„Stille“ und Panzer-Mangel: Putins Militärparade - ein Brennglas für Russlands Probleme?
Bei der Militärparade in Moskau hält Präsident Putin sich auffällig kurz und vage. Die eingedampfte Feier zum „Siegestag“ Russlands wirft Fragen auf.
Moskau – Trotz erhöhter Sicherheitsbedenken nach einem Drohnenabschuss über dem Kreml in der vergangenen Woche hat am Dienstag Russlands traditionelle Militärparade zum 9. Mai auf dem Roten Platz stattgefunden. Allerdings ist dabei weitaus weniger von Russlands Truppen und militärischer Ausrüstung zu sehen gewesen als in den Vorjahren – wahrscheinlich eine Folge der großen Verluste, die die russischen Streitkräfte in der Ukraine erlitten haben, wie unter anderem die Moscow Times spekuliert.
Zum 78. Jahrestag des sowjetischen Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg ist die traditionelle Parade etwa trotz klaren Himmels ohne Flugshow zu Ende gegangen. Die Flugshow war in den vergangenen Jahren mehrfach wegen schlechten Wetters abgesagt worden. In diesem Jahr hatten einige Beobachter – wohl angesichts der Sicherheitsrisiken – ohnehin nicht mit ihr gerechnet.
Putins Militär geschrumpft: Russland kann „keine guten Nachrichten“ verkünden
An sonstiger Militärtechnik konnte Russland vor allem gepanzerte Radfahrzeuge präsentieren. Kampfpanzer fehlten, mit Ausnahme des historischen T-34. Kampfpanzer sind traditionell Teil der Parade. Für ihr diesjähriges Fehlen gab es zunächst keine offizielle Erklärung. In den vergangenen Jahren zeigte Moskau bei der Parade das neueste Panzer-Modell namens Armata (T-14). Laut russischen Medienberichten vom April setzt Russlands Militär es derzeit im Ukraine-Krieg erstmals ein - was eine Erklärung für sein Fehlen bei der Militärparade sein dürfte.
Präsident Wladimir Putin hielt erwartungsgemäß eine Rede, in der er zur weiteren Unterstützung des Militärs aufrief und die westlichen Länder scharf kritisierte. Er sprach dabei von einem „Krieg“ gegen Russland, den der Westen verursacht habe. Eine Verdrehung von Tatsachen, wie NATO-General a. D. Egon Ramms im TV-Sender Phoenix kommentierte. Im Vergleich zu den Vorjahren sei die Rede Putins zudem „relativ vage geblieben“, wahrscheinlich, weil es eben „keine guten Nachrichten zu verkünden“ gebe, fügte Osteuropa-Experte Roman Gontscharenko von der Deutschen Welle hinzu.
Putin-Verbündete in Moskau: „Erstaunlich“ – und vielleicht nicht ganz freiwillig
Putin habe trotzdem – oder möglicherweise gerade deshalb – die Einigkeit unter den GUS-Staaten betont, also der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Er hob in diesem Zuge die Anwesenheit einiger GUS-Staatschefs bei der Parade in Moskau hervor, etwa der Armeniens, Kirgistans und Kasachstans.
„Erstaunlich“, fand die langjährige WDR-Auslandskorrespondentin Ina Ruck, dass insgesamt sieben Vertreter der GUS-Partner angereist waren und fügte hinzu: „Ob alle so freiwillig, ist die große Frage“. Viele seien sicherlich gezwungen, zu kommen, da sie von Russland abhängig seien. Putin habe am Ende seiner Rede stark betont, die Länder stünden mit Moskau geeint auf einer Seite. Ruck kommentieret: „Ob das wirklich alle so gut finden, die da mit ihm standen“, bleibe ungewiss.
Der „Siegeswahn“ in Russland: Der Eindruck täuscht
Putin halte womöglich auch deshalb den Vergleich des Ukraine-Krieges mit dem Zweiten Weltkrieg aufrecht. Man müsse die Menschen vor Ort offenbar immer wieder daran erinnern, dass man – angeblich – gegen Nazis kämpfe, so der Eindruck der WDR-Korrespondentin. Allerdings seien Umfrage-Ergebnisse aus Russland trügerisch. Bis zu 80 Prozent der Bevölkerung befürworteten die militärischen Aktionen Moskaus, heißt es darin. Ruck ging zwar von einer Mehrheit an Befürwortern aus, Zahlen in dieser Höhe zweifelte sie jedoch stark an.

Vom „Siegeswahn“ Russlands konnte Putin über viele Jahre profitieren, meint die Stern-Russlandexpertin Ellen Ivits. Doch in diesem Jahr sei bei der Parade eine „erschreckende Stille“ über Moskau gelegen. Die sonst zu sehenden „feiernde Menschenmassen“ sind ihrer Beobachtung nach ausgeblieben.
Auch die sieben anwesenden Staatschefs ehemaliger Sowjetrepubliken „trugen mürrische Mienen“, urteilte Ivits. Und in den Reihen der marschierenden Soldaten seien vor allem junge Kadetten zu sehen gewesen, die die Verluste der russischen Armee deutlich machen: Es seien 16-jährige Jungs anstelle von professionellen Soldaten marschiert. (na)