschenk. Jedenfalls kann die Nato nicht feststellen, dass es ein Geschenk gibt.“
„Stand jetzt lässt sich nicht feststellen, dass überhaupt irgendein Panzer, und es sind 160.000 Soldaten dort stationiert, wirklich den Rückzug gemacht hat“, fügt Röttgen an. Während auf der einen Seite von einem Geschenk Putins gesprochen werde, hätten am gleichen Tag Cyberattacken auf das ukrainische Verteidigungsministerium und ukrainische Banken stattgefunden. Darüber hinaus sei in der Duma ein Antrag eingereicht worden, die beiden Donbass-Regionen Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten anzuerkennen. „Wenn dieser Antrag durchginge, dann wäre der Minsker Prozess* am Ende“, fasst Münstermann zusammen.
Russland-NATO-Spannungen bei „Markus Lanz“ - Röttgen besorgt um die Ostukraine: „Das wäre nach der Annexion der Krim die nächste Kampfansage“
„Das wäre nach der Annexion der Krim die nächste Kampfansage, die er macht“, meint auch Röttgen mit Blick auf diesen Antrag. Dennoch sei durch Putins Auftreten die Hoffnung genährt worden, dass sich der Konflikt friedlich lösen lasse. Ob dieser Hoffnung zu trauen sei, wisse er nicht, man müsse auch die Sorge ernst nehmen, dass Putin mit dem Prinzip Hoffnung spiele. Ex-Diplomat Rüdiger von Fritsch lobt indes die „entschlossene Diplomatie des Westens“, mit der der Kreml nicht gerechnet habe. Moskau habe sich „ein Stück weit verkalkuliert“, weshalb Russland nun nicht umhinkomme, sich auf den Gesprächsprozess einzulassen.
„Markus Lanz“ - das waren seine Gäste am 17. Februar:
- Norbert Röttgen (CDU) – Politiker
- Kerstin Münstermann – Rheinische Post-Journalistin
- Anna Lehmann – taz-Journalistin
- Rüdiger von Fritsch – Ex-Diplomat
Die „Markus Lanz“-Runde lässt daraufhin die Geschichte seit dem Kalten Krieg* Revue passieren. Gemeinsam blicken die Gäste auf ein Video von 1990, in dem der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) sagte, dass es keine Bestrebungen der Nato gebe, Richtung Osten zu expandieren. „Es hatte auch niemand die Absicht“, sagt Röttgen und verweist darauf, dass der Warschauer Pakt zu dieser Zeit noch Bestand gehabt habe. Deshalb handele es sich seit Ende des Kalten Krieges auch nicht um eine Expansion der Nato oder „Einverleibung anderer Staaten“.
Vielmehr seien nach dem inneren Zerfall der Sowjetunion unabhängige Staaten mit eigenen Sicherheitsinteressen entstanden, meint Röttgen. Dass diese ihre Bündnispartner frei wählen, hält Röttgen für geboten, Putin selbst habe sich noch in den 2000er-Jahren wohlwollend über die Bündnisfreiheit geäußert. Von Fritsch meint dazu: „Sondierungen sind keine Verhandlungen, Verhandlungen sind noch keine Vereinbarungen und Vereinbarungen sind Garantien. Wenn irgendetwas verabredet worden wäre, hätte man das aufschreiben müssen.“
Wladimir Putin und der Westen: Geht es eigentlich nur um die persönliche Macht des russischen Präsidenten?
Röttgen meint, dass es bei alledem überhaupt nicht um die Sicherheit Russlands gehe, „sondern um die Stabilität des Machtsystems Putin“. Die westlichen Nachbarn Russlands wie Estland, Lettland, Litauen, die Ukraine oder Georgien seien wegen ihres Strebens nach Selbstbestimmung die eigentliche Gefahr für Russland, weil das dem „System Putin“ zuwiderlaufe. Lehmann widerspricht: Bei Estland, Lettland und Litauen handele es sich um selbstbestimmte Staaten, deren Rückkehr zu Russland überhaupt nicht zur Debatte stehe.
Teil dieses Machtsystems scheint inzwischen auch der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder (SPD)* zu sein. Dass dieser davon sprach, die Ukraine solle das „Säbelrasseln“ gegenüber Russland einstellen, hält Röttgen jedoch für problematisch – auch für den russischen Präsidenten: „Ich glaube, dass Schröder jetzt wirklich auch Putin geschadet hat.“ Schröder hätte nicht zu dem Privatmann werden können, der er heute ist, wenn er nicht vorher Kanzler gewesen wäre, meint Röttgen und fasst das Agieren des Altkanzlers mit eindeutigen Worten zusammen: „Es ist beschämend und es ist unwürdig.“
„Markus Lanz“ - Das Fazit der Sendung
Bei „Markus Lanz“ hat die internationale Diplomatie diese Woche die Corona-Pandemie verdrängt. Wie bereits am Dienstag debattiert die Runde über die Russland-Nato-Spannungen, diesmal mit Norbert Röttgen (CDU), dem Talkmaster Markus Lanz keine einzige Frage zur Innenpolitik oder seiner Partei stellt. Der ehemalige deutsche Botschafter in Russland, Rüdiger von Fritsch, garniert den Talk mit fundierten Analysen, aus denen seine Erfahrung als Diplomat und Russland-Experte spricht. Eine gemeinsame Antwort auf die alles entscheidende Frage findet die Runde jedoch nicht: Wie lässt sich der Konflikt friedlich beilegen? (Hermann Racke)