Wollte Prigoschin Putin verraten? Wagner-Chef bezieht Stellung
Geleakte Dokumente lassen vermuten, dass Jewgeni Prigoschin Anfang Januar einen Deal mit der Ukraine abschließen wollte. Nun äußert sich Prigoschin.
Update vom Dienstag, 16. Mai: Wollte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin Russland verraten? Darüber kann der Militär-Boss nur lachen. „Das zu lesen, ist natürlich schön. Es bedeutet, dass ich nicht nur für Russland kämpfe, sondern dass Selenskyj auch meine Befehle ausführt“, sagte Prigoschin in einer auf Telegram veröffentlichten Audiobotschaft. „Das ist lächerlich“, ergänzte er. Er sagte, dass „Leute aus Rubljowka“ - ein luxuriöser Moskauer Vorort, in dem die russische Elite lebt - hinter den Anschuldigungen stecken könnten. „Natürlich werden sie so viel Sch*** über mich schütten, wie sie können“, sagte er.
Wagner-Chef Prigoschin wollte wohl russische Truppen verraten
Erstmeldung vom Montag, 15. Mai: Kiew/Moskau – Immer wieder stichelt Jewgeni Prigoschin im Ukraine-Krieg gegen das russische Verteidigungsministerium. Nun legen Geheimdienstinformationen nahe: Der Chef der Wagner-Gruppe wollte offenbar einen Tauschhandel mit der Ukraine abschließen. Informationen sollten gegen einen Truppenrückzug der Ukrainer getauscht werden. Was steckt dahinter?
Wie die Washington Post berichtet, habe Wagner-Chef Prigoschin dem ukrainischen Geheimdienst im späten Januar angeboten, Positionen russischer Truppen preiszugeben. Im Gegenzug soll der Anführer der Söldner-Truppe gefordert haben, dass die Ukraine ihre Truppen aus der Stadt Bachmut abziehe. Dort musste die Wagner-Gruppe zuletzt schwere Verluste hinnehmen. Welche Truppen Prigoschin verraten wollte, ist offenbar nicht bekannt.
Prigoschin wird für den Kreml im Ukraine-Krieg zunehmend zum Problem
Die Washington Post bezieht sich in ihren Berichten auf Informationen des US-Geheimdiensts, die im April auf der Plattform Discord geleakt worden waren. Zwei ukrainische Offiziere bestätigten zudem gegenüber der Zeitung, dass Prigoschin das Angebot mehrfach unterbreitet habe. Kiew habe abgelehnt, da man dort dem Wagner-Chef nicht traue. Wolodymyr Selenskyj bestätigte die Kontakte zu Prigoschin in einem vorangegangenen Interview nicht. Auch der Kreml reagierte nicht auf eine Anfrage der Zeitung.
Wollte Prigoschin die russischen Truppen tatsächlich verraten? Ein ukrainischer Beamter ordnete die Kontakte eher als „sei deinen Freunden nah, aber deinen Feinden noch näher“ ein. Es sei nicht unüblich, dass Gegner in Kriegszeiten eine gewisse Form der Kommunikation aufrechterhielten, so die Zeitung.
Nichtsdestotrotz scheint Wagner-Chef Prigoschin für den Kreml zunehmend zum Problem zu werden. Er beschimpft die Führung in Moskau und lamentiert bereits seit Wochen, dass seinen Truppen, die stark in den Kampf um Bachmut eingebunden sind, die Munition fehle. Seinen Söldnern um Bachmut drohe die Einkesselung. „Sie haben uns einfach und dreist getäuscht“, wurde eine seiner Telegram-Nachrichten übersetzt. Zuletzt drohte Prigoschin, seine Truppen abzuziehen.
Laut einem Bericht des unabhängigen russischen Nachrichtenportals Meduza sei der Kreml über die unverblümte Kritik Prigoschins am russischen Verteidigungsministerium beunruhigt. Im Verteidigungsministerium werde bereits überlegt, Prigoschin mit einer öffentlichen Kampagne über einen Stellvertreter zu diskreditieren.
Ukraine-Krieg: Putin hält sich bislang bedeckt – Expertin sieht Rolle Prigoschins überschätzt
Wladimir Putin selbst hält sich bislang aus der Debatte raus. Das sei typisch für den Präsidenten, so Dr. Margarete Klein, Russland-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Anfang Mai beim zdf. Solange er nicht persönlich beleidigt werde, lasse er Konflikte gerne laufen. Zuletzt hatte es jedoch Spekulationen gegeben, ob Prigoschin Putin in einem Video persönlich beschimpfte.

Die Rolle Prigoschins hält Klein in der Debatte für überschätzt – jedenfalls politisch. Prigoschin sei keine Art Nachfolger von Putin, wie er gerne gesehen werde. Er sei Unternehmer und Gewaltakteur und profitiere vom Krieg. Mit seinen öffentlichen Aussagen versuche er maximale Aufmerksamkeit zu erlangen und Druck auszuüben. Denn: Im Krieg ist er auf die Unterstützung der Armee angewiesen, wie auch seine letzten Forderungen ans Verteidigungsministerium zeigten. Seine Söldnertruppe könne ohne die Unterstützung „durch das Verteidigungsministerium“ nicht agieren, macht Klein klar. Während Prigoschin also um Aufmerksamkeit wirbt, geht im Ukraine-Krieg der Kampf um Bachmut weiter. (chd)