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Tödliche Bombe: Russlands Nationalisten im Fokus - sie kämpfen für und gegen Putin

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Von: Florian Naumann, Moritz Serif

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Die russischen Rechten sind tief gespalten. Einige unterstützen Russlands Präsidenten Wladimir Putin, andere kämpfen sogar für die Ukraine.

Kiew/Moskau – Seit Beginn der Kämpfe in der Ostukraine im Jahr 2014 haben sich Hunderte von Russen mit rechtsextremen Überzeugungen auf die Seite Kiews geschlagen. Andere hingegen schwören Putin die Treue. Über die Verwerfungen hatten zuletzt etwa die Moscow Times und Foreign Policy berichtet: Das rechte Lager in Russland ist zersplittert – und könnte noch zum Machtfaktor werden. Aufhorchen ließ am Sonntag (2. April) auch ein tödliches Attentat auf den nationalistischen Blogger Wladen Tatarskyij. Ein Überblick:

Russlands Rechte gegen Putin: „Nationalpatriot“ Girkin macht Schoigu wieder Vorwürfe

Gerade Mitglieder der russischen Neonazi-Subkultur betrachten das heutige Russland als korrupten, multinationalen Staat und werfen Präsident Wladimir Putin vor, die Interessen der ethnischen Russen zu missachten. Allerdings gibt es viele Schattierungen: Der frühere russische Kommandeur und Nationalist Igor Girkin machte sich erst am Samstag (1. April) über die Kriegsführung des Kreml lustig – es handle sich um „Idioten“, „die nicht verstehen, was sie sagen und schreiben“, erklärte er in einem Telegram-Post.

Girkin befürwortet den Ukraine-Krieg, ist allerdings mit der Umsetzung notorisch unzufrieden. Ähnlich wie der nun getötete Tatarskij. Der Kreml-Kritiker und Ex-Oligarch Michail Chodorkowski benannte Girkin zuletzt in einem Interview mit IPPEN.MEDIA als einen Ausleger der russischen „Nationalpatrioten“. Diese seien aber selbst in sich kein „monolithisches“ Lager. Es laufe ein Machtkampf – etwa zwischen Girkin alias „Strelkow“ und dem Chef der „Gruppe Wagner“, Jewgeni Prigoschin.

Der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Auftritt im Sender Russia-24 im Februar.
Der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Auftritt im Sender Russia-24 im Februar. © Adrien Fillon/Imago

Laut Foreign Policy feilten rechte Putin-Kritiker schon 2022 an einer „Dolchstoßlegende“ für die Zeit nach einem Machtwechsel. Es handle sich um eine „lose Koalition“ aus „extrem rechten Ideologen, militanten Extremisten, Veteranen des Donbass-Kriegs, Wagner-Söldnern, Kriegs-Reportern mit eigenen Telegram-Kanälen und einzelnen russischen Medienmitarbeiterin“, schrieb das US-Magazin im September. Teils seien sie oppositionell eingestellt, teils verehrten sie Putin. Einig seien sie sich aber in der Forderung nach einem härteren Vorgehen in der Ukraine. Ihre Präsenz schürt Sorgen über Russlands Zukunft.

Rechtsextreme russische Nationalisten kämpfen für Putin

Insgesamt gibt es eher wenige russische Rechtsradikale, die an der Seite der Ukraine kämpfen. Putin hat weiter Unterstützer im nationalistischen Lager. Diese Rechten wollen Russlands „historische Grenzen“ wiederherstellen und unterstützen Putins Versuch, die Kontrolle über die Ukraine zu erlangen. Sie betrachten den Staat als historisch russisches Gebiet.

Laut Guardian wurden diese Freiwilligen zeitweise vom russischen Föderalen Sicherheitsdienst (FSB) unterstützt. Er setzte sie als Stellvertreter im Donbass-Konflikt ein, da der Kreml seine direkte Beteiligung nicht zugeben wollte. Auch Girkin wirkte in dem Konflikt. „Sie hatten Verbindungen zum FSB und zu Teilen des Militärs, um Anweisungen, Waffen und Munition zu erhalten“, erklärte auch Mitrochin der Moscow Times.

Als die aktive Phase der Kämpfe in der Ostukraine endete, seien die nationalistischen Milizen allerdings allmählich an den Rand gedrängt und ihre Anführer durch Kreml-treuere Personen ersetzt worden, wie es in dem Artikel heißt.

„Russische Reichsbewegung“: Rechtsextreme Gruppe aus St. Petersburg - Deutsche Neonazis vor Ort

Eine der bekanntesten nazistischen Gruppierungen ist die Russische Kaiserliche Legion, eine rechtsextreme Gruppe aus St. Petersburg. Ihr politischer Arm, die Russische Reichsbewegung (RIM), vertritt einwanderungsfeindliche und antisemitische Ansichten. Sie spricht der Ukraine ihre Daseinsberechtigung ab und hat Ausbildungslager für Freiwillige betrieben, die in der Ukraine kämpfen wollen. Auch deutsche Neonazis sollen in einem paramilitärischen Trainingslager der RIM gewesen sein.

Die USA und Kanada stuften die RID als terroristische Organisation ein und verhängten im vergangenen Jahr Sanktionen gegen führende Mitglieder. Ziel der Organisation sei die Einrichtung einer russischen Monarchie mit der Orthodoxie als Staatsreligion, schrieb das Bundesinnenministerium im Sommer 2022 in einer Antwort an die Linke-Abgeordnete Martina Renner.

Vielleicht noch radikaler ist indes die Rusich. Die Mitglieder der von dem Neonazi Alexej Milchakow angeführten Gruppe zeigen regelmäßig rechtsextreme Symbole und wurden bereits wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine angeklagt. Auch sie kämpften im Donbass-Krieg - und haben angebliche enge Verbindungen zur Gruppe Wagner.

Ukraine-Kämpfer aus Russland? Russische Nationalisten schlossen sich dem Asow-Regiment an

Einige Neonazis aus Russland sind aber offenbar in die Ukraine emigriert. „Sie begannen, den russischen Staat zu hassen und dachten, dass die Ukraine, wo die Einwanderung weniger stark war, der ideale Ort für ihre Aktivitäten sei“, sagte Nikolai Mitrochin, ein auf das Phänomen des russischen Nationalismus spezialisierter Soziologe an der Universität Bremen, der Moscow Times.

Viele ergriffen 2014 die Gelegenheit, sich ukrainischen rechtsextremen Militäreinheiten anzuschließen, darunter dem Regiment Asow. Einige von ihnen warfen dem Kreml vor, einen „Bruderkrieg“ anzuheizen, während andere sich an militärischen Aktionen beteiligten. Ausländischer Kämpfer spielen im Ukraine-Krieg eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Russlands extreme Rechte auf Seite der Ukraine: „Russian Volunteer Corps“ mit deutscher Vorgeschichte

Denis Kapustin, ein in Moskau geborener Neonazi, gründete 2022 die Russian Volunteer Corps (RVC). Laut eigenem Manifest wollen die RVC Putin stürzen und einen ethnisch russischen Staat zu schaffen. Ihre Mitglieder fordern, dass Russland seine imperialen Ambitionen aufgibt und sich auf das Wohlergehen der ethnischen Russen konzentriert. Kapustin fordert einen „Sieg“ der Ukraine – er wuchs in Deutschland auf und galt als eine der führenden Figuren in der europäischen Neonazi-Szene, wie auch ntv schrieb. 2019 wies ihn die Bundesrepublik aus. Doch schon seit 2018 soll er in der Ukraine leben.

Zuletzt machte die Gruppe mit vermeintlicher Sabotage Schlagzeilen: Sie übernahm die Verantwortung für Angriffe auf Zivilisten in russischen Region Brjansk, wie Radio Liberty berichtete. Experten zufolge ist die Unterstützung für die RVC innerhalb Russlands unbedeutend. Mehrere russische rechtsextreme Gruppen kämpfen im Ukraine-Krieg als Teil von Freiwilligeneinheiten der russischen Streitkräfte. (mse/fn)

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