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„Strategisch und operativ verloren“ - Russlands Offensive nur ein Wunschtraum?

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Von: Stefan Krieger, Jens Kiffmeier

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Die militärische Offensive Russlands im Ukraine-Krieg läuft. Am Erfolg zweifeln Militärexperten. Sogar von russischer Seite kommen Widersprüche.

Kiew – Der Kampf um die Ukraine ist in eine neue Phase eingetreten. Die Gefechte um die Kleinstädte Bachmut und Soledar im Norden des Gebiets Donezk sind die blutigsten Kämpfe seit Monaten. Während also Russland eine neue Offensive in der Ostukraine startet, sind die USA und ihre Verbündeten skeptisch, dass Moskau über die nötigen Kräfte und Ressourcen verfügt, um signifikante Erfolge zu erzielen. Dies äußerten amerikanische, britische und ukrainische Militärs gegenüber CNN. „Es ist wahrscheinlich eher ein Wunschtraum als realistisch“, wird ein hochrangiger US-Militärbeamter zitiert.

Großoffensive im Ukraine-Krieg: Zweifel an Russlands Stärke wachsen im Westen

Russland hat die Zahl seiner Streitkräfte an der Grenze und in den von Russland kontrollierten Gebieten im Ukraine-Krieg aufgestockt, wobei einige der Streitkräfte aus einer im September letzten Jahres angeordneten Teilmobilisierung stammen. Trotz der Aufstockung der Truppenstärke für eine mögliche Großoffensive sehen die westlichen Verbündeten bislang keine Anzeichen dafür, dass sich die Fähigkeit dieser Truppen, strategisch sinnvolle Operationen durchzuführen, durch die Maßnahmen verändert hätte.

„Es ist unwahrscheinlich, dass die russischen Streitkräfte besonders gut organisiert sind und dass sie besonders erfolgreich sind, auch wenn sie bereit sind, mehr Truppen in den Fleischwolf zu schicken“, so ein hoher britischer Militär laut CNN.

Hat Probleme bei der Offensive im Ukraine-Krieg: Russlands Präsident Wladimir Putin.
Hat Probleme bei der Offensive im Ukraine-Krieg: Russlands Präsident Wladimir Putin. © Mikhail Metzel/Aziz Karimov/Sopa Images/dpa/Montage

Russlands Krieg gegen die Ukraine: Für die Angriffe auf Städte reicht es – „aber das war es“

Obwohl von ukrainischer Seite immer wieder vor neuen Angriffen Russlands im Osten gewarnt wurde, ist man in Kiew auch eher skeptisch, was die derzeitigen russischen Fähigkeiten im Ukraine-Krieg angeht. „Sie haben genug Leute zusammengezogen, um ein oder zwei kleine Städte im Donbass einzunehmen, aber das war’s“, sagte ein hochrangiger ukrainischer Diplomat gegenüber CNN. „Verglichen mit der Panik, die sie in der Ukraine schüren wollten, ist das wenig.“

Auch von US-amerikanischer Seite sieht man kaum Aussichten auf militärische Erfolge des Kremls, im Gegenteil. Russland habe „strategisch, operativ und taktisch verloren“, sagte General Mark A. Milley, Vorsitzender der US-Generalstabschefs, nach Angaben der Washington Post.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte bereits am Dienstag in Brüssel gesagt, die USA sähen nicht, dass Russland seine Flugzeuge im Vorfeld eines Luftangriffs auf die Ukraine „massiert“. „Was die Frage betrifft, ob Russland seine Flugzeuge für einen massiven Luftangriff zusammenzieht oder nicht, so sehen wir das derzeit nicht. Wir wissen, dass Russland eine beträchtliche Anzahl von Flugzeugen in seinem Bestand hat und noch über eine Menge Fähigkeiten verfügt“, sagte er. „Deshalb haben wir betont, dass wir alles tun müssen, um der Ukraine so viele Luftverteidigungsfähigkeiten wie möglich zu verschaffen.“

Kampf um Soledar und Bachmut: Erfolge bringen Russland nur wenig ein

Für Russland war der Kampf um die Ostukraine in den vergangenen Wochen ins Stocken geraten. Nach Niederlagen im Gebiet um Charkiw im Norden und später auch rund um Cherson im Süden, verlagerten die russischen Truppen ihre Kämpfe auf Bachmut und Soledar. Militärisch ist die Einnahme von Soledar, die Kiew im übrigen weiterhin bestreitet, allenfalls ein taktischer Erfolg.

Zwar gehört die Stadt, die vor dem Krieg etwas mehr als 10.000 Einwohner hatte, zum Festungswall, der östlich des Ballungsraums zwischen Slowjansk und Kramatorsk aufgebaut wurde. Doch auch dahinter gibt es noch weitere Abwehrlinien. „Die ukrainische Verteidigung bricht nicht zusammen“, räumte jetzt der frühere russische Geheimdienstoffizier Igor Girkin ein, der unter dem Pseudonym Strelkow 2014 den Aufstand der Separatisten im Osten der Ukraine anführte.

Offensive im Angriffskrieg: Militärblogger Girkin rechnet mit Niederlage Russlands

Dennoch nehmen die Spekulationen um eine neue Großoffensive zu. Angeblich will Russlands Präsident Wladimir Putin den Donbass bis Ende März einnehmen. Doch für große Geländegewinne müsste der Kreml wohl noch viel mehr Kräfte zusammenziehen. Dabei scheint es egal zu sein, ob das russische Militär dazu weiter auf Frontalangriffe im Donbass oder Umgehungsmanöver aus Saporischschja im Süden und eventuell sogar aus Belarus im Norden setzt.

Alle drei Varianten kursieren unter Militärexperten – doch ohne Verstärkungen ist keiner dieser potenziellen Schläge erfolgversprechend. Das betont Girkin. Er könne derzeit keine Faktoren sehen, die den Erfolg einer russischen Großoffensive garantieren würden, schrieb der russische Militärblogger auf seinem Telegram-Kanal. Ein umfassender Offensivkampf würde „sehr schnell und unvermeidlich zu großen Verlusten und zur Erschöpfung der Ressourcen führen“. Trotz möglicher Erfolge würden diese nicht zu einer vollständigen Niederlage der Ukraine führen. Vor allem, weil es den russischen Streitkräften an strategischen Reserven mangele.

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