Sorge um AKW Saporischschja – Russland plant wohl viele Beschäftigte zu „evakuieren“
Die Lage rund um das Atomkraftwerk Saporischschja spitzt sich im Ukraine-Krieg zu: Russland zieht Personal ab und erhöht damit das Sicherheitsrisiko.
Saporischschja – Im Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine droht ein „katastrophaler Mangel an qualifiziertem Personal“. Davor warnt das ukrainische Atomenergieunternehmen Energoatom. Russland plant demnach, 2700 Beschäftigte des Kraftwerks und ihre Familien nach Russland zu bringen. Hintergrund ist die großangelegte „Evakuierung“ von zahlreichen Gemeinden in der Region durch die russischen Besatzer als Reaktion auf die mögliche ukrainische Offensive. Damit beweise Russland seine „Unfähigkeit, den Betrieb des Kernkraftwerks zu gewährleisten“.
Normalerweise hat das Atomkraftwerk Saporischschja 11.000 Mitarbeiter:innen. Derzeit seien noch etwa 6000 bis 6500 Menschen im Kraftwerk tätig, erklärte ein Energoatom-Mitarbeiter der FAZ. Derzeit sind zwar alle sechs Blöcke des Kraftwerks abgeschaltet, dennoch werde das Personal nötig, um die Kühlsysteme und andere Sicherheitsvorkehrungen zu betreiben.
Russland zieht 2700 Beschäftigte aus AKW Saporischschja ab
Unklar ist jedoch, ob die „evakuierten“ Mitarbeiter:innen das Atomkraftwerk und die nahegelegene Stadt Enerhodar freiwillig verlassen oder ob sie mit Gewalt verschleppt werden. Das berichtet die britische Zeitung The Guardian. Aktuell werden laut ukrainischen Angaben zunächst Beschäftigte umgesiedelt, die nach der Einnahme des AKWs während des Ukraine-Krieges durch Russland Arbeitsverträge mit der russischen Atomenergiebehörde Rosatom unterschrieben haben.
Einige Beschäftigte und ihre Familien seien bereits von Enerhodar in die Region Rostov gebracht worden, berichtet der ukrainische Generalstab. Zuvor hatte Russland den Mitarbeiter:innen des Kraftwerks noch verboten, die Region zu verlassen.
„Zunehmend unvorhersehbar“: Wie die IAEA die Situation im AKW Saporischschja einschätzt
Der von Russland gesetzte Direktor des Kernkraftwerks, Jurij Tschernitschuk, dementiert die ukrainischen Berichte. Das operative Personal des Kraftwerks werde nicht evakuiert und alle Sicherheitsbestimmungen würden eingehalten. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA zeigt sich aufgrund der Lage in Saporischschja jedoch besorgt und warnt vor zu wenig Personal. Eine geringe Personalausstattung gefährde die Sicherheit. Das Personal müsse in der Lage sein, seine Aufgaben zu erfüllen und Entscheidungen ohne unangemessenen Druck zu treffen.

Die Lage sei „zunehmend unvorhersehbar und potenziell gefährlich“, sagte IAEA-Generalsekretär Rafael Grossi laut FAZ. „Wir müssen jetzt handel, um einen ernsten Atomunfall und seine Folgen für Bevölkerung und Umwelt zu vermeiden.“ Zuvor hatte der IAEA-Chef bereits vor einer „Katastrophe“ gewarnt. Die IAEA fordert eine Sicherheitszone rund um das Atomkraftwerk.
Hintergrund der Evakuierung ist die erwartete Gegenoffensive der Ukraine. Militärexperten zufolge könnte sich die Ukraine auf die Region konzentrieren und einen Durchbruch zum Asowschen Meer zu versuchen. Dadurch könnten die von Russland besetzten Gebiete nahe der Krim von der Versorgung abgetrennt werden. (ms)