Ukraine-Krieg: Kritik an „Putins nützlichen Idioten aus Deutschland“

Das US-Magazin Politico rechnet mit der deutschen Russland-Politik ab. Vor allem Merkel und Merz bekommen ihr Fett ab.
Frankfurt - Am 3. März 2022 zeigte das ARD-Magazin Monitor eine Dokumentation mit dem Titel „Putins nützliche Idioten: Wo Russlands Propaganda verfängt“. Darin ging es um die Menschen in Deutschland, die dem russischen Präsidenten auch im Ukraine-Konflikt bedingungslos die Treue halten. Gemeint war dabei vor allem die rechte Szene. „Große Teile der extremen Rechten in Deutschland kämpfen denselben Krieg wie Putin mit Worten, mit Informationen, den Krieg gegen die Demokratie“, sagt dort der Soziologe Matthias Quent. „Und damit unterstützen und helfen sie den Interessen Putins.“
Ob der Begriff „nützliche Idioten“, der auf solche Menschen gemünzt ist, tatsächlich von Lenin stammt, wie oft behauptet wird, ist nicht gesichert. Weder der US-amerikanische Journalist William Safire, der auch als Redenschreiber für US-Präsident Richard Nixon tätig war, noch das Oxford English Dictionary fanden dafür entsprechende Belege. Dennoch ist es ein Begriff, der vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder verwendet worden ist. In vielen Fällen beschreibt er dabei Mittel der sowjetischen/russischen Außenpolitik.
„Deutschlands Spitzenpolitiker dienten als Putins nützliche Idioten“
Nun brachte auch das US-Magazin Politico den Begriff im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg wieder ins Spiel. Diesmal ging es aber nicht um Rechtsextremisten, sondern um die Spitzenkräfte der deutschen Politik. „Von Deutschlands Veto gegen den Nato-Beitritt der Ukraine und Georgiens über den Gas-Deal im Zuge von Nord Stream 2 bis hin zur Weigerung, Waffen an die Ukraine zu liefern – die deutschen Spitzenpolitiker dienten zuletzt als Putins nützliche Idioten“, schreibt Matthew Karnitschnig in seinem Artikel. „Die sogenannten Russlandversteher wiesen Kritik an ihrem Kurs stets zurück, bestanden darauf, dass sie es besser wüssten, und lachten Washington ins Gesicht. Jetzt lacht niemand mehr.“
„Putins nützliche Idioten“: Merkels „katastrophaler Fehler“
Der Autor spart in der Tat nicht mit Kritik an der deutschen Politik. Ins Visier nimmt er dabei als Erstes die frühere Kanzlerin. Mit ihrem Verhalten habe Angela Merkel dem russischen Präsidenten effektiv zu seinem Handeln ermutigt. Deutschlands sturköpfiges Beharren auf einer Zusammenarbeit mit Wladimir Putin sei nichts weniger als ein „katastrophaler Fehler“, der Merkel einen Platz im Pantheon der politischen Naivität sichern werde. Und wo? Genau neben Neville Chamberlain, dessen Politik der Beschwichtigung (Appeasement) gegenüber Hitler und dem nationalsozialistischen Deutschland 1938 heute von Historikern wie zum Beispiel Frank McDonough überaus kritisch gesehen wird.
Karnitschnig nimmt die komplette deutsche Politik ins Gebet. „Die Wahrheit ist, dass die gesamte politische Klasse Deutschlands schuldig ist.“ Er nennt Olaf Scholz, Frank-Walter Steinmeier und auch Christian Lindner. Mit dem Argument, der Krieg sei eh in ein paar Stunden vorbei, habe der Finanzminister sich am Tag des Kriegsbeginns im Gespräch mit dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk geweigert, Waffen in die Ukraine zu schicken oder Sanktionen gegen Russland zu befürworten.
„Putins nützliche Idioten“: Auch Merz fällt in die Kategorie
Dies sei eine Einstellung gegenüber der Ukraine, die auch von der CDU geteilt worden sei, deren Chef Friedrich Merz sich wenige Wochen vor dem Einmarsch in die Ukraine gegen einen Ausschluss Russlands aus dem internationalen Finanzsystem Swift positioniert habe. Tatsächlich hat Merz im Januar 2022 in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur einen gewagten Vergleich herangezogen: „Swift infrage zu stellen, das könnte die Atombombe für die Kapitalmärkte und auch für die Waren- und Dienstleistungsbeziehungen sein. Wir sollten Swift unangetastet lassen.“
Karnitschnig geht in seinem Politico-Artikel auch auf den 17. März 2022 ein, als am Tag der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einer Sternstunde der Absturz in einen schwarzen Moment des deutschen Parlamentarismus gefolgt war. „Sie applaudieren ihm stehend – um dann prompt zum regulären Geschäft zurückzukehren. Dazu gehörte auch, zwei Abgeordneten zum Geburtstag zu gratulieren.“ (cs)