Putins Kinder-Armee „Junarmija“: Nachwuchs für Ukraine-Krieg
Die russische Jugend-Armee „Junarmija“ ist höchst umstritten. Eine finnische Militär-Expertin erklärt die Hintergründe – und warnt vor regimetreuen „Bürgersoldaten“.
Frankfurt/Moskau – Sie marschieren im Gleichschritt zu patriotischen Klängen: Russlands junge Nachwuchs-Armee „Junarmija“ präsentierte sich bereits vor vier Jahren bei einer großen Parade. Präsident Wladimir Putin gab sich damals sogar die Ehre.
Kinder und Jugendliche werden in der jungen Armee zu Patriotinnen und Patrioten erzogen – und könnten in den Krieg im Zuge des Ukraine-Konflikts ziehen.
Ukraine-Krieg: Russische Jugendarmee „Junarmija“ wächst auf eine Million Mitglieder
„Junarmija“ bedeutet auf russisch Jugend-Armee. Ziel der Vereinigung ist wie erwähnt die patriotische Erziehung von Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen acht und 18 Jahren in Russland. Die „Junarmija“ hatte bereits zwei Jahre nach der Gründung im Jahr 2016 nach eigenen Angaben 200.000 Mitglieder. Die Mitgliederanzahl soll bis heute auf eine Million angewachsen sein.

Die Kinder- und Jugendarmee „Junarmija“ untersteht direkt dem russischen Verteidigungsministerium und wurde auf Initiative von Verteidigungsminister Sergej Schoigu gegründet. Schoigu betonte im Jahr der Gründung noch, dass es nicht darum gehe, neue Kader für die Armee zu schaffen, sondern lediglich um die „patriotische Erziehung“. Daran bestehen allerdings Zweifel. Die Kinder und Jugendlichen werden offenbar mit der russischen Kriegsführung vertraut gemacht. Aufnahmen der Gräueltaten in Butscha spielen dabei wohl keine Rolle. Im Vordergrund steht das Narrativ der russischen Kriegspropaganda.
Finnische Militär-Expertin erklärt Beteiligung von „Junarmija“ im Ukraine-Krieg
„Sie haben angefangen, sehr offen mit der Putin-Partei „Einiges Russland“ zusammenzuarbeiten. „Es gibt derzeit eine Kampagne den Soldaten im Krieg Postkarten und Briefe zu schreiben, organisiert von der Partei. Es gibt Treffen mit Abgeordneten der Duma (russisches Parlament), die ‚Junarmija‘ wird mit in die administrativen Geschäfte einbezogen“, sagte die finnische Militär-Expertin Jonna Alava, die zu dem Thema geforscht hat, im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel.
Der Instagram-Account der „Junarmija“, der mittlerweile gesperrt ist, wurde bis vor kurzem noch für Kriegspropaganda eingesetzt. In einer aufwändigen Inszenierung wurde das russische Kriegssymbol „Z“, das für den Sieg steht und als Zeichen für den russischen Angriff auf die Ukraine gilt, zur Schau gestellt. Die Kinder und Jugendlichen waren auch bei den Feierlichkeiten zum achten Jahrestag der illegalen Krim-Anexion in Moskau dabei, als sich Putin vor Menschenmassen feiern ließ.
Russischer Verteidigungsminister bildet Jugendarmee „Junarmija“ für Ukraine-Krieg aus
Der Staat lässt sich die Propaganda für die junge Armee offenbar einiges kosten. „Es scheint ein großes Business zu sein, allein wenn man sich die aufwändig produzierten Videos anschaut. Die ganzen Angebote, die diese Organisation bereitstellt, da werden große Summen bewegt“, erklärte Alava.
„Um junge Menschen dazu zu bringen, Russland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, müssen die Bereitschaft und der Wille zum Dienst bereits in der Kindheit und Jugend geweckt werden. Um eine positive Einstellung zur Armee als öffentliche Einrichtung und zum Militär als Beruf zu schaffen, muss sich der Staat systematisch und mit allen relevanten Ressourcen an der militärisch-patriotischen Arbeit beteiligen“, formulierte Schoigu das Ziel der „Junarmija“ in einem Statement.
Ukraine-Krieg: Alava kritisiert Druck und Gruppenzwang bei Kinder-Armee „Junarmija“
Die Kinder und Jugendlichen werden mit Spielen, Sport und militärischer Grundausbildung in die „Junarmija“ gelockt. So versprach Schoigu im Jahr 2016 den Schülern, sie würden die Möglichkeit haben, „Flugzeuge zu fliegen und mit dem Fallschirm zu springen, unter Wasser zu tauchen und auf unseren Kriegsschiffen und U-Booten zu fahren und mit allem zu schießen, außer mit Raketen“.
Hinter der Rekrutierung stehen aber durchaus auch Zwänge, wie Alava erklärt. „Der Gruppenzwang ist groß, deshalb ist die Organisation auch so schnell gewachsen. Sie veröffentlichten, dass ganze Schulklassen auf einmal Mitglied wurden. Das erhöht bei den Kindern den Druck mitzumachen. Von Kindern von Armeemitgliedern wird erwartet, dass sie teilnehmen. Das gilt offenbar auch für einige andere Behörden.“
Ehemalige „Junarmija“-Mitglieder kämpfen im Ukraine-Krieg – offenbar schon ein Toter
Die ersten ehemaligen „Junarmija“-Mitglieder sollen bereits für die russische Armee in der Ukraine kämpfen. Mindestens einer soll im Ukraine-Krieg gefallen sein. Alava sieht sich an die Spätphase der Sowjetunion erinnert und erkennt Parallelen zur sowjetischen Jugendorganisation „Komsomol“. Das Ziel sei eindeutig das Heranzüchten regimetreuer „Bürgersoldaten“.
Wie der ukrainische Nachrichtendienst kürzlich behauptete, erwägt Russland auch Minderjährige in den Krieg zu schicken. Es solle überprüft werden, ob Mitglieder der Jugendarmee „Junarmija“ im Alter von 17 bis 18 Jahren für die „militärische Sonderoperation“ gewonnen werden könnten. Es gehe darum, die „Verluste auszugleichen, die den Streitkräften der Russischen Föderation während der Durchführung der speziellen Militäroperation auf dem Territorium der Ukraine“ zugefügt worden seien. (ck)