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Panzer auf Gotland: Ukraine-Konflikt Russlands wirkt sich bis Schweden aus

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Von: Thomas Borchert

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Das Gebaren Russland verunsichert Länder wie Schweden und Finnland. Beide denken nun offen darüber nach, der Nato beizutreten.

Stockholm/Helsinki- Für die zehn Millionen Menschen in Schweden ist der Ukraine-Konflikt an diesem Wochenende beunruhigend nähergerückt. In den TV-Nachrichten sahen sie per Schiff eilig nach Gotland entsandte Panzer ihrer Armee rollen. Stark bewaffnete Militärs patrouillierten am Hafen der kleinen Inselhauptstadt Visby, und Verteidigungsminister Peter Hultqvist wollte einen russischen Angriff auf Schweden „nicht ausschließen“. Bitterernst fuhr er fort: „Wir haben Maßnahmen ergriffen, um die Bereitschaft zur Verteidigung unseres Landes zu signalisieren.“

Ob er glaube, dass die gerade erst über den schwedischen Atomkraftwerken Forsmark und Oskarshamn gesichteten Groß-Drohnen Teil einer russischen Destabilisierungsstrategie seien? „Ich glaube gar nichts. Wir haben dergleichen schon des Öfteren in militärischen Zusammenhängen erlebt“, sagte Hultqvist.

Mitglieder des Gotland-Regiments patrouillieren in Panzern auf einer Straße.
Mitglieder des Gotland-Regiments patrouillieren in Panzern auf einer Straße. © Karl Melander/dpa

Gotland ist auch für Russland von strategischen Interesse

Die große schwedische Insel Gotland ist wegen ihrer Lage mitten in der Ostsee auch aus Moskauer Sicht von strategischen Interesse. Aus Stockholm war in den vergangenen Wochen mehrfach zu hören, man habe mit der Verschärfung des Konflikts durch die möglichen Moskauer Invasionspläne gegen die Ukraine auch auf sich bezogen verstärkte russische Aktivitäten notiert.

Die sozialdemokratische Minderheitsregierung in Stockholm zeigt verbal und mit militärischer Präsenz Konfliktbereitschaft gegenüber der Moskauer Führung. Sie hält aber an ihrer betont zurückhaltenden Linie zu einem möglichen Nato-Beitritt fest. „Das würde in dieser ernsten Lage nicht zur Stabilität beitragen“, antwortete Premier Magdalena Andersson auf eine Aufforderung, ihre Regierung möge die „Nato-Option“ nun aktiv betreiben.

Hinter der Forderung steht eine Mehrheit im Stockholmer Reichstag und die Reaktion auf den russischen Forderungskatalog an die Nato vom Dezember, über den seit vergangener Woche international verhandelt wird. Darin verlangt Moskau nicht nur den Ausschluss der Aufnahme von Schweden und des Nachbarn Finnland in das Militärbündnis, sondern faktisch auch die Beendigung jeder militärischen Kooperation. Beide Länder haben sie in den vergangenen Jahren Zug um Zug so ausgebaut, dass die Nordeuropäer aus den Reihen der Nato gern als „de-facto-Mitglieder“ umgarnt werden.

Auch Finnland denkt wegen Russland über die Nato nach

Auch in Finnlands Hauptstadt Helsinki haben die Moskauer Maximal-Forderungen an Washington und Brüssel die Stimmen lauter werden lassen, die als zwingende Antwort auf die Ukraine-Krise den letzten Schritt befürworten. Als Erster pochte der finnische Staatspräsident Sauli Niinistö zu Neujahr darauf, dass die „Möglichkeit eines Antrags auf die Nato-Mitgliedschaft zum finnischen Handlungsspielraum gehört“. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion war strikte Neutralität aus Rücksicht auf die außenpolitischen Interessen des übermächtigen Nachbarn, mit dem man 1300 Kilometer Landgrenze teilt, Teil der unverrückbaren Staatsräson. Jetzt schwenken sogar Finnlands Grüne, die mit Pekka Haavisto den Außenminister stellen, auf eine beitrittsfreundlichere Linie um.

Befeuert wird dieser Trend in beiden nordeuropäischen Hauptstädten von führenden Stimmen des Westens am Verhandlungstisch mit Russland. Zwar kann es sein, dass US-Außenminister Antony Blinken bei diesem Thema nicht zu einhundert Prozent im Bilde war, als er auf eine Frage, ob es zutreffe, dass „sich Finnland und ein weiteres Land sich der Nato anschließen wollen“ antwortete: „So ist es“. Doch der norwegische Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dürfte genau über die Lage bei den skandinavischen Nachbarn informiert gewesen sein, als er in den schwedischen und finnischen Medien sagte, was bei Beitrittsgesuchen geschehen werde: „Dann kann es schnell gehen.“ (Thomas Borchert)

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