Putin hat „Amtszeit verkürzt“: Nawalny-Vertrauter sieht Umdenken russischer Eliten
Der Nawalny-Unterstützer Leonid Wolkow wirft Putin vor, sich im Ukraine-Krieg verkalkuliert zu haben – und hofft auf eine Entmachtung des Kreml-Herrschers.
Moskau/Vilnius – Trotz verbotener Demonstrationen und hartem Durchgreifen russischer Sicherheitsbehörden registriert der Widerstand gegen die Regierung von Wladimir Putin* in Russland* seit Beginn des Ukraine-Kriegs* starken Zulauf. Das sagte der russische Oppositionelle und Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die „sich verändernde russische Wirklichkeit“ registrierten Wolkow und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter* derzeit jedoch vor allem noch „hinter den Fassaden“.
So spricht Wolkow, der im Exil in Litauen lebt und arbeitet, von bedeutsamen politischen Verbindungen, die aktuell quer durchs Land entstünden und „Aktivitäten, von denen die Behörden gar nichts mitbekommen“. Ein beliebtes Mittel dabei seien sogenannte VPN-Tunnel, die es Russinnen und Russen ermöglichen, staatliche Zensur zu umgehen und an Informationen über die Realität des Ukraine-Kriegs zu gelangen, statt Staatspropaganda* Oppositionsbeiträge zu sehen und in Chats ihre eigene Meinung kundzutun.
Ukraine-Krieg: Kreml-Gegner Wolkow sieht Umdenken bei Bevölkerung und Russlands Eliten
Von vielen Russinnen und Russen bekämen Wolkow und andere Oppositionelle derzeit die Rückmeldung: „Ich lasse mich jetzt nicht von denen zusammenschlagen, ich will auch nicht meinen Job verlieren, aber ich unterstütze euch und eure Bewegung“ , berichtete Wolkow in dem RND-Interview.

Auch bei den russischen Eliten beobachte die Opposition des Kreml-Herrschers inzwischen ein Umdenken, wie Wolkow vergangene Woche in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP erklärte. Diese seien bereits „sehr unglücklich über die wirtschaftliche Verwüstung, die Opfer, die Restriktionen und Sanktionen“. Er rechne damit, dass „sie über einen Regimewechsel, über einen Wechsel des Systems nachdenken werden“.
Nawalny-Vertrauter Wolkow: Putin hat mit Ukraine-Krieg „eindeutig seine Amtszeit verkürzt“
Insgesamt bewertet der IT-Experte und ehemalige Stabschef des inhaftierten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny* den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine als Fehler Putins. Der russische Machthaber hätte sich mit seinem Einmarsch in das russische Nachbarland „verkalkuliert“ und „eindeutig seine Amtszeit verkürzt“, sagte Wolkow der AFP. Durch seine Entscheidung für eine Invasion in der Ukraine habe Putin „dramatisch die Wahrscheinlichkeit eines Szenarios verringert, in dem er einfach im Kreml bleibt, bis er stirbt“.

Ein politischer Wandel in Moskau* würde, so Wolkow, auch sehr wahrscheinlich für seinen früheren Chef Alexej Nawalny die Rückkehr in die Freiheit bedeuten. „Nawalny ist der persönliche politische Gefangene Putins“, sagte Wolkow der AFP. „Es ist allein an Putin zu entscheiden, ob er ihn im Gefängnis oder frei lässt.“
Name | Leonid Michailowitsch Wolkow |
Geboren | 10. November 1980, Jekaterinburg, Russland |
Partei | Fortschrittspartei |
Beruf | IT-Experte, früher Politiker der Jekaterinburger Stadtduma (2009–2013) |
Russischer Oppositioneller Leonid Wolkow: Nur Eskalation interner Konflikte kann Putin stürzen
Für eine mögliche Entmachtung Putins müsse Wolkows Einschätzung nach die „Eskalation internen Konflikte“ in Putins innerem Zirkel sorgen, sagte dieser dem RND: „Die politische und ökonomische Elite in Moskau ist alles andere als homogen. Eine Mehrheit dieser Leute war, wie wir verlässlich wissen, gegen den Krieg. Viele waren sogar regelrecht geschockt, als Putin den Einmarsch tatsächlich angeordnete. Anfangs haben sie stillgehalten, inzwischen aber wächst in diesen Kreisen eine Unruhe, die größer ist als bei der breiten Masse“.
Demnach hätten Russlands Eliten inzwischen zwei Dinge erkannt: Erstens, dass sich Putin sich im Krieg gegen die Ukraine* militärisch bedeutend verrechnet habe und seine Pläne sich als „irreal“ darstellen. Zum anderen erwiesen sich die westlichen Sanktionen bereits vor einer Umsetzung eines von vielen Seiten geforderten Öl- und Gasembargos als recht schädlich für die russische Wirtschaft. „Diese beiden Faktoren addieren sich zu einem Druck auf Putin, der ihn früher oder später das Amt kosten wird, da bin ich tatsächlich sehr zuversichtlich“, prophezeit Wolkow. (ska/AFP) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA