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Drohne aus der Türkei fliegt über Ostukraine - Russland reagiert

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Von: Stefan Scholl

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Eine türkische „Bayraktar TB2“-Drohne fliegt auf der Gecitkale-Militärbasis bei Famagusta im Norden Zyperns im Dezember 2019.
Eine türkische „Bayraktar TB2“-Drohne fliegt auf der Gecitkale-Militärbasis bei Famagusta im Norden Zyperns im Dezember 2019 (Symbolbild). © BIROL BEBEK / AFP

Ein Video sorgt für Unruhe in der Ostukraine: Die Ukraine setzt im Donbass erstmals eine türkische Kampfdrohne ein – Russland reagiert empört. Eine neuerliche Eskalation droht.

Donbass - Man kennt solche Luftaufnahmen aus den Kriegen um Bergkarabach. Ein Visierquadrat betastet sein Ziel – eine Haubitze, bei der drei Artilleristen stehen. Sie werfen sich plötzlich zu Boden, über dem Geschütz zuckt der Lichtblitz einer Explosion, eine Rauchfahne steigt auf, zwei Männer laufen davon, ein anderer folgt ihnen wenig später.

Das Video kursiert seit Dienstagabend (26.10.2021) vor allem in ukrainischen und russischen Medien, seit die ukrainische Armee im Donbass-Krieg zum ersten Mal eine türkische Bayraktar-Kampfdrohne eingesetzt hat. Nach Angaben des Militärbloggers Roman Donik hatte zuvor eine Batterie gegnerischer Haubitzen aus einer Entfernung von 15 Kilometern den Ort Hranitne im Frontgebiet beschossen und zwei ukrainische Soldaten verletzt, einen tödlich. „Um das Leben der Soldaten und der Zivilbevölkerung zu bewahren, startete man als Antwort einen ,Bayraktar‘, der die feindliche Batterie fand und ein Geschütz vernichtete.“ Laut dem Portal ukrinform.ru hatte das ukrainische Militär zuvor die „russisch-terroristischen Truppen“ vergeblich über die Kanäle der OSZE-Beobachtermission im Kriegsgebiet aufgefordert, das Feuer einzustellen.

Drohneneinsatz in Ostukraine: Botschaft kommt in Moskau an

Nach Ansicht von Fachleuten feuerte die Kampfdrohne türkischer Produktion bei ihrem Angriff ein Geschoss mit geringer Sprengkraft ab. Auch deshalb mag die Bedienungsmannschaft überlebt haben. Aber wie der ukrainische Generalstab verlautbarte, befahl der Oberkommandierende, Generalleutnant Waleri Saluschni, persönlich den Einsatz. Eigentlich entscheide im Kriegsalltag der Operator vor Ort über den Einsatz einer Kampfdrohne, sagte der Kiewer Sicherheitsexperte Oleksi Melnyk der Frankfurter Rundschau. „Jetzt aber wurde ein eher schwacher Geschosseinschlag weit über die Grenzen der Ukraine hörbar.“ Melnyk glaubt, man habe die Bayraktar-Drohne so demonstrativ in den Kampf geschickt, um der Gegenseite ein Signal zu senden: „Die Waffen, die uns zur Verfügung stehen, setzen wir auch ein.“

Die Botschaft kam in Moskau an. Man habe ein besonderes und gutes Verhältnis zur Türkei, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow. „Aber in diesem Fall bestätigen sich unsere Befürchtungen, dass die Lieferung solcher Waffensysteme an ukrainische Militärs die Lage an der Demarkationslinie potenziell destabilisieren kann.“ Maria Sacharowa, Sprecherin des Außenministeriums, sprach von einer „bedrohlichen, um nicht zu sagen tragischen Entwicklung in der Konfliktzone“. Kiew arbeite auf eine militärische Rückholung des Donbass hin.

Verstoß gegen Minsker Abkommen

Auch die deutsche Außenamtssprecherin Andrea Sasse äußerte sich besorgt, dass beide Seiten Drohnen verwendeten, obwohl das nur der OSZE gestattet sei. Tatsächlich verbietet das Minsker Abkommen von 2014 nur den Einsatz ausländischer unbemannter Flugkörper im Frontgebiet.

Russland startete trotzdem eine Propagandakampagne, der Telegram-Kanal „WarGonzo“ meldete den gescheiterten Angriff einer selbst gebastelten ukrainischen Drohne auf einen Öltank in Donezk. Laut einem Separatistensprecher versuchte die Ukraine außerdem bei dem Städtchen Solote, die Steuerung einer Beobachtungsdrohne der OSZE auszuschalten. „Russland hat bessere Kampfdrohnen als Bayraktar“, bloggt der kremlnahe Politologe Sergej Markow. „Sie sind bisher nur noch nicht im Kampf eingesetzt worden.“

Drohne aus der Türkei: „Vor allem psychologische Bedeutung“

Die Türkei verwendete „Bayraktar TB2“ bisher bei Einsätzen in Syrien und Libyen; Aserbaidschan seinerseits in Berg-Karabach. Bei den Kämpfen gegen das technisch schlecht gerüstete Armenien galt die Kampfdrohne mit einer Reichweite von rund 150 Kilometern als eine der kriegsentscheidenden Waffen. Die Drohnen drückten auch enorm auf die Kampfmoral, weil sie den Tod jederzeit aus heiterem Himmel bringen könnten, schreibt die Agentur Interfax. Die Ukraine besitzt bisher sechs Bayraktar, will weitere 15 von der Türkei kaufen, entwickelt mit ihr eine gemeinsame Kampfdrohne. Jetzt denken militärische Fachleute in Moskau laut darüber nach, welche russischen Luftabwehrsysteme man im Donbass aufstellen müsse, um Bayraktar abzuschießen.

Aber nach Einschätzung des ukrainischen Sicherheitsexperten Oleksi Melnyk wird der Einsatz der Kampfdrohne keine militärische Wende in dem wenig intensiven Sitzkrieg zwischen der Ukraine und den von Russland unterstützten Separatisten bringen. „Das Auftauchen des Bayraktars hat vor allem psychologische Bedeutung.“ (Stefan Scholl)

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