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Menschen in Russland trauern um Opfer im Ukraine-Krieg

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Von: Sandra Kathe

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Auch knapp ein Jahr nach Beginn des Kriegs in der Ukraine regt sich immer noch wenig Widerstand in Russlands Bevölkerung. Es gibt allerdings kleine Gesten.

Moskau – In mindestens 60 russischen Städten sind inzwischen Gedenkstätten für die Opfer des russischen Bombenangriffs auf die ostukrainische Stadt Dnipro aufgetaucht und symbolisieren leisen Widerstand unter der russischen Zivilbevölkerung. Das berichtet das regimekritische Online-Medium The Moscow Times, dessen Reporter:innen wohl online Interviews mit Menschen führen konnten, die an den improvisierten Trauerstätten Blumen abgelegt hatten. Diese befinden sich häufig an Statuen ukrainischstämmiger Künstler:innen oder Denkmälern zur Erinnerung an die Opfer des Sowjet-Regimes.

Nach einer kurzen Protestwelle in Russland gleich nach Beginn des brutalen russischen Einmarschs in die Ukraine, bei der viele Menschen festgenommen wurden, war der russische Widerstand zunächst deutlich leiser geworden. Zwar flohen einige Menschen, auch vor einer drohenden Mobilisierung, andere protestierten gegen die „Teilmobilmachung“, aber weitere große Proteste gegen die politische Linie des Machthabers Wladimir Putin, der den Krieg „militärische Spezialoperation“ nennt und die Nutzung des Wortes Krieg verbietet, blieben bislang aus. Laut Moscow Times seien die friedlichen stillen Proteste die „ersten landesweiten Anti-Kriegs-Proteste“ seit Kriegsbeginn.

Ein Mann legt Blumen an einem Denkmal zu Ehren der ukrainischen Dichterin Lessja Ukrajinka nieder.
Ein Mann legt Blumen an einem Denkmal zu Ehren der ukrainischen Dichterin Lessja Ukrajinka nieder. © Alexander Nemenov/AFP

Ukraine-Krieg: Blumenproteste an Denkmälern und Statuen in vielen russischen Städten

Zur Begründung ihres Engagements zitiert die Zeitung etwa eine Frau aus der sibirischen Stadt Nowosibirsk, die betont, dass die Aktion als „Statement gegen den Krieg“ zu verstehen sei und nicht nur als ein Zeichen der Trauer und des Mitgefühls mit den Menschen in Dnipro. Weiter kündigte die anonyme Frau im von der liberalen Jugend-Oppositionsbewegung Vesna organisierten Interview an: „Ich kann nicht weiter schweigen!“

Die Protestaktionen, die bereits den Beinamen „Blumenproteste“ erhalten haben, begannen in der Woche nach dem russischen Bombenangriff auf die Stadt Dnipro am 14. Januar, bei dem ein neunstöckiger Wohnblock zerstört wurde und 44 Menschen, darunter fünf Kinder, getötet wurden. Einer der ersten Orte, die zur Gedenkstätte umfunktioniert wurden, war eine Statue zu Ehren der ukrainischen Dichterin Lessja Ukrajinka in Moskau. Inzwischen gibt es zahlreiche Stätten in ganz Russland – und immer noch kommen neue hinzu.

Trauergesten und Festnahmen: Blumenproteste zeigen Widerstand in Russland

Besonders symbolisch sei zuletzt etwa eine Aktion in Krasnodar unweit der annektierten Krim gewesen, wo Unbekannte gelbe Rosen platziert hatten. Die Blumen waren mit Schleifen in den Nationalfarben der Ukraine, blau und gelb, geschmückt. In der Stadt Kasan im Südwesten Russlands hatten andere Fotos des zerstörten Wohnkomplexes abgelegt und auf einem Schild notiert „Kasan trauert“.

Andere Russen wollen mit den Trauerbekundungen auch einfach nur ein Zeichen des Mitgefühls gegebenüber den zivilen Opfern setzen. Im Vesna-Interview sagte ein Mann aus dem autonomen Bezirk Chanty-Mansijsk: „Ich habe mich entschieden, Blumen an einem Denkmal abzulegen, weil ich zeigen wollte, dass nicht alle Russen kein Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine haben“.

Doch auch die friedlichen „Blumenproteste“ haben bereits die Aufmerksamkeit russischer Strafverfolgungsbehörden auf sich gezogen und zu mehreren Festnahmen geführt. So berichtet The Moscow Times von „mindestens sieben“ Festnahmen im Kontext der Blumenproteste. Eine der Festgenommenen sei Yekaterina Varenik. Die 26-Jährige war für zwölf Tage von der russischen Polizei festgehalten worden, nachdem sie neben einer Gedenkstätte in Moskau ein Schild mit der Aufschrift „Die Ukraine ist nicht unser Feind“ hochgehalten hatte. (saka)

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