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Proteste gegen Ukraine-Krieg: Russland droht mit Ausbürgerung

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Von: Nail Akkoyun

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In Russland haben die Proteste gegen den Ukraine-Krieg abgenommen. Den wenig verbliebenen Aktivist:innen droht Wladimir Putin mit der Ausbürgerung.

Moskau – Als Wladimir Putin am 24. Februar den russischen Truppen den Befehl gab, die Ukraine zu überfallen, heiratete der Klimaaktivist Arshak Makichyan seine langjährige Freundin Polina Oleinikowa. Trotz der weit verbreiteten, teils brutalen Niederschlagung von abweichenden Meinungen schlossen sich die beiden rasch den landesweiten Protesten gegen den Krieg an.

Als sich die Situation für die Protestierenden im März zuspitzte und die Demonstrationen immer gefährlicher wurden, entschloss sich das Paar nach Deutschland zu gehen. Makichyan, der in Armien geboren wurde und heute in Berlin leben soll, droht jetzt die Entziehung seiner russischen Staatsbürgerschaft. Darüber berichtet der Nachrichtensender Al Jazeera.

„Ich war gegen diesen Krieg, und ich war öffentlich gegen diesen Krieg, aber ich denke, in diesem Fall geht es nicht um mich“, sagte Makichyan gegenüber Al Jazeera. „Es geht um Millionen von Menschen [...]. Die Regierung warnt sie, Angst zu haben und zu schweigen.“

Ukraine-Krieg: Gegen Demonstrationen wird unter Wladimir Putin hart vorgegangen

Am 27. Juni soll die Frage von Makichyans Staatsbürgerschaft bei einer Gerichtsverhandlung in Moskau verhandelt werden. Während die Behörden behaupten, er habe seine Staatsbürgerschaft illegal erworben, behaupten er sowie andere Aktivist:innen, der Fall sei politisch motiviert. Proteste unterliegen unter Wladimir Putin strengen Beschränkungen, üblicherweise müssen Demonstrierende vor einem Protest die Genehmigung der Behörden einholen – und Makichyan ist kein unbeschriebenes Blatt.

Eine Demonstrantin auf einem Protest gegen den Ukraine-Krieg. (Archivfoto)
Eine Demonstrantin auf einem Protest gegen den Ukraine-Krieg. (Archivfoto) © Sachelle Babbar/Imago

Der 28-Jährige, der sich unter anderem von der schwedischen Umweltaktivistin Greta Thunberg inspirieren ließ, wurde bereits mehrfach verhaftet. Unter anderem führte die russische Polizei Makichyan während einer Ein-Mann-Mahnwache gegen die russische Intervention in Kasachstan ab. Am 25. Februar, ein Tag nach ihrer Hochzeit, wurde das frisch getraute Ehepaar Makichyan-Oleinikowa beim Verlassen ihres Hauses festgenommen und mit einer Geldstrafe belegt, weil sie an nicht genehmigten Kundgebungen teilgenommen hatten.

Der Aktivist fürchtet nun die Ausbürgerung, obwohl er seit Kindesalter die russische Staatsbürgerschaft besitzt und die meiste Zeit seines Lebens in der Hauptstadt gelebt hat. Makichyan glaubt, dass man an ihm ein Exempel statuieren will: „Wenn ich meine Staatsbürgerschaft mit der Begründung verliere, dass ich gegen den Krieg war, können sie das gleiche Instrument gegen viele, viele andere Menschen einsetzen.“

Proteste gegen Wladimir Putin und den Ukraine-Krieg: Politiker will „Verräter“ ausbürgern

Geht es nach der russischen Verfassung, kann Staatsangehörigen die Staatsbürgerschaft eigentlich nicht entzogen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie von Geburt an besitzt oder erst im Laufe des Lebens erworben wird. Der Kreml kann allerdings durchaus von einem „Schlupfloch“ Gebrauch machen, indem einfach behauptet wird, dass es bei der Ausstellung des Passes von Makichyan zu Formfehlern gekommen sei und der Pass somit „illegal“ wäre.

„Fälle, in denen die Staatsbürgerschaft für ungültig erklärt wird, sind bei Menschen, die sie nicht durch Geburt, sondern aus anderen Gründen erhalten haben, sehr häufig“, so Olga Podoplelowa, Leiterin der Rechtsabteilung der NRO Russia Behind Bars im Gespräch mit Al Jazeera. Makichyans Prozess wird auf der Grundlage von Artikel 22 des russischen Staatsbürgerschaftsgesetzes verhandelt – ihm wird vorgeworfen, an einer anderen Adresse als der in seinem Antrag angegebenen zu leben, während andere Belege angeblich verloren gegangen sind.

Derweil haben mehrere Politiker:innen schon vorgeschlagen, unpatriotischen Russ:innen die Staatsbürgerschaft auf einfachere Weise zu entziehen. Für „Verräter“, die sich gegen Moskaus „Sondereinsatz“ im Nachbarland und Wladimir Putins Führung wenden, brauche es ein „Verfahren, um ihnen die Staatsbürgerschaft zu entziehen und sie an der Einreise in unser Land zu hindern“, sagte etwa Wjatscheslaw Wolodin, Vorsitzender der russischen Duma.

Arshak Makichyan und Polina Oleinikova auf einer Kundgebung der Bewegung Fridays for Future in Berlin am 25. März.
Arshak Makichyan und Polina Oleinikova auf einer Kundgebung der Bewegung Fridays for Future in Berlin am 25. März. © Christian Ditsch/Imago

Russland: Wladimir Putin will „Institut zur Beendigung der Staatsbürgerschaft“

Im Dezember vergangenen Jahres, noch vor dem Ukraine-Krieg, spielte Wladimir Putin bereits mit der Idee, Änderungen am Staatsbürgerschaftsgesetz vornehmen zu lassen. Dabei schlug der russische Präsident, der Oppositionelle inzwischen als „Verräter“ und als pro-westlichen „Abschaum“ bezeichnete, vor, ein „Institut zur Beendigung der Staatsbürgerschaft“ einzurichten. Dabei sollen die Gründe für den Entzug der Staatsangehörigkeit auf Verrat, Spionage und Drogenhandel ausgeweitet werden.

Noch sind die Ideen von Wladimir Putin nicht in die Tat umgesetzt worden. Anhand der Tatsache, dass Kritiker:innen des Regimes, wie Arshak Makichyan bereits jetzt verfolgt und belangt werden, scheint dies allerdings nur eine Frage der Zeit zu sein. Zumal eine Begründung wie „Verrat“ vom Kreml jederzeit möglichst flexibel definiert werden dürfte. (nak)

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