„Keinen Bock auf russische Kultur“: Ukrainischer Botschafter boykottiert Solidaritätskonzert

Bundespräsident Steinmeier organisiert ein Solidaritätskonzert für die Ukraine. Deren Botschafter Andrij Melnyk sagt ab – wegen russischen Musikern.
Berlin – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Berliner Philharmoniker wollten am Sonntag (27.03.2022) gemeinsam mit weiteren Musiker:innen aus der Ukraine, Belarus, Deutschland und auch Russland bei einem Konzert ihre Solidarität mit der Ukraine ausdrücken. Beim ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, kam die Idee nicht gut an. „Ein Affront. Sorry, ich bleibe fern“, erklärte Melnyk in der Nacht zum Sonntag auf Twitter.
Der ukrainische Botschafter störte sich dabei an den beteiligten russischen Musikern: „Es treten nur russische Solisten auf. Keine UkrainerInnen!“ Das sei im russischen Krieg gegen ukrainische Zivilisten ein Affront. Die beteiligten Star-Pianisten Jewgeni Kissin und der Bariton Rodion Pogossov stammen tatsächlich beide aus Russland.
Ukraine News: Bundespräsident Steinmeier organisiert Solidaritätskonzert – Botschafter sagt ab
Die Sprecherin des Bundespräsidenten, Cerstin Gammelin, bedauerte die Entscheidung des ukrainischen Botschafters. Das Konzert biete die Möglichkeit eines gemeinsamen Zeichens gegen den verbrecherischen russischen Krieg gegen die Ukraine zu setzen, erklärte sie auf Twitter. Gammelin sprach von einem „Zeichen aller Menschen, die für den Frieden und gegen den Krieg stehen, egal welcher Herkunft“.
Gammeln verwies auf den bedeutenden ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov, der im Zentrum der Programmgestaltung stehe. Der 84-jährige Musiker habe selbst aus seiner Heimat fliehen müssen und in Berlin Zuflucht gefunden. Auch weitere, vor dem Ukraine-Krieg geflohene Musiker:innen träten auf.
Ukraine-Krieg: Ukrainischer Botschafter hat „kein Bock große russische Kultur
Andrij Melnyk reagierte auf die Erklärung von Steinmeiers Sprecherin. „Mein lieber Gott, wieso fällt es dem Bundespräsidenten so schwer zu erkennen, dass solange russische Bomben auf ukrainische Städte fallen und Tausende Zivilisten Tag und Nacht ermordet werden, wir Ukrainer keinen Bock auf ‚große russische Kultur‘ haben“, schrieb der ukrainische Botschafter auf Twitter.
Menlnyk hat das Konzert jedoch nicht erst am Sonntag (27.03.2022) abgesagt, sondern wegen Termingründen bereits am Dienstag (22.03.2022). Das berichtete der Spiegel. Das Präsidialamt habe Melnyk danach ein persönliches Gespräch angeboten, jedoch habe es dieser bisher nicht angenommen.
Solidaritätskonzert für die Ukraine: Steinmeier warnt vor „pauschalen Feindseligkeiten“
Beim Solidaritätskonzert unter dem Titel „Für Freiheit und Frieden“ im Schloss Bellevue spielten die Musiker:innen aus den verschiedenen Ländern Stücke ukrainischer, russischer und polnischer Komponisten. Sie hätten dabei den Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilt und ein Signal der Solidarität und des gemeinsamen Glaubens an den Wert der Freiheit und der Selbstbestimmung gesandt, erklärte das Bundespräsidialamt.
Bundespräsident Steinmeier warnte in einer wegen seiner Corona-Erkrankung vorab aufgezeichneten Video-Botschaft vor „pauschalen Feindseligkeiten“ als Antwort auf den Krieg. „Lassen wir nicht zu, dass aus Putins Hass ein Hass zwischen Völkern und Menschen wird, auch nicht in unserer eigenen Gesellschaft.“ Zudem forderte Steinmeier die Menschen im Ukraine-Konflikt zur Bereitschaft zu Einschränkungen auf. Die Menschen müssten bereit sein, sie zu tragen, „wenn unsere Solidarität ernst genommen werden soll“.
Es ist nicht das erste Mal, dass der ukrainische Botschafter für einen Affront sorgt: Im Ukraine-Krieg geriet Melnyk wegen Aussagen zum Asow-Regiment in die Kritik. (ms/epd)