Dramatischer Bericht vor dem Siko-Start: Ukraine-Krieg als Vorzeichen einer neuen Ära?

Am Freitag startet die Siko in München. Im traditionellen Vorab-Bericht warnen Experten die liberalen Demokratien: Ein Systemwettstreit sei im Gange.
Berlin/München - Am Freitag startet die Münchner Sicherheitskonferenz (Siko/MSK) - bei dem jährlichen Treffen wird es vor allem um eines gehen: den Ukraine-Krieg. Im traditionell vorab veröffentlichten MSK-Bericht bewerten Experten Wladimir Putins Krieg als Vorzeichen eines zunehmend erbitterten Systemwettbewerbs.
Staatenlenker seien sich einig, dass jetzt wichtige Weichen für die zukünftige internationale Ordnung gestellt werden. Dabei müsse die liberale Ordnung attraktiver und Kritik ernst genommen werden, mahnen die Siko-Experten, wie merkur.de schreibt.
In der Ukraine sei zu beobachten, dass eine autokratische Macht die Souveränität einer benachbarten Demokratie zerstören will, heißt es im neuen Bericht. Zusammen mit Chinas stillschweigender Unterstützung stehe das als Sinnbild für eine „tiefgreifende Herausforderung“. Das Ziel von Autokraten sei „die Unterminierung grundlegender Prinzipien der internationalen Ordnung“, sagte Tobias Bunde, Ko-Autor des am Montag veröffentlichten Berichts, in Berlin.
Münchner Sicherheitskonferenz: „Grundsätzliches auf dem Spiel“ - Warnung im Jahr des Ukraine-Kriegs
Der Ukraine-Krieg zeige „in aller Deutlichkeit, dass sich der Wettstreit unterschiedlicher und zu Teilen unvereinbarer Visionen für die internationale Ordnung zuspitzt“, erklärte Bunde - und stellte der westlichen Politik praktisch en passant ein bedenkliches Urteil aus: Das sei eine der wenigen Thesen, bei der es „in Washington, Moskau, Peking, Berlin und Paris heute noch Einigkeit gibt“.
Überall gingen die Menschen davon aus, „dass hier Grundsätzliches auf dem Spiel steht und der Wettbewerb um die Ordnung der Zukunft in eine kritische Phase eingetreten ist“, sagte Bunde weiter. Der in dem Bericht enthaltene Münchner Sicherheitsindex 2023 zeigt im Vergleich zum Vorjahr ein hohes wahrgenommenes Risiko durch militärischen Bedrohung. Für den Index waren repräsentativ Bürger in den G7-Staaten, den Brics-Ländern mit Ausnahme Russlands (Brasilien, Indien, China und Südafrika) sowie erstmals auch in der Ukraine befragt worden.
Dabei gehe es einerseits konkret um Russland, aber auch um einen Angriff mit Nuklearwaffen, sagte Bunde. „Russlands nukleares Säbelrasseln im Zuge des Angriffskrieges auf die Ukraine hat auf der ganzen Welt Besorgnis ausgelöst“, steht in unter anderem in dem Bericht. Doch auch „nicht-traditionelle Risiken“ wie der Klimawandel werden dem Index zufolge nicht als weniger wichtig wahrgenommen.
Siko: „Klarer Weckruf“ - die liberale Demokratie muss attraktiver werden
Den liberalen Demokratien könne es nicht nur um den Erhalt des Status Quo gehen, warnte Ko-Autorin Sophie Eisentraut. „Die vielleicht schwierigere Aufgabe wird es sein, die bisherige Ordnung so zu erneuern, dass sie für die breitere internationale Gemeinschaft wieder attraktiver wird“, sagte Eisentraut.
Die Zögerlichkeit vieler Länder des internationalen Südens, Russlands Angriffskrieg zu verurteilen, sei in dieser Hinsicht „ein klarer Weckruf“. Legitime Kritik an der internationalen Ordnung müsse ernster genommen werden. Ein „Systemwettbewerb“ zeige sich bei „globalen Infrastrukturen“ - Stichwort „Neue Seidenstraße“.
Dazu passt auch, dass die Siko laut ihrem Chef Christoph Heusgen diesmal den Ländern des Globalen Südens mehr Platz einräumen will. „Wir können weltweit diese internationale regelbasierte Ordnung nur als Grundlage unseres weiteren Zusammenlebens garantieren, wenn wir den Globalen Süden mehr einbeziehen“, sagte Heusgen am Montag.
Putins Russland bei der Siko nicht eingeladen - auch Iran und AfD bleiben außen vor
Neben der Frage, wie die internationale Ordnung künftig aussehen wird, soll es bei der Konferenz laut Heusgen auch darum gehen, wie politische Führer für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden können. Doch auch der Klimawandel, Ernährungssicherheit, Gesundheit und Cyber-Technologie seien wichtige Themen.
Für Heusgen ist es nach dem Abgang des langjährigen Siko-Chefs Wolfgang Ischinger das erste Jahr als Konferenzleiter. Insgesamt haben laut Heusgen mehr als 150 hochrangige Regierungsvertreter ihr Kommen zugesagt, hinzu kommen Parlamentarier aus aller Welt, auch aus der Ukraine. Vertreter aus dem Iran und Russland wurden dieses Jahr nicht eingeladen. Auch an die AfD ging als einzige Bundestagsfraktion keine Einladung, sagte Heusgen. „Das ist in der Entscheidung des Chairmans der MSK und ich habe entschieden, dass wir die AfD nicht einladen.“
Die 59. Münchner Sicherheitskonferenz findet vom 17. bis zum 19. Februar statt. Teilnehmen werden unter anderen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der französische Präsident Emmanuel Macron, US-Vize-Präsidentin Kamala Harris und der chinesische Top-Diplomat Wang Yi. (AFP/fn)