Russische Propaganda? Erfundene Zahlen zu Ukraine-Verlusten zeichnen düsteres Bild

Angebliche Zahlen zu Verlusten in der Ukraine gehen viral und sollen Zweifel an der Unterstützung für Kiew säen. Experten sprechen von Propaganda.
Moskau – Mitunter ist es seine stärkste Waffe: Russlands Präsident Wladimir Putin lässt gerne Fake News streuen. Durch die Verbreitung von Desinformationen versucht der Kreml gezielt, die öffentliche Meinung hinsichtlich des Ukraine-Kriegs zu manipulieren. Eine weitere Propaganda ging jüngst viral und verbreitet wohl falsche Informationen über angebliche Verluste des russischen und ukrainischen Militärs.
So wird behauptet, dass die Ukraine schlimmere Verluste erlitten hat als Russland. Experten zufolge steckt ein klares Ziel dahinter: „Wenn Menschen denken, die Ukraine verliere den Krieg sowieso, spielt das in der jetzigen Phase Russland in die Karten. Weil dann Waffenlieferungen infrage gestellt werden“, warnte der Militärexperte Christian Mölling im ZDF.
Russische Propaganda: Zahlen zu Verlusten in der Ukraine offenbar frei erfunden
Verluste in Kiew seien eines der größten Geheimnisse, heißt es in dem Text, der über einer von ZDF gefundenen Infografik steht. Demnach soll die Ukraine 6.320 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge bis zum 14. Januar verloren haben sowie 320 Flugzeuge. Auf ukrainischer Seite stehen demnach über 2.000 gefallene Nato-Soldaten, darunter auch Deutsche. Die Todeszahl liege bei insgesamt 157.000. Russland hingegen hat laut den Angaben der Infografik nur 889 Panzer und 25 Flugzeuge verloren. Auch die Zahl der angeblich gefallenen Soldaten in Russland fällt mit 18.480 viel geringer aus.
Belege für die Behauptungen in der Grafik gibt es nicht. Die Zahlen gehen zurück auf einen türkischsprachigen Artikel der Online-Nachrichtenseite Hürseda Haber von Ende Januar. In dem kurzen Artikel heißt es, es handele sich „angeblich“ um „die Felddaten vom 14. Januar 2023, basierend auf israelischen Geheimdiensten“. Für Gustav Gressel vom Europäischen Rat für Auswärtige Angelegenheiten sind die Angaben Propaganda. Die Zahlen seien völlig absurd, sagte er im Gespräch mit ZDFheute. „Es gibt keine 2.458 tote Nato-Soldaten, erst recht keine deutschen“, so Gressel.
Ukraine-Krieg: Versuchen sich Russland und Ukraine die Zahlen schönzureden?
Die Zahl von 889 zerstörten russischen Panzern hält Gressel wiederum für stark untertrieben und verweist auf die niederländische Webseite Oryx. Die Webseite sammelt seit Beginn des Krieges fotografische Belege für den Verlust von militärischem Gerät. Fotobeweise belegen, dass offenbar 4.700 russische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zerstört, aufgegeben oder von Ukrainern übernommen wurden.
Wie viele Soldaten in dem Krieg bisher ihr Leben lassen mussten, lässt sich bisher nicht unabhängig überprüfen. „Natürlich bemühen sich beide Seiten, die Zahlen schönzureden. Das ist nun mal auch ein Informationskrieg“, sagt Militärexperte Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Die Verluste genau zu beziffern, sei deshalb unmöglich.
Russische Propaganda: Kreml will Zweifel an Panzer-Lieferung säen
Bis diese Behauptungen geprüft und als Lüge entlarvt wurden, dauere es relativ lange, so Mölling. In der englischsprachigen Version wurde die Infografik bereits massenweise in den sozialen Medien geteilt. Twitter-Chef Elon Musk hat die Verbreitung befeuert, indem er dazu kommentierte: „Ein tragischer Verlust von Menschenleben.“ Laut dem Militärexperten Christian Mölling wird durch die Verbreitung ein Diskurs inszeniert, welcher eine scheinbare Realität abbildet und für einen kurzen Moment die Öffentlichkeit beeinflussen soll.
Josef Holnburger vom Berliner Zentrum für Überwachung, Analyse und Strategie vermutet, dass mit solchen Beiträgen Zweifel an der Unterstützung für die Ukraine gesät werden sollen. Zudem sollen Verluste durch Verbreitung solcher Sharepics Verluste kleinreden und als vermeintliche Erfolge verkauft werden. (bohy)