Linke-Anfrage zeigt: Ukraine-Krieg bringt Milliarden-Exporte – Vier Bundesländer ganz vorne

Deutschland hilft der Ukraine mit Waffen. FR.de nun vorliegende Zahlen zeigen: Die Rüstungsindustrie eines Bundeslandes profitiert besonders.
Frankfurt am Main/Berlin - Der Weg zu einem Frieden im Ukraine-Krieg: Viele suchen ihn. Allerdings in teils völlig verschiedenen Richtungen. Teils heftig gespalten in der Frage des Umgangs mit dem Aggressor Russland und Waffenlieferungen an sein Opfer Ukraine ist auch die Linke.
Noch einmal bestätigt bekommen hat die Bundestagsfraktion der Partei nun aber jedenfalls: Der Gegenwert der Einzelgenehmigungen für Ausfuhren von Rüstungsgütern aus Deutschland in das Ausland ist 2022 zurückgegangen - trotz des Krieges in der Ukraine. Betrug er 2021 noch gut 9,35 Milliarden Euro, lag er 2022 nach vorläufigen Zahlen bei knapp 8,36 Milliarden Euro.
Nicht nur das geht aus einer detaillierten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Fraktion um Außenpolitikerin Sevim Dagdelen hervor, die FR.de exklusiv vorliegt. Auch Einblicke in die Bedeutung der Exporte auf Bundesländerebene gab es aus Robert Habecks (Grüne) Wirtschaftsministerium in der auf Montag (24. April) datierten Auskunft nun.

Klar wird aus den Zahlen noch einmal, dass die Ukraine der zahlenmäßig wichtigste Empfänger der 2022 genehmigten deutschen Ausfuhren ist, beziehungsweise sein wird. Ohne den Ukraine-Krieg und die Hilfe für Kiew wäre das Volumen also wohl noch drastischer zurückgegangen. Die Ampel-Koalition hatte angekündigt, bei den Exportgenehmigungen restriktiver vorzugehen.
Ukraine-Krieg: Waffenexporte aus Deutschland - Riesen-Ausfuhren aus Baden-Württemberg
Konkret entfielen 2022 der Antwort auf Dagdelens Kleine Anfrage zufolge auf die Ukraine 232 Einzelgenehmigungen im Wert von knapp 2,25 Milliarden Euro. Das nächst gewichtigste Zielland von Einzelgenehmigungen für Rüstungsexporte waren die Niederlande, hier betrug der Genehmigungswert rund 1,83 Milliarden Euro. Laut dem Bundeswehr-Blog augengeradeaus.net hatte die Bundesregierung das, ohne nähere Details zu nennen, im Sommer 2022 mit „einem großvolumigen und auf mehrere Jahre angelegten Beschaffungsvorhaben“ erklärt. Angeblich steckten jedoch Artilleriemunitions-Lieferungen hinter den enormen Zahlen.
Ganz anders war das Bild noch im Vorjahr 2021. Damals schlugen Genehmigungen für Rüstungsausfuhren nach Ägypten mit gut 4,3 Milliarden Euro zu Buche. Kriegsschiffe und Luftabwehrsysteme verbargen sich hinter dieser Riesensumme, wie der Deutschlandfunk berichtete. Das sorgte angesichts schwelender und drohender Konflikte im Nahen Osten auch für Kritik. Dahinter folgten die USA mit rund 1 Milliarde Euro einzelgenehmigten Ausfuhren aus Deutschland. Die Ukraine fand sich damals nicht unter den 20 Hauptempfängerländern.
Rüstungsexporte in die Ukraine nach Bundesländern: Baden-Württemberg ganz vorne
Bundesland | Kriegswaffenexporte Ukraine 2022* | Exporte sonst. Rüstungsgüter Ukraine 2022* |
---|---|---|
Baden-Württemberg | 570,8 | 571,8 |
Nordrhein-Westfalen | 253,3 | 29,2 |
Bayern | 251,3 | 209,2 |
Schleswig-Holstein | 107,6 | 54,6 |
Rheinland-Pfalz | 95,0 | 36,9 |
Niedersachsen | 8,8 | 32,7 |
... | ... | ... |
Hessen | k.A. / 'nicht einschlägig' | 2,3 |
*In der Tabelle angegeben sind Gegenwerte von Einzelausfuhrgenehmigungen in die Ukraine von in den jeweiligen Bundesländern ansässigen Unternehmen in Millionen Euro, gerundet auf eine Nachkommastelle. Quelle: Bundeswirtschaftsministerium, Zahlen vorläufig.
Zahlen lieferte die Bundesregierung auf die Linke-Anfrage auch zu den einzelnen Bundesländern. Bei der Unterkategorie der „Kriegswaffen“ entfiel 2022 ein Gros der Einzelgenehmigungen für Exporte an die Ukraine auf Baden-Württemberg: Allein für das Südwest-Land betrug der Gegenwert mehr als 570 Millionen Euro. Nordrhein-Westfalens Kriegswaffen-Einzelausfuhrgenehmigungen gen Ukraine beliefen sich im vergangenen Jahr auf gut 253 Millionen Euro, die Bayerns auf 251 Millionen.
In Schleswig-Holstein ansässige Hersteller erhielten Einzelgenehmigungen für gut 107 Millionen Euro - die anderen Länder blieben dahinter deutlich zurück. Allerdings gibt es auch noch die Kategorie der „sonstigen Rüstungsgüter“. Hier kamen Baden-Württemberg und Bayern auf recht ähnliche Zahlen wie bei den Kriegswaffen - was für die Exporteure im Südwesten zusammengenommen ein Milliarden-Exportvolumen bedeutet. Aber auch Unternehmen aus Niedersachsen und Rheinland-Pfalz mischten hier mit knapp 33 beziehungsweise 37 Millionen Euro vergleichsweise kräftig mit.
Eine Aufgliederung nach Betrieben gibt es nicht. Auch kleinteiligere Angaben, die etwa auf Preise von Rüstungsgütern schließen lassen könnten, hielt die Bundesregierung für die Öffentlichkeit unter Verschluss. Bekannt ist aber, dass gerade Baden ein Hotspot der Rüstungsindustrie ist. Und die IHK München notierte im Jahr 2022, rund ein Drittel der deutschen wehrtechnischen Branche sitze in Bayern. Bekannt ist unter anderem die Panzerschmiede des Unternehmens Krauss-Maffei Wegmann in München-Allach.
Deutschlands Waffenlieferungen: Ampel-Pläne aus Zahlen nicht ablesbar
Als Kriegswaffen gelten etwa Kampfflugzeuge, Panzer, vollautomatische Handfeuerwaffen und Kriegsschiffe. Sonstige Rüstungsgüter sind auch beispielsweise Handfeuerwaffen, Vorprodukte oder Radarsysteme. Zu beachten ist, dass die Genehmigung und die tatsächliche Ausfuhr der Rüstungsgüter nicht unbedingt in ein und demselben Jahr passieren müssen. Für die tatsächlichen Ausfuhren in 2022 gibt es erst stark vorläufige Zahlen.
Eine deutlich restriktivere Haltung der Ampel-Regierung bei Rüstungsexporten lässt sich aus den nun präsentierten Zahlen übrigens nicht ableiten. Den Angaben zufolge hat die Bundesregierung 2022 36 Einzelanträge auf Rüstungsexporte abgelehnt - Gesamtwert knapp 37 Millionen Euro. Im Jahr 2021, noch ganz überwiegend unter GroKo-Führung, hatte sie 114 solcher Anträge im Gegenwert von gut 194 Millionen Euro abgelehnt. Allerdings enthalten diese Zahlen keine schon vor einem Regierungsbescheid zurückgezogenen Anträge und sind insofern mit Vorsicht zu genießen.
Waffenexporte in die Ukraine: Linke geißelt „gigantische Gewinne“ - und einen „Wirtschaftskrieg“
Dagdelen, Linke-Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, fällte indes ein klares Urteil. „Die Ampel ist verantwortlich für einen massiven Ausbau der Waffenproduktion und eine tatsächliche Zeitenwende bei den Rüstungsexporten in Krisen- und Kriegsgebiete“, sagte sie FR.de. Die Rüstungsindustrie streiche „gigantische Gewinne“ ein.
Nicht nehmen ließ sich die Vertraute von Sahra Wagenknecht auch erneute Kritik an Deutschlands Sanktionen gegen Russland: Dagdelen sprach von einem „Wirtschaftskrieg“, für den die Bevölkerung in der Bundesrepublik mit „explodierenden Preisen bei Lebensmitteln und Energie“ die Zeche zahle. „Wirtschaftskrieg“-Äußerungen von Wagenknecht hatten im September 2022 die Linke massiv entzweit. Und waren auf noch heftigere Kritik bei den Bundestagsparteien abseits von Linke und AfD gestoßen. Viele Experten betrachten die Sanktionen gegen Russlands als elementares nicht-militärisches Mittel gegen den völkerrechtswidrigen und blutigen Angriff auf die Ukraine. (fn/as)